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  • 01.05.2006 | Im Brennpunkt

    Betriebskosten: Vorwegabzug bei teilgewerblicher Nutzung/Überlassung von Belegfotokopien

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf
    1. Der Eintritt der Fälligkeit setzt nicht voraus, dass nach Erteilung der Abrechnung zunächst eine angemessene Frist zu ihrer Überprüfung durch den Mieter verstrichen ist.  
    2. Der Mieter preisfreien Wohnraums hat grundsätzlich keinen Anspruch gegen den Vermieter auf Überlassung von Fotokopien der Abrechnungsbelege zur Betriebskostenabrechnung  
    3. Rechnet der Vermieter preisfreien Wohnraums über Betriebskosten in gemischt genutzten Abrechnungseinheiten ab, ist – soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben – ein Vorwegabzug der auf Gewerbeflächen entfallenden Kosten für alle oder einzelne Betriebskostenarten jedenfalls nicht geboten, wenn diese Kosten nicht zu einer ins Gewicht fallenden Mehrbelastung der Wohnraummieter führen.  
    (BGH 8.3.06, VIII ZR 78/05, n.v., Abruf-Nr. 060768)  

     

    Sachverhalt/Praxishinweis

    Der Beklagte B. ist Mieter einer preisfreien Wohnung der Klägerin K. Die Betriebskostenabrechnungen der Jahre 1998, 2000 und 2001 ergaben zu Gunsten der K. Nachforderungen, die Gegenstand der Klage sind. Anstelle der erbetenen Übersendung von Fotokopien der Abrechnungsbelege (hier: ca. 300) gegen Kostenerstattung bot die Hausverwaltung dem B. Belegeinsicht in ihren Büroräumen an. B. war der Auffassung, die Nachforderungen seien nicht fällig, da K. die im Gebäude befindlichen Gewerbeflächen in den Abrechnungen nicht vorweg abgezogen und ihm des weiteren keine Fotokopien zu den Abrechnungsbelegen überlassen habe. Das LG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Der BGH hat die Revision des B. zurückgewiesen und erstmals die aus den Ls. ersichtlichen, drei wichtigen Detailfragen geklärt. Die folgenden Checklisten fassen die Kernaussagen zusammen und munitionieren Sie, damit Sie auf andere Auffassungen optimal reagieren können:  

     

    Checkliste 1: Fälligkeit des Betriebskostensaldos
    • Nach verbreiteter Auffassung setzt die Fälligkeit eines Betriebskostensaldos voraus, dass nach Erteilung der Abrechnung eine angemessene Frist zu ihrer Überprüfung durch den Mieter verstrichen ist (KG GE 04, 423; OLG Hamm WuM 82, 72; Staudinger/Weitemeyer, BGB, § 556 Rn. 122).

     

    • Stellen Sie klar: Der BGH erklärte bereits bislang – ohne weitere Begründung – den Anspruch des Vermieters auf Bezahlung der Betriebskosten bereits mit Erteilung einer formell ordnungsgemäßen Abrechnung für fällig (BGH MK 05, 95, Abruf-Nr. 051084; MK 03, 42, Abruf-Nr. 030200).

     

    • Dies bestätigt er jetzt und lehnt die Forderung nach einer Prüfungsfrist ausdrücklich ab (8.3.06, VIII ZR 78/05, Abruf-Nr. 060768). Begründung: Nach § 271 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, wenn eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Da dem Mieter mit § 286 BGB ausreichend Zeit zur Überprüfung der Abrechnung verbleibt, ist dies auch praktikabel (Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 9. Aufl., Rn. 3330).
     

    Checkliste 2: Betriebskosten – Einsichtsrecht oder Fotokopien?
    • Will sich der Mieter erfolgreich gegen eine Betriebskostennachforderung verteidigen, darf er sich im Prozess nicht darauf beschränken, die materielle Berechtigung des Kostenansatzes insgesamt oder hinsichtlich einzelner Kostenarten zu bestreiten. Sein Bestreiten erfüllt nur die prozessualen Anforderungen des § 138 Abs. 2 ZPO, wenn er konkret zu den einzelnen Abrechnungsposten Stellung bezieht und seine Bedenken gegen die materielle Berechtigung der Abrechnung plausibel darlegt. Das setzt in Ausübung seines Prüfungsrechts die vorherige Einsichtnahme des Mieters in die Berechnungsunterlagen voraus. Wird diese verweigert, steht ihm gegenüber der Nachforderung ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB zu (OLG Düsseldorf NJW-RR 01, 299; LG Frankfurt WuM 97, 52; Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 8. Aufl., § 556 Rn. 492; für ein Leistungsverweigerungsrecht des Mieters nach § 242 BGB Palandt/Weidenkaff, BGB, 65. Aufl., § 535 Rn. 97).

     

    • Macht der Mieter von seinem Einsichtsrecht keinen Gebrauch, bleibt sein Bestreiten nach § 138 Abs. 3 ZPO unberücksichtigt (h.M.: OLG Düsseldorf NZM 00, 762; ZMR 03, 570; LG Berlin GE 03, 1492; GE 01, 1469). Hierauf sollte jeder Mieteranwalt zur Vermeidung eines Regresses achten. Erstinstanzliche Versäumnisse des Mieters sind in der Berufung nur unter den restriktiven Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO reparabel.

     

    • Der Mieter kann – auch gegen Kostenerstattung – nicht die Überlassung von Fotokopien der Abrechnungsbelege verlangen (BGH 8.3.06, VIII ZR 78/05, Abruf-Nr. 060768). Zwar ist für preisgebundenen Wohnraum in § 29 Abs. 2 S. 1 NMV bestimmt, dass der Mieter anstelle der Einsicht in die Berechnungsunterlagen Ablichtungen davon gegen Erstattung der Auslagen verlangen kann. Der BGH lehnt dessen analoge Anwendung auf preisfreien Wohnraum jedoch ab (a.A. bislang LG Duisburg WuM 02, 32; LG Neubrandenburg WuM 02, 339; Langenberg, Betriebskostenrecht der Wohn- und Gewerberaummiete, 4. Aufl., I Rn. 16). Grund: § 29 Abs. 2 S. 1 NMV ist eine nur noch nach Maßgabe des § 50 WoFG anwendbare Sonderbestimmung für den preisgebundenen Wohnraum. Von einer Nachfolgeregelung hat der Gesetzgeber abgesehen.

     

    • Ein Anspruch des Mieters auf Übersendung von Belegkopien ergibt sich im Regelfall auch nicht aus Treu und Glauben (§ 242 BGB). Unter Berücksichtigung der jeweiligen berechtigten Interessen von Mieter und Vermieter genügt zur Begründung eines solchen Anspruchs nicht die Bereitschaft des Mieters, dem Vermieter dessen Auslagen für die u.U. erheblichen zusätzlichen Aufwand erfordernde Fertigung der Kopien zu erstatten. Mag deren Überlassung im Einzelfall dem Vermieter entgegenkommen und dem Mieter eine erleichterte Prüfung in seiner Wohnung ermöglichen, wird seinem Interesse an einer Überprüfung der Abrechnung meist bereits dadurch Rechnung getragen, dass er vom Vermieter Einsicht in die der Abrechnung zugrunde liegenden Belege verlangen und sich hierbei, soweit erforderlich, fachkundiger Hilfe bedienen kann.

     

    • Ausnahmsweise kann der Mieter nach Treu und Glauben Übermittlung von Fotokopien der Rechnungsbelege verlangen, wenn ihm die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen in den Räumen des Vermieters oder dessen Hausverwaltung nicht zugemutet werden kann. Ein solcher Fall kann etwa vorliegen, wenn Mieter und Vermieter heillos zerstritten sind oder wenn der Ort der Belegeinsicht nicht in zumutbarer Weise und angemessener Zeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen ist (LG Frankfurt NZM 00, 27; LG Köln NZM 01, 617; LG Zwickau WuM 03, 271). Für gewerbliche Mietverhältnisse gilt nichts anderes (OLG Düsseldorf WuM 93, 411).
     

    Praxishinweis: Der Vermieter sollte sich gleichwohl überlegen, ob es für ihn nicht günstiger ist, dem Mieter die erbetenen Kopien gegen Kostenerstattung zu überlassen oder z.B. die Belege einmalig einzuscannen und auf CD-ROM zu brennen, um sie so bei Bedarf und mit minimalen Kosten einer großen Zahl von Mietern zugänglich machen zu können (Langenberg, a.a.O., I Rn. 17). Der BGH begründet das berechtigte Interesse des Vermieters, den Mieter auf die Einsichtnahme in die Belege zu verweisen u.a. damit, dieser könne mögliche Unklarheiten der Abrechnung im Gespräch mit dem Mieter sofort erläutern. Das impliziert zu Gunsten des Mieters eine entsprechende – kostenfreie – Erläuterungspflicht. Vor allem größere Wohnungsunternehmen oder Hausverwaltungen werden dadurch gezwungen, ggf. über einen längeren Zeitraum einen sachkundigen Mitarbeiter bereitzustellen, der Verständnisdefizite im unmittelbaren Gespräch mit dem Mieter ausräumen muss.