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  • 24.01.2008 | Parabolantenne

    Eigentumsrecht contra Glaubens- und Religionsfreiheit

    Verlangt der Vermieter vom ausländischen Mieter (hier: türkischer Staatsbürger alevitischen Glaubens) einer mit einem Breitbandkabelanschluss ausgestatteten Wohnung die Entfernung einer auf dem Balkon der Wohnung aufgestellten Parabolantenne, ist eine fallbezogene Abwägung des Eigentumsrechts des Vermieters (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG) mit den grundrechtlich geschützten Interessen des Mieters auch erforderlich, wenn dieser sich nicht nur auf sein Informationsrecht aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS 2 GG, sondern auch auf das Grundrecht der Glaubens- und Religionsfreiheit (Art. 4 GG) beruft, weil die im Breitbandkabelnetz angebotenen türkischsprachigen Programme nicht über Inhalte des alevitischen Glaubens berichten (BGH 10.10.07, VIII ZR 260/06, n.v., Abruf-Nr. 073633).

     

    Sachverhalt

    Der Mietvertrag enthält u.a. die von der klagenden Vermieterin vorformulierten Klauseln: „Ihre Wohnanlage hat Kabelanschluss und ist mit einer Satelliten-Anlage ausgestattet. Die Auswahl der zu empfangenden Programme wird vom Wohnungsunternehmen nach billigem Ermessen getroffen. Die Einrichtung einzelner Parabolantennen durch die Mieter ist grundsätzlich nicht gestattet. Mit Rücksicht auf die Gesamtheit der Mieter und im Interesse einer ordnungsmäßigen Bewirtschaftung des Hauses und der Wohnung bedarf der Mieter der vorherigen Zustimmung des Wohnungsunternehmens, wenn er … Antennen anbringt oder verändert“. Über das vorhandene Breitbandkabelnetz können mittels Decoders sechs türkische Staatsfernsehsender empfangen werden. Inhalte alevitischen Glaubens sind nur mittels Parabolantenne zu empfangen. Die beklagten Mieter haben eine Parabolantenne auf einem Ständer auf dem Balkon der Wohnung aufgestellt. Das LG hat der Entfernungs- und Unterlassungsklage antragsgemäß stattgegeben. Die Revision der Beklagten war erfolglos.  

     

    Praxishinweis

    Alleinige Anspruchsgrundlage sowohl für den Beseitigungs- und Entfernungsanspruch als auch den Unterlassungsanspruch des Vermieters ist § 541 BGB, wenn der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz Abmahnung fortsetzt (BGH MK 06, 77, Abruf-Nr. 060078; MK 07, 151, Abruf-Nr. 071984). Hieran hält der BGH fest.  

     

    Dem Grundrecht des Mieters aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS 2 GG, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, ist auch in zivilgerichtlichen Streitigkeiten über die Anbringung von Satellitenempfangsanlagen an Mietwohnungen Rechnung zu tragen (st. Rspr.: BVerfG MK 07, 97, Abruf-Nr. 070734; BVerfGE 90, 27; BGH MK 06, 77, Abruf-Nr. 060078). Dabei ist zu berücksichtigen, dass das – gleichrangige – Grundrecht des Vermieters als Eigentümer aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG berührt ist, wenn von ihm verlangt wird, eine Empfangsanlage an seinem Eigentum zu dulden. Das erfordert i.d.R. eine fallbezogene Abwägung der von dem eingeschränkten Grundrecht und dem grundrechtsbeschränkenden Gesetz geschützten Interessen, die im Rahmen der auslegungsfähigen Tatbestandsmerkmale des bürgerlichen Rechts (§§ 535 Abs. 1 S. 1und 2, 242 BGB) vorzunehmen ist. In Erweiterung dieser Grundsätze bezieht der BGH nun auch das Grundrecht auf Glaubens- und Religionsfreiheit (Art. 4 GG) in die Entscheidungsfindung ein. Das heißt: Immer, wenn der Mieter sich (zusätzlich) darauf beruft, durch die Versagung der Zustimmung zur Aufstellung einer Parabolantenne werde sein Grundrecht auf Religionsfreiheit beeinträchtigt, müssen die Instanzgerichte auch insoweit eine Abwägung mit den Eigentumsinteressen des Vermieters vornehmen. Wegen der im Zivilprozess geltenden Dispositionsmaxime kann das Gericht jedoch nur solche Umstände in die Prüfung einbeziehen, die von den Parteien vorgetragen werden. Wie der Streitfall zeigt, können dabei Fotos der Örtlichkeit hilfreich sein.