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  • · Fachbeitrag · Fristlose Kündigung

    Viel Rauch(en) um Nichts

    Zur Kündigung eines Mietverhältnisses wegen Zigarettengeruchs im Treppenhaus (BGH 18.2.15, VIII ZR 186/14, Abruf-Nr. 175685).

     

    Sachverhalt

    Der 75-jährige Beklagte ist seit 40 Jahren Mieter einer Wohnung der Klägerin. Außer der Wohnung des Beklagten wird in dem Mehrfamilienhaus nur noch ein kleines Appartement zu Wohnzwecken genutzt. Die übrigen Räume sind inzwischen zu Büros umgewandelt. Der Beklagte raucht seit etwa 50 Jahren. In der streitgegenständlichen Wohnung raucht er regelmäßig mindestens 15 Zigaretten täglich. Die Klägerin behauptet, dass von der Wohnung des Beklagten seit längerem vor allem infolge unzureichender Lüftung der Wohnung über die Fenster und mangelnder Entleerung der gefüllten Aschenbecher Zigarettengestank ins Treppenhaus gelange und dort zu erheblichen Geruchsbelästigungen führe. Deshalb hat die Klägerin nach vorheriger Abmahnung mit der Klageschrift die fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses erklärt. Das AG (ZMR 14, 372) hat der Räumungsklage stattgegeben. Das LG (ZMR 14, 888) weist die Berufung des Beklagten aufgrund der Aussage des von der Klägerin benannten Zeugen aus § 543 Abs. 2 Nr. 2 oder § 543 Abs.1 i.V. mit § 569 Abs. 2 BGB zurück. Der Zeuge habe bekundet, das Gebäude in seiner Eigenschaft als Makler und Vertreter der Klägerin in den Jahren 11 und 12 mehrfach betreten und im Treppenhaus kalten Rauchgestank wahrgenommen zu haben. In der Wohnung des Beklagten seien jeweils die Rollläden heruntergezogen gewesen. Bei einer dieser Gelegenheiten habe er auch mit Einverständnis des Beklagten dessen Wohnung betreten, in der sich fünf nicht geleerte Aschenbecher befunden hätten und es „wie in einer Räucherkammer“ gerochen habe. Die Revision hat Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe

    Nach der Generalklausel des § 543 Abs. 1 BGB kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos gekündigt werden. Ein solcher Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. § 569 Abs. 2 BGB ergänzt dies dahin, dass auch die nachhaltige Störung des Hausfriedens einen solchen wichtigen Grund darstellen kann. Dies setzt voraus, dass eine Mietpartei die gemäß § 241 Abs. 2 BGB aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme folgende Pflicht, sich bei der Nutzung der Mietsache so zu verhalten, dass die anderen Mieter nicht mehr als unvermeidlich gestört werden, in schwerwiegender Weise verletzt. Diese Voraussetzungen werden von den Feststellungen des Berufungsgerichts - soweit verfahrensfehlerfrei getroffen - nicht getragen. Noch zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Beklagte seine mietvertraglichen Pflichten nicht schon dadurch verletzt, dass er in seiner Wohnung täglich 15 Zigaretten raucht. Denn eine (Individual-)Vereinbarung, dass dem Beklagten das Rauchen innerhalb seiner Wohnung nicht erlaubt ist, haben die Parteien nicht getroffen. Ein dahingehendes gesetzliches Verbot besteht ebenfalls nicht. Das heißt: Es ist davon auszugehen, dass sich das Rauchen des Beklagten in seiner Wohnung im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs hält.

     

    Beachten Sie | Ein Mieter, der in seiner Wohnung raucht, kann aufgrund des mietvertraglichen Gebots der Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) gehalten sein, einfache und zumutbare Maßnahmen (etwa die Lüftung über die Fenster) zur Vermeidung einer Beeinträchtigung der Mitmieter zu ergreifen. Eine durch Verletzung einer solchen Rücksichtnahmepflicht verursachte Geruchsbelästigung der Mitbewohner kann auch eine Störung des Hausfriedens darstellen, insbesondere wenn die Intensität der Beeinträchtigungen ein unerträgliches und/oder gesundheitsgefährdendes Ausmaß erreicht.

     

    Das LG hat dies nicht verkannt. Ihm sind jedoch bei der Feststellung und Würdigung der insoweit maßgeblichen Tatsachen mehrere schwerwiegende Rechtsfehler unterlaufen. Es hat ohne hinreichende Tatsachengrundlage und unter Verstoß gegen § 286 ZPO angenommen, dass seit 2011 (ständig) Zigarettenrauch in den unteren Teil des Treppenhauses ziehe und dort zu erheblichen Geruchsbelästigungen führe, und dies dem Beklagten anzulasten sei, weil er in seiner Wohnung täglich rauche, ohne über die Fenster zu lüften oder die Aschenbecher zu entleeren. Das Berufungsgericht hat sich insoweit mit der Aussage des Zeugen begnügt, der nicht im Gebäude wohnt und lediglich bei einzelnen Gelegenheiten innerhalb eines sich über mehrere Jahre erstreckenden Zeitraums punktuelle Wahrnehmungen gemacht hat.

     

    • Es hat von der Möglichkeit, sich - etwa im Anschluss an die Zeugenvernehmung - durch Einnahme des Augenscheins (§ 144 Abs. 1 S. 1 ZPO) einen persönlichen Eindruck von der Örtlichkeit zu verschaffen, keinen Gebrauch gemacht. Dies hätte aber zur sachgerechten Berücksichtigung zumindest der vom Beklagten vorgetragenen räumlichen Verhältnisse nahe gelegen und sich nicht zuletzt auch deshalb aufgedrängt, weil der von der Klägerin behauptete Ursachenzusammenhang nach der Lebenserfahrung nicht gerade besonders plausibel erscheint. Denn es ist nicht ersichtlich und wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht, dass der Beklagte, z.B. durch Offenstehenlassen der Wohnungstür für längere Zeit, seine Wohnung etwa gezielt in das Treppenhaus entlüftet hätte. Dass allein das kurzzeitige Öffnen beim Verlassen oder Betreten der „Raucherwohnung“ einen derartigen Luftaustausch in das Treppenhaus bewirkt, dass es zu Geruchsbelästigungen in einem für die übrigen Mieter nicht mehr hinnehmbaren Ausmaß kommt, erschließt sich jedenfalls nicht ohne Weiteres.
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    • Feststellungen zu der von der Klägerin behaupteten Gesundheitsgefährdung der übrigen Mieter hat das Berufungsgericht im Übrigen ebenso wenig getroffen wie nähere Feststellungen zur Intensität und Beständigkeit der behaupteten Geruchsbelästigungen.
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    • Es hat sich unter Verletzung von § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht mit naheliegenden anderen Ursachen der von ihm angenommenen Geruchsbeeinträchtigungen im Treppenhaus befasst. Der Beklagte hatte insoweit geltend gemacht, dass auch in den Büros des Mehrfamilienhauses geraucht werde, dass es im Treppenhaus auch aus anderen Gründen (Feuchtigkeitsschäden und Schimmelpilz im Keller) „stinke“ und dass schließlich etwaige, aus seiner Wohnung herrührende Geruchsbelästigungen auf baulichen Mängeln, insbesondere einer unzureichenden Abdichtung der Wohnungstüre beruhten. Dieses Vorbringen durfte das Berufungsgericht nicht, wie geschehen, nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückweisen und infolgedessen seiner Entscheidung als unstreitig zugrunde legen, dass die vom Beklagten genannten anderen Ursachen nicht in Betracht kämen.
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    • Konkrete Feststellungen dazu, welche Mieter sich überhaupt und in welchem Umfang beeinträchtigt fühlen und/oder beschwert haben, hat das Berufungsgericht ebenfalls nicht getroffen.

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung des LG beruht auf unzureichender Tatsachengrundlage. Es hat weder die Kausalität des Mieterverhaltens festgestellt noch von der sich bei behaupteten Lärm- und Geruchsimmissionen aufdrängenden Möglichkeit einer Inaugenscheinnahme (Ortstermin) gemäß § 144 ZPO Gebrauch gemacht. Angesichts der Häufung der Rechtsfehler ist es verständlich, dass der BGH die Sache gemäß § 563 Abs. 1 S. 2 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des LG zurückverwiesen hat.

     

    Das LG hat neben den in den Entscheidungsgründen aufgeführten Rechtsfehlern auch bei der gemäß § 543 Abs. 1 BGB erforderlichen Abwägung aller Umstände des Einzelfalls gepatzt. Es hat ersichtlich nicht bedacht, dass etwaige Beeinträchtigungen der übrigen Mieter (bzw. Mitarbeiter der im Gebäude befindlichen Büros) durch Zigarettengerüche aus der Wohnung des Beklagten nur jeweils kurzzeitig andauern, weil sie lediglich das Treppenhaus betreffen, das typischerweise nur zum Verlassen und Betreten des Hauses und nicht zum längeren Aufenthalt benutzt wird. Damit hat der BGH indirekt angesprochen, dass die Voraussetzungen eines „nachhaltigen“ Pflichtenverstoßes regelmäßig nur erfüllt sind, wenn es sich um eine über einen längeren Zeitraum hinziehende erhebliche Beeinträchtigung der einen Partei durch einen schweren Verstoß der anderen Vertragspartei gegen das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme handelt (OLG Düsseldorf, ZMR 13, 706). Diese Hürden für eine Kündigung nach §§ 543 Abs. 1, 569 Abs. 2 BGB sind hoch. Angesichts des Zeitablaufs ist kaum zu erwarten, dass die Klägerin den ihr nach zutreffender Sicht des BGH obliegenden Beweis für eine vom Beklagten in der Vergangenheit zu verantwortende Störung des Hausfriedens wird führen können.

     

    Wenn der Beklagte (und auch seine verstorbene Ehefrau) seit 40 Jahren in der Wohnung in erheblichem Umfang geraucht haben, ist anzunehmen, dass dies nicht ohne substanzielle Auswirkungen auf die Wände der Wohnung geblieben ist, die sich mit normalen Schönheitsreparaturen nicht mehr beseitigen lassen. „Exzessives Rauchen“, das zu Verschlechterungen der Wohnung führt, überschreitet den vertragsgemäßen Gebrauch und kann eine Schadensersatzpflicht des Mieters zur Folge haben (BGH MK 08, 75, Abruf-Nr. 080910). Dieser Gesichtspunkt spielte hier keine Rolle, da die Klägerin nicht geltend gemacht hat, dass ein solcher Fall vorliegt.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2015 | Seite 78 | ID 43316639