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  • 24.05.2011 | Nießbrauch

    Tod des Nießbrauchers: Kündigungsrecht der nicht mit den Erben identischen Eigentümer

    1. Die Eigentümer eines mit einem Nießbrauch belasteten Grundstücks sind nach dem Tode des Nießbrauchers auch gemäß § 1056 Abs. 2 S. 1 BGB zur vorzeitigen Kündigung eines von dem Nießbraucher abgeschlossenen Mietvertrages berechtigt, wenn sie neben weiteren Personen Miterben des Nießbrauchers sind.  
    2. Bruchteilseigentümer können ein Mietverhältnis über das gemeinschaftliche Grundstück wirksam mit Stimmenmehrheit kündigen, wenn sich die Kündigung als Maßnahme einer ordnungsgemäßen Verwaltung gemäß § 745 Abs. 1 S. 1 BGB darstellt.  
    (BGH 20.10.10, XII ZR 25/09, Abruf-Nr. 110463)

     

    Sachverhalt

    Die Beklagten zu 1 bis 3 sind Miteigentümer eines Grundstücks, an dem ihrer in 6/04 verstorbenen Mutter ein lebenslanger Nießbrauch zustand. Diese hatte mit den Klägerinnen unbefristete Mietverträge über die Geschäftsräume geschlossen, in denen ein ordentliches Kündigungsrecht des Vermieters ausgeschlossen war. Erben ihrer Mutter sind die Beklagten und ein weiterer Sohn F. Die Beklagten zu 1 und 2, die zusammen über 9/16 der Miteigentumsanteile an dem Mietgrundstück verfügten, erklärten in 12/04 ohne Zustimmung des Beklagten zu 3 „im Namen der Eigentümergemeinschaft“ die Kündigung der Mietverhältnisse. Die Klage auf Feststellung, dass die ausgesprochenen Kündigungen unwirksam seien und die mit ihnen bestehenden Mietverhältnisse ungekündigt fortbestünden, hatte in den Instanzen keinen Erfolg. Der BGH weist die Revision zurück.  

     

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis zu Leitsatz 1

    Die Entscheidung behandelt im Anschluss an BGH NZG 10, 938, die mietrechtliche Problematik des Falls. Sie klärt wichtige Fragen zum Anwendungsbereich des § 1056 BGB. Hat ein Nießbraucher ein Grundstück über die Dauer des Nießbrauchs hinaus vermietet oder verpachtet, tritt der Eigentümer des Grundstücks - hier die Beklagten zu 1 bis 3 - nach Beendigung des Nießbrauchs an seiner Stelle in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis ein (§ 1056 Abs. 1 i.V. mit § 566 Abs. 1 BGB). Grund: § 1056 BGB bezweckt einen Interessenausgleich zwischen Eigentümer und Mieter/Pächter für die Zeit nach der Beendigung des Nießbrauchs. Der gesetzliche Eintritt des Eigentümers in die Vermieter/Verpächterstellung (beachte: es handelt sich nicht um eine Rechtsnachfolge) soll den besitzenden Mieter/Pächter davor schützen, sofort nach Ende des Nießbrauchs einem Herausgabeanspruch des Grundstückseigentümers ausgesetzt zu sein (BGH NZM 10, 474). Denn das rechtliche Schicksal eines auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Mietvertrags ist vom Bestand des Nießbrauchs grundsätzlich unabhängig (BGHZ 109, 111). Andererseits liefen die aus dem Eigentum resultierenden Befugnisse (§ 903 BGB) leer, wenn der Eigentümer auf Dauer an einen die Nutzung des Grundstücks betreffenden schuldrechtlichen Vertrag gebunden wäre, der ohne seine Mitwirkung zustande gekommen ist. Daher gewährt § 1056 Abs. 2 BGB ihm das Recht, das Miet- oder Pachtverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zu kündigen.  

     

    Dieses Kündigungsrecht entfällt nach h.M., wenn der Grundstückseigentümer unabhängig von der Rechtsfolge der § 1056 Abs. 1, § 566 BGB an dem Mietverhältnis persönlich beteiligt ist, z.B. weil er das Mietverhältnis selbst vor Bestellung des Nießbrauchs begründet hat oder er dem Mietvertrag später beigetreten ist, ihm der Mietvertrag also nicht allein über den Nießbrauch aufgedrängt worden ist. Gleiches gilt, wenn der Grundstückseigentümer den Nießbraucher beerbt hat und deshalb - unabhängig von einem eventuellen Vertragseintritt nach § 1056 Abs. 1 BGB - infolge Universalsukzession (§ 1922 Abs. 1, § 1967 Abs. 1 BGB) als unmittelbarer Vertragspartner des Mieters für die Erfüllung des Mietvertrages als Nachlassverbindlichkeit einzustehen hat. Grund: Andernfalls würde sich eine zugunsten des Mieters erlassene Schutzvorschrift zu dessen Lasten in ein durch nichts gerechtfertigtes Haftungsprivileg des Erben verkehren (z.B. BGH NJW 90, 443).