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  • 01.10.2005 | Mieterrechte und -pflichten

    Immer wenn der Nachbar stört: Rechtsbeziehungen zwischen Gestörtem und Vermieter

    von RA Hans Reinold Horst, Hannover/Solingen, Geschäftsführender Vorstand und Vorsitzender Landesverband Haus & Grund Niedersachsen

    In Mehrfamilienhäusern kommt es häufig zu Streitigkeiten unter den Mietern. Will der eine Mieter gegenüber dem Vermieter Ansprüche durchsetzen, fragt es sich, ob dies überhaupt möglich ist, und wenn ja, wie dies funktioniert. Die folgende Checkliste beantwortet hierzu alle Fragen.  

     

    Checkliste: Mieterstreitigkeiten – Wann bestehen Ansprüche gegen den Vermieter?

    Auf welche Anspruchsgrundlage können sich Mieter berufen?  

    Dem Mieter steht gegenüber dem Vermieter ein vertraglicher Erfüllungsanspruch nach § 535 Abs. 1 S. 1 BGB zu, gerichtet auf die Gewährung eines ungestörten vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache (in Bezug auf die Haftung unter Mitmietern: BGH MK 04, 73, Abruf-Nr. 040310; Horst, MK 05, 101). Der gestörte Mieter hat also einen Anspruch auf Störungsschutz gegenüber seinem Vermieter, insbesondere vor den Störungen von Mitmietern.  

    Welchen konkreten Inhalt hat der Anspruch?  

    Der Mieter kann vom Vermieter z.B. die fristlose Kündigung eines Mitmieters wegen ständiger Lärmbelästigungen verlangen, wenn andere Abhilfeversuche erfolglos geblieben sind (LG Berlin GE 99, 380). Allerdings kann er i.d.R. kein bestimmtes Verhalten verlangen, um den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache herzustellen. Er muss stattdessen das Klageziel – den Zustand vertragsgemäßen Gebrauchs – allgemein bezeichnen. Es ist Sache des Vermieters, durch geeignete Verhaltensweisen dieses Ziel zu erreichen. Anders verhält es sich nur, wenn dem Vermieter nur eine einzige Maßnahme – wie die Kündigung – bleibt.  

    Was muss der  

    Vermieter-Anwalt bei einer Klage beachten?  

    Enthält ein Klageantrag eine bestimmte Maßnahme zur Störungsabwehr, muss der Vermieter-Anwalt prüfen, ob diese Maßnahme tatsächlich als einzige zur Störungsabwehr geeignet ist. Wird die Frage verneint, kann schon deshalb beantragt werden, die Klage des gestörten Mieters als unbegründet abzuweisen (OLG Köln NJW 98, 763).  

    Was muss der  

    Mieter-Anwalt beim Abfassen des  

    Klageantrags  

    beachten?  

    Der Anwalt des Mieters sollte den Klageantrag so fassen, dass nur eine Verurteilung zur Störungsabwehr „mit geeigneten Mitteln“ beantragt wird. Ausnahme: Steht nur ein einziges probates Mittel zur Verfügung, sollte die Verurteilung des Vermieters zu einer bestimmten Handlung beantragt werden. Im Bereich der Störungsabwehr wird die Konkretisierung der Handlung regelmäßig in den Bereich der Zwangsvollstreckung verschoben, um die Prozessrisiken zu mindern.  

    Bestehen die Ansprüche des Mieters nur in Bezug auf unmittelbare Nachbarn?  

    Ja. Der Mieter hat gegen den Vermieter keinen Anspruch auf Maßnahmen gegen Dritte, deren Verhalten den Mietgebrauch nicht betrifft. Daher ist der Vermieter z.B. nicht verpflichtet, einige Häuser entfernt wohnende Nachbarn davon abzuhalten, den Mieter zu beschimpfen, zu bedrohen oder gar zu verletzen (LG Essen WuM 98, 278). Hier richtet sich die Störung nicht gegen den räumlichen Bereich der gemieteten Wohnung und betrifft damit nicht den Hausfrieden. Es handelt sich um ein allgemeines Lebensrisiko.  

    Können den Vermieter auch Schadenersatzansprüche treffen?  

    Deliktische Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche des gestörten Mieters können auch den Vermieter treffen. Dabei kann das Verschulden des Vermieters im Unterlassen liegen. Denn ihm obliegen gegenüber dem gestörten Mieter Fürsorge- und Schutzpflichten. So ist er verpflichtet, den Mieter vor Störungen, die den Mietgebrauch selbst betreffen, durch Nachbarn, Mitmieter oder sonstige Dritte zu bewahren (LG Essen WuM 98, 278; Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O., § 535 BGB Rn. 79.). Herrscht z.B. rund um das Wohnhaus eine Taubenplage und unterlässt der Vermieter es, diese zu bekämpfen, kann der Mieter, der unter einer Taubenallergie leidet, Schadenersatz verlangen. Dies gilt auch für seine Angehörigen, da sie in den Schutzbereich des Mietvertrags einbezogen sind (BGH NJW 69, 41; OLG Celle VersR 84, 1075; OLG Köln DWW 95, 188; OLG Dresden WuM 96, 553; LG Freiburg WuM 98, 212).  

    Darf der Mieter die Miete mindern?  

    Ja. Minderungsrechte des Mieters liegen ohne Weiteres auf der Hand, soweit der Gebrauch der Mietsache durch den Vermieter selbst oder durch Mieter-Nachbarn aus dem selben Haus beeinträchtigt wird.  

    Darf der Mieter fristlos kündigen?  

    Beeinträchtigungen durch Lärmstörungen, insbesondere bei Nacht, können als gesundheitsgefährdender Zustand die fristlose Kündigung des Mieters nach § 543 Abs. 1, § 569 Abs. 1 BGB begründen (AG Köln WuM 98, 21).  

     

     

    Leserservice: Diese Checkliste können Sie unter www.iww.de mit der Abruf-Nr. 052688 kostenlos herunterladen  

     

    Quelle: Ausgabe 10 / 2005 | Seite 183 | ID 88724