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  • 18.12.2009 | Räumungsvollstreckung

    Das ist bei der Durchführung zu beachten

    von Bürovorsteher Detlef Schönemann, Würzburg

    Im Rahmen der Räumungsvollstreckung von Wohnraum ergeben sich häufig Fragen zu Vorgehensweise und rechtlichen Pflichten. Hier lesen Sie, was insbesondere bei der Durchführung, dem Geltendmachen von Vermieterpfandrechten und bei der Verwahrung zu beachten ist.  

     

    Voraussetzungen  

    Die Zwangsräumung erfolgt aufgrund eines mit Vollstreckungsklausel versehenen Titels (§ 724 Abs. 1 ZPO). Zuständig ist der Gerichtsvollzieher. Mit ihr kann nur begonnen werden, wenn das Urteil bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird (§ 750 ZPO). In der Regel erfolgt die Zustellung von Amts wegen (§ 317 ZPO). Der Gerichtsvollzieher muss Gläubiger und Schuldner den Zeitpunkt der Vollstreckung nach Tag und Stunde mitteilen. Dem Schuldner ist die Benachrichtigung zuzustellen (§ 180 Nr. 2 S. 2 GVGA).  

     

    Räumungsfrist  

    Soweit dem Schuldner eine Räumungsfrist gemäß § 721 ZPO eingeräumt wurde, kann mit der Vollstreckung erst nach erfolglosem Ablauf dieser Frist begonnen werden. Gleichwohl kann der Gerichtsvollzieher bereits einen Termin für die Zeit nach Ablauf der Räumungsfrist bestimmen, auch wenn eine Verpflichtung hierzu nicht besteht. Es handelt sich insoweit um eine Ermessensentscheidung (§ 181 Nr. 1 S. 2 GVGA). Gemäß
    § 765a Abs. 3 ZPO muss der Schuldner den Antrag auf Gewährung von Vollstreckungsschutz gemäß § 765a ZPO spätestens innerhalb einer Frist von 2 Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin stellen. Dies erfordert, ihm rechtzeitig den Räumungstermin mitzuteilen, wobei zwischen dem Tag der Zustellung der Benachrichtigung und dem Tag der Räumungsvollstreckung wenigstens drei Wochen liegen müssen (§ 180 Nr. 2 S. 3 GVGA).  

     

    Durchführung  

    Für die Räumungsvollstreckung muss der Gerichtsvollzieher den Schuldner außer Besitz setzen und den Gläubiger in den Besitz einweisen (§ 885 Abs. 1 ZPO). Bei Widerstand ist der Gerichtsvollzieher, ggf. unter Hinzuziehung der Polizei, zur Anwendung von Gewalt befugt (§ 758 Abs. 3 ZPO).  

     

    Praxishinweis: Die Anwesenheit des Schuldners bei der Zwangsräumung ist nicht erforderlich, da ihm die Sachherrschaft auch in seiner Abwesenheit genommen werden kann. Der Gläubiger muss ebenfalls nicht anwesend sein, wenn der Gerichtsvollzieher Maßregeln ergreift, die die Besitzeinweisung bei dem Gläubiger bewirken. Die Besitzeinweisung erfolgt durch Übergabe der unbeweglichen Sache an den Gläubiger, indem ihm die tatsächliche Gewalt verschafft wird. Dies geschieht in der Regel durch Übergabe der Schlüssel, ggf. auch durch den Einbau eines neuen Schlosses (Zöller/Stöber, ZPO, 27. Aufl., § 885 Rn. 14 ).  

     

    Die Räumungsvollstreckung bezieht sich auf die beweglichen Sachen, die vom Gerichtsvollzieher in dem zu räumenden Objekt vorgefunden werden. Die beweglichen Sachen, die weder an den Gläubiger herauszugeben sind, noch wegen gleichzeitig beizutreibender Kosten der Pfändung unterliegen, werden vom Gerichtsvollzieher entfernt und dem Schuldner übergeben (§ 885 Abs. 2 und 3 ZPO). Ist dies, aus welchen Gründen auch immer, nicht möglich, muss der Gerichtsvollzieher zur Entfernung der Sachen regelmäßig eine Spedition beauftragen. Die Auswahl insoweit liegt im Ermessen des Gerichtsvollziehers (LG Koblenz DGVZ 97, 29). Es besteht keine Pflicht, die Räumung mit einem vom Gläubiger beauftragten Spediteur oder LKW durchzuführen. Auch müssen vom Gläubiger gestellte Arbeitskräfte nicht hinzugezogen werden (LG Düsseldorf JurBüro 87, 464).  

     

    Vermieterpfandrecht  

    Macht der Gläubiger ein ihm zustehendes Vermieterpfandrecht geltend, sind zunächst alle beweglichen Sachen an Ort und Stelle zu belassen. Das Vermieterpfandrecht gemäß §562 BGB ist vorrangig gegenüber der in § 885 Abs. 2 u. Abs. 3 S. 1 ZPO bestimmten Entfernung der Sachen, die nicht Gegenstand der Vollstreckung sind. Der Gläubiger kann jedoch gemäß § 885 ZPO seinen Auftrag insoweit beschränken, als ansonsten Gegenstände mit zu entfernen wären, an denen ein Vermieterpfandrecht geltend gemacht wird. Der Vermieter ist befugt, bei Auszug des Mieters die dem Vermieterpfandrecht unterliegenden Sachen und Gegenstände in Besitz zu nehmen (§ 562b Abs.1 S.2 BGB). Außerdem muss der Vermieter der Entfernung widersprechen, sofern das Vermieterpfandrecht nicht nach § 562a BGB erlöschen soll. Der Gerichtsvollzieher prüft nicht materiell-rechtlich, ob die Gegenstände in der Wohnung wegen Unpfändbarkeit nach § 562 Abs. 1 S. 2 BGB tatsächlich dem Vermieterpfandrecht unterliegen. Auf Verlangen des Schuldners muss der Gläubiger jedoch die nicht vom Vermieterpfandrecht betroffenen Sachen herausgeben. Anderenfalls macht er sich im Rahmen der §§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB schadenersatzpflichtig. Der Schuldner kann insoweit auf Herausgabe klagen sowie vorläufigen Rechtsschutz nach §§ 935 ff. ZPO in Anspruch nehmen.  

     

    Wichtig: Wird an allen in der Wohnung befindlichen Sachen das Pfandrecht geltend gemacht, fällt kein Räumungsgut an, sodass auch die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenvorschusses für den Abtransport entfällt (sog. Berliner Modell, vgl. BGH MK 06, 44, Abruf-Nr. 060163). Die nichtpfändbaren Sachen muss der Vermieter verwahren bzw. herausgeben.  

     

    Ist die Vollstreckung auf die Herausgabe von Sachen beschränkt, kann der Gerichtsvollzieher gemäß § 765a Abs. 2 ZPO die Vollstreckung bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts hinausschieben, jedoch nicht länger als für die Dauer einer Woche, wenn der Schuldner glaubhaft macht, dass die Vollstreckung gegen die guten Sitten verstößt und die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.  

     

    Verwahrung  

    Sind weder der Schuldner noch von ihm beauftragte Personen bei der Räumung anwesend oder verweigert der Schuldner die Inempfangnahme des Räumungsguts, muss der Gerichtsvollzieher die beweglichen Sachen in Verwahrung nehmen. Sie erfolgt entweder beim Gerichtsvollzieher oder z.B. bei Speditionen oder Lagerhaltern. Die Herausgabe des in Verwahrung genommenen Räumungsgutes kann der Schuldner nur verlangen, wenn er die hierfür angefallenen Kosten im voraus bezahlt. Stellt der Gerichtsvollzieher das Räumungsgut bei einem Lagerhalter ein, kommt zwischen ihm und dem Schuldner kein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis zustande. Die Verwahrung erfolgt aufgrund privatrechtlichem Lagervertrag. Für ein mögliches Fehlverhalten des Lagerhalters ist der Gerichtsvollzieher gemäß § 839 BGB daher nicht verantwortlich. Ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis kann nur angenommen werden, wenn eine Behörde bei der Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben fremde Sachen in Besitz nimmt und den Berechtigten dadurch an eigenen Sicherungs- und Obhutsmaßnahmen hindert. Hieran fehlt es, denn der Schuldner kann die eingelagerten Sachen jederzeit beim Lagerhalter abholen, wenngleich auch nur gegen Zahlung der Lagerkosten (OLG Köln JurBüro 95, 105).  

     

    Praxishinweis: Der Gläubiger ist für die Kosten der Verwahrung einstands- und vorschusspflichtig. Dies ergibt sich aus § 4 Abs.1 GVKostG. Auch wertlose Sachen, wie z.B. Müll und Gerümpel, müssen im Rahmen der Zwangsräumung weggeschafft werden, soweit eine Übergabe an den Schuldner nach § 885 Abs. 2 ZPO nicht erfolgen kann. Die Vernichtung wird dann vom Gerichtsvollzieher veranlasst (PfälzOLG MDR 98, 240).  

     

    Verkauf oder Vernichtung bei nichterfolgter Abholung  

    Gemäß § 885 Abs. 4 ZPO ist der Schuldner gehalten, das Räumungsgut binnen einer Frist von 2 Monaten abzufordern. Geschieht dies nicht, kann der Gerichtsvollzieher die nicht abgeforderten Gegenstände verkaufen. Dies gilt auch, wenn der Schuldner zwar abfordert, aber die angefallenen Kosten nicht zahlt.  

     

    Der Verkauf kann freihändig erfolgen, auch die öffentliche Versteigerung ist zulässig (§ 814 ZPO). Den Erlös muss der Gerichtsvollzieher hinterlegen, wobei die durch den vom Gläubiger gezahlten Vorschuss nicht gedeckten Kosten für Räumung, Verwahrung und Verkauf in Abzug zu bringen sind. Den Anspruch des Schuldners auf Auszahlung des Erlöses und der Hinterlegungssumme kann der Gläubiger pfänden.  

     

    Nicht verwertbare Sachen sollen durch den Gerichtsvollzieher nach Ablauf der 2-Monatsfrist vernichtet werden (§ 885 Abs. 4 S. 2 ZPO), wenn der Schuldner nicht zuvor unter Zahlung der Kosten das Abverlangen gestellt hat. Die Formulierung „sollen“ ermöglicht es dem Gerichtsvollzieher, in Ausnahmefällen von einer Vernichtung abzusehen. Dem Gerichtsvollzieher steht damit ein eigener Ermessens- und Beurteilungsspielraum zu. Die Regelung des § 885 Abs. 4 ZPO sieht allerdings nicht vor, dass zunächst ein Verwertungsversuch unternommen werden muss. Der Gerichtsvollzieher kann auch nach Ablauf der Wartefrist die Verwahrung der Sachen fortsetzen, wenn z.B. der Schuldner die Absicht, die Sachen bald abzuholen, angekündigt hat (Thomas/Putzo, ZPO, 21. Aufl., § 885 Rn. 10).  

    Quelle: Ausgabe 01 / 2010 | Seite 12 | ID 132339