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  • 01.09.2005 | Wohnraummiete

    Die 10 häufigsten Fragen zum Kinderlärm

    von VRiLG a.D. Harald Kinne, Berlin

    Kommt es über das Verhalten von Kindern in einem Mietshaus zum Streit, treten in der Beratungspraxis immer wieder typische Fragen auf. Die folgende Checkliste ermöglicht Ihnen, diese Fragen effizient und zutreffend zu beantworten.  

     

    Checkliste: Die 10 häufigsten Fragen zum Kinderlärm

    Inwieweit dürfen Kinder in der Mietwohnung spielen?  

    Kinder des Mieters dürfen in der Wohnung spielen. Die damit verbundenen Geräusche müssen die Mitmieter und der Vermieter hinnehmen, soweit sie dem natürlichen Bewegungs-und Spieldrang entsprechen (LG Heidelberg WuM 97, 38; AG Braunschweig WuM 02, 50). Auch Lachen, Weinen und Schreien von Kleinkindern überschreitet nicht den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung (LG München I NZM 05, 339; LG Lübeck WuM 89, 627; AG Bergisch Gladbach WuM 83, 236; AG Aachen WuM 75, 38).  

    Sind dabei Ruhezeiten  

    einzuhalten?  

    Eltern müssen dafür sorgen, dass die allgemeinen Ruhezeiten (22.00 – 7.00 Uhr) eingehalten werden. Dies gilt auch für Babies. Deren natürliches Verhalten muss allerdings berücksichtigt werden, so dass auf kurze Zeit beschränktes Babygeschrei in der Nacht hingenommen werden muss (OLG Düsseldorf ZMR 97, 465). Kümmern sich die Eltern nicht darum, so dass das Geschrei längere Zeit anhält, sind die Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs aber überschritten. Das gilt auch für absichtlichen Lärm, den die Eltern nicht unterbinden. Denn sie sind für das Verhalten ihrer Kinder verantwortlich.  

    Was gilt für das Spielen auf Hof- oder Spielflächen?  

    Lärm durch Spielen auf dem Hof – außerhalb der Ruhezeiten – hält sich im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs, soweit der Lärm wegen des natürlichen Spiel-und Bewegungsdrangs der Kinder unvermeidbar ist (OLG Düsseldorf ZMR 97, 181; DWW 96, 20; LG Berlin GE 93, 423; AG Schöneberg MM 95, 397). Daher sind auch laute Zurufe oder Abzählverse hinzunehmen. Die von einem Spielplatz in der Wohnanlage ausgehenden Geräusche spielender Kinder und Jugendlicher sind hinzunehmen (AG Köln WuM 93, 606). Sozialadäquater Lärm und Belästigungen durch einen Kinderspielplatz sind hinzunehmen, wenn der Spielplatz bei Vertragsschluss schon vorhanden war, selbst wenn er später erweitert wurde (AG Wedding GE 00, 1330). Die Grenze des Zumutbaren ist überschritten, wenn Kofferradios auf den Hof mitgebracht werden und daraus laute Musik abgespielt wird, die durch die Wände der benachbarten Wohnungen dringt. Auch das Spielen der Kinder mit luftgefüllten Bällen und die Benutzung von anderen lärmverursachenden Spielgeräten auf dem Hof braucht von den Mitbewohnern nicht geduldet zu werden (AG Schöneberg MM 95,397).  

    Kann die Hausordnung Kinderverhalten verbindlich regeln?  

    Über Art und Umfang des Kinderspielens können auch in Hausordnungen nähere Regelungen getroffen werden (Börstinghaus, NZM 04,48). Diese dürfen allerdings das Spielen nicht völlig verbieten. Aufzugfahren als Spiel ist nicht mehr vertragsgemäß.  

    Gibt es Vorschriften, die die zumutbare Lärmdosis regeln?  

    Ja. Dies hängt jedoch vom Standort der Wohnanlage ab. In Berlin ist z.B. für die Beurteilung, ob Lärm von Kinderspielplätzen vom Mieter hinzunehmen ist, die Richtlinie über die von Freizeitanlagen verursachten Geräusche (ABl. 96, 2803) heranzuziehen (LG Berlin GE 99,1287).  

    Kann der betroffene Mieter die Miete mindern?  

    Voraussetzung für die Minderung ist ein Mangel der Mietsache, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder nicht nur unerheblich einschränkt (§ 536 Abs. 1 S. 1,2 BGB). Soweit der Mieter Kinderlärm hinnehmen muss (s.o.), ist sein vertragsgemäßer Gebrauch nicht eingeschränkt, so dass schon deswegen eine teilweise Herabsetzung der Miete ausscheidet. Dagegen ist eine Minderung um 5 Prozent wegen Lärmbeeinträchtigungen von einer Skaterbahn in einem Mischgebiet bejaht worden (AG Emmerich NZM 00, 544), wenn der nicht mehr ortsübliche Lärm auch in erheblichem Umfang außerhalb der Schulzeiten verursacht wird. Für Kinderlärm nach 20.00 Uhr ist eine Minderung von 10 Prozent gerechtfertigt (AG Bad Schwartau WuM 76, 259).  

    Wann darf der Vermieter den Eltern des Kindes kündigen?  

    Der Vermieter kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund kündigen (§ 543 Abs. 1 S. 1 BGB). Ein wichtiger Grund liegt erst vor, wenn dem Vermieter wegen konkreter Pflichtverletzung des Mieters die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zu dessen sonstiger Beendigung nicht zugemutet werden kann (§ 543 Abs. 1 S. 2 BGB). Hält sich der Lärm im Rahmen des Vertrags, scheidet eine Kündigung aus – auch eine fristgerechte, da das notwendige berechtigte Interesse in Form der Pflichtverletzung des Mieters (§ 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB) fehlt. Zudem ist bei der fristlosen Kündigung das Verschulden als Abwägungskriterium zu berücksichtigen, für die fristgemäße Kündigung ist es Kündigungsvoraussetzung. Lärmbelästigungen durch Kinder eines taubstummen Ehepaars können daher eine Kündigung nicht rechtfertigen, wenn das Ehepaar wirksame Abhilfemaßnahmen (Laustärkeregler an Geräten, optische Lärmanzeige, Abschaffung von Stereoanlagen) ergriffen hat (LG Regensburg NZM 99, 220). Durch altersgerechtes kindliches Verhalten ausgelöste Störungen rechtfertigen nie die Kündigung (LG Halle NZM 03, 310; LG Bad Kreuznach WuM 03,328; LG Lübeck WuM 89,627; AG Nürnberg DWW 96, 87). Erst Recht scheidet die fristlose Kündigung wegen erheblicher Vertragsverletzung des Mieters gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB aus, da Voraussetzung hierfür die erhebliche Gefährdung der Mietsache ist.  

     

    Verstoßen Kinder des Mieters wiederholt gegen die Hausordnung, ist ein beharrlicher, uneinsichtiger und zur fristlosen Kündigung berechtigender Verstoß gegen die Vertragspflichten nur zu bejahen, wenn dem Mieter zuvor mittels Abmahnung Gelegenheit gegeben wird, auf die Kinder einzuwirken (§ 543 Abs. 3 S. 1 BGB). Zudem muss ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Abmahnung, erneutem Verstoß und Kündigung bestehen (LG Halle NZM 03, 310; LG Berlin ZMR 00, 529). Denn § 314 Abs. 3 BGB ist auch auf die außerordentliche fristlose Kündigung gemäß § 543 BGB anzuwenden (KG GE 05, 236). Diese Frist ist mit ca. zwei Wochen zu bemessen (OLG Frankfurt/M. WuM 91,475). 1 Jahr und mehr zwischen Abmahnung und Kündigung ist zu lang (LG Halle, a.a.O.).  

     

    Schließlich muss in der Kündigungserklärung der Kündigungsgrund so genau angegeben werden, dass er von anderen Gründen unterschieden werden kann und der Empfänger Klarheit über die Rechtslage und seine Verteidigungsmöglichkeiten hat (LG Berlin GE 03, 670). Kündigungsgrund ist die erneute Pflichtverletzung, nicht der Vertragsverstoß, der die Abmahnung ausgelöst hat. Die erneute Lärmbelästigung muss zeitlich und örtlich genau beschrieben werden. Nachgeschobene Gründe können nur berücksichtigt werden, wenn sie schon vor Zugang der Kündigung entstanden waren (LG Berlin GE 95, 757).  

    Dürfen Mieter vom Vermieter die Kündigung des Mitmieters verlangen? 

    Ja. Wird ein Mieter durch nicht mehr sozialadäquaten Lärm der Kinder eines anderen Mieters in den Ruhezeiten und /oder an Sonn- und Feiertagen ständig belästigt, kann er vom Vermieter die fristlose Kündigung des Mitmieters verlangen (LG Berlin GE 99, 380; s. aber Börstinghaus, NZM 04, 53: danach kommt es auf die Beseitigung der Störung an; die Wahl der Mittel bleibt beim Vermieter).  

    Wann dürfen gestörte Mitmieter kündigen?  

    Der Mieter kann fristlos kündigen, wenn der Vermieter ihm den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung entzogen hat, die Gebrauchsbeeinträchtigung erheblich ist und der Vermieter trotz Fristsetzung seitens des Mieters keine Abhilfe schafft (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB). Hierunter fällt auch jede erhebliche Störung des Mietgebrauchs durch nicht sozialadäquate Lärmbelästigungen von Kindern.  

     

    Auch die fristlose Kündigung durch den Mieter gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB ist erst zulässig, nachdem der Mieter dem Vermieter erfolglos eine angemessene Frist zur Beseitigung der Störung gesetzt hat (§ 543 Abs. 3 S. 1 BGB). Der Mieter muss den Vermieter zunächst auffordern, die Lärmbelästigung, die zu einer erheblichen Hinderung oder Vorenthaltung des Gebrauchs geführt hat, zu beseitigen. Dazu muss die Lärmbelästigung der Art, dem Umfang und dem Zeitpunkt nach, in dem sie aufgetreten ist, genau bezeichnet werden.  

     

    Ferner muss der Mieter den Vermieter auffordern, diese Lärmbelästigung zu beseitigen, wozu eine bloße Mängelanzeige nicht ausreicht. Er muss dem Vermieter eine Frist zur Beseitigung dieser Mängel setzen. Die Länge dieser Frist hängt davon ab, innerhalb welchen Zeitraums dem Vermieter die Beseitigung der Mängel zugemutet werden kann (OLG Düsseldorf ZMR 99,26; AG Lübeck DWW 88, 180). Ist die vom Mieter gesetzte Frist zu kurz, tritt an die Stelle dieser Frist die – notfalls durch Urteil zu bestimmende – angemessene Frist (LG Frankfurt/M. WuM 87, 55; LG Berlin GE 86, 37; LG Hamburg ZMR 98, 560). Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein eventueller Räumungsprozess gegen den für den Lärm seiner Kinder verantwortlichen Mitmieter sich längere Zeit hinziehen kann. Grundsätzlich sollte die Frist kalendermäßig bestimmt werden. In dringenden Fällen reicht aber auch das Begehren nach “unverzüglicher Abhilfe” aus.  

     

    Eine Fristsetzung ist entbehrlich (§ 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BGB ), wenn der Vermieter die Abhilfe ernstlich und endgültig verweigert hat (BGH NJW 76, 796) oder wenn eine Mängelbeseitigung innerhalb angemessener Frist unmöglich ist (OLG Karlsruhe ZMR 88, 223; OLG Hamm ZMR 83, 273).  

     

    Schließlich setzt das Kündigungsrecht noch voraus, dass der Vermieter die ihm vom Mieter gesetzte Frist fruchtlos hat verstreichen lassen. Eine außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund kommt nicht mehr in Betracht, wenn der Mangel nach Ablauf der vom Mieter gesetzten Frist (z.B. wegen Auszugs des Mitmieters mit den lärmenden Kindern) nicht mehr besteht.  

     

    Grundsätzlich reicht allein der Ablauf der Frist aus, um das Kündigungsrecht zu begründen. Warum der Vermieter innerhalb der ihm vom Mieter gesetzten angemessenen Frist den Mangel nicht beseitigt hat, ist unerheblich. Daher besteht das Kündigungsrecht auch, wenn den Vermieter kein Verschulden trifft. Auch eine teilweise Beseitigung der Störung durch den Vermieter genügt nicht, um das Kündigungsrecht des Mieters zu beseitigen.  

    Kann der Mieter gegen den Mitmieter auch direkt vorgehen?  

    Ja. Der Mieter kann vom den Lärm seiner Kinder nicht verhindernden Nachbarn Unterlassung der Lärmbeeinträchtigung gemäß § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB verlangen, wenn der Kinderlärm über das sozialadäquate Maß hinaus geht. Zwar spricht diese Norm nur von Beeinträchtigung des Eigentums. Nach h.M. sind aber auch alle absoluten Rechte, wie Gesundheit usw., durch § 1004 Abs.1 S. 1 BGB geschützt. Die Eltern der Kinder sind als mittelbare Störer in Anspruch zu nehmen, wenn sie den Lärm ihrer Kinder nicht verhindern (OLG Düsseldorf NJW 86,2512). Die gegen einen im strafrechtlichen Sinn schuldunfähigen Minderjährigen gerichtete Klage auf Unterlassung des Lärms wäre unzulässig (OLG Düsseldorf DWW 96,20). In der Regel begründet eine einmalige Lärmverursachung eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr (BGH NJW 04,1035), die der störende Nachbar zu widerlegen hätte. Der zur Unterlassung verurteilte Nachbar schuldet konkrete Maßnahmen zur Unterbindung des Lärms durch seine Kinder. Untätigkeit allein reicht nicht aus.  

     

    Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Mieter zu Duldung verpflichtet ist (§ 1004 Abs.2 BGB), also immer, wenn der Lärm den sozial-adäquaten Rahmen nicht sprengt. Auch die Einwilligung des Mieters steht dem Unterlassungsanspruch entgegen. Längere Duldung bedeutet aber noch nicht Einwilligung, so dass auch eine längere Hinnahme des Lärms den Unterlassungsanspruch nicht entfallen lässt.  

     

    Der Klageantrag sollte sich auf das „Unterlassen von wesentlichen Beeinträchtigungen der Wohnungsbenutzung durch Geräusche (bestimmter Ursache)“ richten. Die Vollstreckung erfolgt in der Regel nach §§ 887, 888 ZPO, da die Unterlassungsverpflichtung nach vorangegangenem Lärm grundsätzlich das Gebot zur Vornahme einer geeigneten Maßnahme beinhaltet, also ein Handlungsgebot enthält.  

     

    Schließlich kann sich der Mieter bei Beeinträchtigungen durch Kinderlärm des Nachbarn auch mit dem Unterlassungsanspruch aus § 862 Abs.1 BGB wehren.Seine Ansprüche als unmittelbarer Besitzer der Mietsache nach § 862 Abs. 1 S. 2 BGB führen zu demselben Ergebnis wie die Ansprüche nach § 1004 Abs. 1 BGB.  

    Quelle: Ausgabe 09 / 2005 | Seite 149 | ID 88698