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  • · Fachbeitrag · Mietprozess

    Richtig klagen in Mietstreitigkeiten: Die Mieterhöhungsklage

    von RA Axel Wetekamp, RiAG a.D., München

    | Der Mietprozess stellt besondere Anforderungen an die Bestimmung des Verfahrensgegenstands und die richtigen Anträge im Rahmen des jeweiligen Klagebegehrens. Der folgende Beitrag zeigt das richtige Vorgehen bei Mieterhöhungsklagen. |

    1. Besondere Prozessvoraussetzungen

    Die besonderen Prozessvoraussetzungen der Mieterhöhungsklage sind das Erhöhungsbegehren und die Einhaltung der Zustimmungs- und Klagefrist.

     

    a) Erhöhungsverlangen

    Neben der materiellen Wirkung als Angebot zum Abschluss eines Abänderungsvertrags ist das Erhöhungsverlangen besondere Prozessvoraussetzung. Mit dem Zugang des Erhöhungsverlangens wird nicht nur die Überlegungsfrist des § 558b Abs. 2 BGB in Lauf gesetzt, sondern gleichzeitig der Ablauf der Frist bestimmt, innerhalb der der Vermieter klagen muss. Die Zustimmungsklage muss bis zum Ablauf von fünf Monaten nach Zugang des Erhöhungsverlangens erhoben sein (§ 558b Abs. 2 S. 2 BGB).

     

    Ein Erhöhungsverlangen, das dem Mieter zugegangen ist, kann ohne Weiteres wieder zurückgenommen werden (LG Braunschweig WuM 81, 163). Die Rücknahme kann als Klagerücknahme auch erst im Prozess erfolgen. Auch eine Teilrücknahme des Erhöhungsverlangens ist möglich, ohne dass hierdurch eine neue Überlegungsfrist in Gang gesetzt wird.

     

    b) Einhaltung der Zustimmungsfrist

    Die Einhaltung der Zustimmungsfrist ist weitere besondere Prozessvoraussetzung. Sowohl Überlegungs- als auch Klagefrist sind nicht disponibel, können also nicht verkürzt werden (LG München I WuM 94, 384; AG Köln WuM 97, 51). Die gesetzliche Regelung über den Beginn und die Länge der Klagefrist gilt auch, wenn der Vermieter dem Mieter eine längere Überlegungsfrist einräumt. Dies muss als zulässig angesehen werden, da es zugunsten des Mieters geschieht. Erhebt der Vermieter vor Ablauf der Zustimmungsfrist Klage, ist sie nicht unwirksam, sondern wird zulässig, wenn die Zustimmungsfrist zur Zeit des letzten Verhandlungstermins abgelaufen ist (KG ZMR 81, 158). Ausnahmsweise kann der Vermieter bereits vor Ablauf der Zustimmungsfrist Zustimmungsklage einreichen, wenn der Mieter die Zustimmung endgültig und bestimmt ablehnt (Rechtsentscheid des KG ZMR 81, 158).

     

    c) Einhaltung der Klagefrist

    Die Einhaltung der Klagefrist ist weitere besondere Prozessvoraussetzung. Sie beträgt nach § 558b Abs. 2 S. 2 BGB drei Monate und beginnt mit Ablauf der Zustimmungsfrist. Die Verlängerung der Klagefrist von zwei auf drei Monate durch das Mietrechtsreformgesetz 2001 soll den Parteien ausreichend Zeit für eine außergerichtliche einvernehmliche Streitbeilegung geben.

     

    • Bei der Klagefrist handelt es sich um eine Ausschlussfrist. Die Klagefrist kann eingehalten werden durch Einreichung der Klageschrift bei Gericht. Dies genügt nach Maßgabe des § 167 ZPO. Nicht erforderlich ist daher die Zustellung der Klage innerhalb der Klagefrist. Sie kann auch durch Einreichung per Telefax gewahrt werden (anders AG Sömmerda GE 00, 15).

     

    • Eine wegen Ablauf der Klagefrist unzulässige Klage ist kein neues Erhöhungsverlangen (LG Frankenthal WuM 85, 318). Auch gibt es keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Klagefrist (LG Berlin GE 96, 1549).

     

    • Eine Prozessführung im eigenen Namen über ein fremdes Recht, nämlich die Zustimmung zu einer Mieterhöhung zu verlangen (Prozessstandschaft) muss im Zustimmungsprozess zur Mieterhöhung vor Ablauf der Klagefrist offen gelegt werden. Die Klage ist sonst unzulässig (KG GE 97, 110).

     

    • Hinsichtlich einer Feststellungsklage, dass der Mieter die Zustimmung zu einer erhöhten Miete schulde, fehlt es am Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO. Es besteht der Vorrang der Leistungsklage.

     

    d) Nachholung oder Nachbesserung des Erhöhungsverlangens

    Das Nachholen oder Nachbessern eines Erhöhungsverlangens ist zu unterscheiden von der Berichtigung offensichtlicher Schreib- und Rechenfehler, die ohne Weiteres berichtigt werden können (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 10. Aufl., § 558b BGB, Rn. 163). Was darüber hinaus geht, also z.B. die Ergänzung und Berichtigung ungenügender Angaben über die Vergleichswohnungen, stellt eine Nachbesserung des Erhöhungsverlangens dar, was erneut die Zustimmungsfrist auslöst. Der Vermieter kann nach § 558b Abs. 3 S. 1 BGB wahlweise entweder

    • im Rechtsstreit ein neues Erhöhungsverlangen abgeben oder
    • Mängel des Erhöhungsverlangens beheben.

     

    Sollte das Erhöhungsverlangen überhaupt nicht in Form des § 558a BGB begründet worden sein, kommt nur die Abgabe eines neuen Erhöhungsverlangens in Betracht (LG Köln ZMR 96, 384). Die fehlenden Angaben können nicht zu Protokoll des Gerichts gegeben werden (AG Bad Urach WuM 92, 255).

     

    Die einem Rechtsanwalt zur Verteidigung gegenüber einem Mieterhöhungsverlangen erteilte allgemeine Prozessvollmacht ermächtigt auch zur Entgegennahme eines während des Verfahrens abgegebenen weiteren Mieterhöhungsverlangens (BGH 18.12.02, VIII ZR 72/02, NZM 03, 229).

     

    Wird das Erhöhungsverlangen erst im Prozess nachgeholt oder nachgebessert und stimmt der Mieter nach Nachholung bzw. Nachbesserung der Mieterhöhung zu, trägt der Vermieter nach § 91a ZPO die Kosten des Verfahrens, da der Mieter zur Klage keine Veranlassung gegeben hat. Dies ist auch der Fall, wenn der Mieter erst nach Ablauf der im Prozess laufenden Zustimmungsfrist aber bis zur letzten mündlichen Verhandlung zugestimmt hat, §§ 91a, 93 ZPO (LG Augsburg WuM 91, 597).

     

    Weder auf die Möglichkeit der Nachholung noch der Nachbesserung im Prozess muss das Gericht nach § 139 ZPO hinweisen, wohl aber auf die Mängel des Erhöhungsverlangens (Hinz, NZM 02, 633 ff.)!

     

    Die Möglichkeit, bei einem unzureichenden Erhöhungsverlangen nicht ein vollständiges neues Erhöhungsverlangen abzugeben, sondern das bisherige Erhöhungsverlangen um die fehlenden Angaben nachzubessern, sieht § 558b Abs. 3 S. 1 BGB vor. Wie sich aus § 558b Abs. 3 S. 2 BGB ergibt, muss auch in diesem Fall die Zustimmungsfrist eingehalten werden, es sei denn, es liegt eine endgültige Ablehnung der Zustimmung durch den Mieter vor. Ist die Zustimmungsfrist bei Schluss der mündlichen Verhandlung nicht abgelaufen, ist die Klage unzulässig.

     

    Nachdem der materiellen Regelung über den Lauf der Zustimmungsfrist keine prozessuale Regelung über eine Aussetzung oder Vertagung entspricht, kommt eine Aussetzung der Verhandlung oder die Vertagung zur Herbeiführung der Prozessvoraussetzung der Zustimmungsfrist nicht in Betracht (AG Bad Homburg WuM 85, 323; AG Bonn WuM 99, 523). § 558b Abs. 3 S. 2 BGB ist keine prozessuale Rechtsgrundlage für die Aussetzung oder Vertagung des Prozesses (ebenso Hinz, NZM 02, 636). Hier gilt aber, dass die Klage wie bei der vorzeitig erhobenen Zustimmungsklage zulässig wird, wenn der Mieter das nachgeholte Erhöhungsverlangen vor Ablauf der Zustimmungsfrist bestimmt und endgültig ablehnt (OLG Celle WuM 96, 20).

    2. Materielle Voraussetzungen

    Im Mieterhöhungsprozess stellt das Gericht mit den Beweismitteln der ZPO die ortsübliche Vergleichsmiete unabhängig von den im Mieterhöhungsverlangen genannten Begründungsmitteln für die Mieterhöhung fest. Nachdem jedoch nach § 558d Abs. 3 BGB in den Fällen, in denen in einer Gemeinde ein qualifizierter Mietspiegel vorhanden ist, vermutet wird, dass die im qualifizierten Mietspiegel bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben, ist das Gericht insoweit hinsichtlich der Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete beschränkt. Allerdings ist die Vermutung widerlegbar, der Beweis des Gegenteils nach § 292 ZPO ist möglich und die Vermutung gilt nur, wenn § 558d Abs. 1 und Abs. 2 BGB über die Erstellung, Fortschreibung und Neuerstellung des Mietspiegels eingehalten worden sind.

     

    Weist ein qualifizierter Mietspiegel Spannen aus und steht für die Einordnung in die Spannen eine Orientierungshilfe zur Verfügung, kann unter ihrer Zuhilfenahme die Spanneneinordnung durch den Richter geschätzt werden, § 287 ZPO. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es insoweit nicht (BGH 20.4.05, VIII ZR 110/04, NZM 05, 498).

     

    Durch die Vermutungswirkung des § 558 d Abs. 3 BGB rückt ein qualifizierter Mietspiegel in die Nähe einer Rechtsverordnung. Diese eingeschränkte Bindungswirkung für die Zivilgerichte macht den qualifizierten Mietspiegel auch verwaltungsgerichtlich nachprüfbar (Loewe, NZM 00, 582 ff.; a.A. OVG Münster WuM 06, 623; vgl. auch Wetekamp, Mietspiegel als gerichtliches Erkenntnismittel, NZM 03, 184). Darüber hinaus gelten folgende Grundsätze:

     

    • Das Gericht kann wegen einer Steigerung der Vergleichsmiete zwischen der Datenerhebung zum Mietspiegel und dem Zugang des Erhöhungsverlangens (Stichtagsdifferenz) einen Zuschlag zu den Mietspiegelwerten vornehmen. Dieser Zuschlag muss begründet werden, eine pauschale Schätzung ist nicht zulässig (OLG Stuttgart WuM 94, 58).

     

    • Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete ist der Zugang des Erhöhungsverlangens, nicht der des Wirksamwerdens der Mieterhöhung (Rechtsentscheid des BayObLG ZMR 93, 11).

     

    • Soweit es um die Anwendung eines Mietspiegels durch das Gericht im Mieterhöhungsprozess geht, müssen die Anknüpfungstatsachen, nämlich die Einordnung der Wohnung in den Mietspiegel feststehen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Ausstattung der Wohnung, die sich in Zuschlägen und Abschlägen nach den Kriterien des Mietspiegels niederschlägt. Wenn diese Feststellungen nicht eindeutig getroffen werden, stellt sich die Frage, ob die Anwendung des Mietspiegels mangels Anknüpfungstatsachen unterbleiben muss.

     

    • Nach BGH-Urteil vom 16.6.10 (VIII ZR 99/09, NZM 10, 665) kann auch ein einfacher Mietspiegel nach 558c BGB alleinige Grundlage der Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete durch den Tatrichter sein, da er ein Indiz dafür ist, dass er die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergibt.

     

    Liegt ein Mietspiegel nicht vor oder stellt das Gericht aus anderen Gründen die ortsübliche Vergleichsmiete durch ein Sachverständigengutachten fest, gilt für die Person des Sachverständigen und seine Qualifizierung dasselbe wie bei § 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB.

     

    Fraglich ist, inwieweit der Sachverständige die Befundtatsachen, die er zur Grundlage seines Gutachtens macht auch offen legen muss (BVerfG WuM 94, 661). Allgemein genügt, wenn die Offenlegung in anonymisierter Form stattfindet (LG München I WuM 96, 773). Im Übrigen muss der Mieter die Richtigkeit der Befundgrundlagen des Sachverständigen mit konkreten Tatsachen bestreiten. Dies ist nicht ausschlaggebend, wenn aufgrund der Person des Sachverständigen bereits davon auszugehen ist, dass dessen Erfahrungswissen die Bedeutung der einzelnen konkreten Befundtatsachen erheblich überwiegt (LG Mönchengladbach WuM 95, 489). Das BVerfG (NJW 97, 311) sieht das Erfordernis der Offenlegung nur als gegeben an, wenn der Beweiswert des Gutachtens durch den Mieter erheblich erschüttert wird. So z.B. durch Benennung vergleichbarer Wohnungen mit wesentlich niedrigerer Miete, als der, der sich aus dem Gutachten ergibt.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zur Räumungsklage, Wetekamp, Richtig klagen im Mietprozess, MK 13, 50
    Quelle: Ausgabe 05 / 2013 | Seite 86 | ID 37533760