Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Ehegattenunterhalt

    Erwerb eines Wohnvorteils aus in der Ehe vorhandenem Vermögen

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    Setzt der aus der Ehewohnung gewichene Ehegatte den Verkaufserlös aus seinem früheren Miteigentumsanteil an der Ehewohnung für den Erwerb einer neuen Wohnung ein, tritt der Wohnvorteil der neuen Wohnung an die Stelle eines Zinses aus dem Erlös (BGH 9.4.14, XII ZB 721/12, FamRZ 14, 1098, Abruf-Nr. 141737).

     

    Sachverhalt

    Die Beteiligten streiten im Scheidungsverbund über nachehelichen Aufstockungsunterhalt. Ihre Ehe ist rechtskräftig geschieden. Beide Ehegatten erzielen monatliche Einkünfte aus vollschichtiger Erwerbstätigkeit. Das frühere Familienheim bewohnt die Ehefrau allein. Den hälftigen Miteigentumsanteil des Ehemanns daran erwarb sie bei der Vermögensauseinandersetzung. Der Ehemann verwendete das Geld, um für sich ein Wohnhaus zu errichten. Beide Ehegatten haben zur teilweisen Finanzierung der Immobilie jeweils ein Darlehen aufgenommen. Das AG hat den Ehemann verpflichtet, an die Ehefrau nachehelichen Unterhalt zu zahlen, befristet auf fünf Jahre ab Rechtskraft der Scheidung. Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb erfolglos. Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

     

    Entscheidungsgründe

    Bei der Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse ist der beiderseitige Wohnvorteil zu Unrecht unberücksichtigt geblieben. Die Vorteile der mietfreien Nutzung der Ehewohnung entfallen, wenn diese bei der Scheidung veräußert wird. An ihre Stelle treten die Vorteile, die die Ehegatten in Form von Zinseinkünften aus dem Erlös ihrer Miteigentumsanteile erzielen oder erzielen könnten. Dies gilt auch, wenn die Ehewohnung nicht an Dritte veräußert wird, sondern ein Ehegatte seinen Miteigentumsanteil an den anderen überträgt. Auch in einem solchen Fall tritt für den veräußernden Ehegatten der Zins aus dem Erlös als Surrogat an die Stelle der früheren Nutzungsvorteile seines Eigentumsanteils. Für den übernehmenden Ehegatten verbleibt es hingegen grundsätzlich beim Wohnvorteil, und zwar nun in Höhe des Werts der gesamten Wohnung, gemindert um die unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden Belastungen, einschließlich der Belastungen durch den Erwerb des Miteigentumsanteils des anderen Ehegatten (BGH FamRZ 08, 963).

     

    Setzt der Ehegatte den Erlös ein, um eine neue Wohnung zu erwerben, tritt der Wohnvorteil der neuen Wohnung an die Stelle des Zinses aus dem Erlös. Damit erhöht sich das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen des Ehemanns um den Wohnvorteil abzüglich der zu berücksichtigenden Kosten. Demgegenüber erhöht sich das unterhaltsrelevante Einkommen der Ehefrau um den vollen Nutzungswert des früheren Familienheims abzüglich ihrer Zinsaufwendungen aus dem aufgenommenen Darlehen sowie der Tilgungsaufwendungen, soweit diese als zusätzliche Altersvorsorge verstanden werden können.

     

    Praxishinweis

    Nach der Surrogatsrechtsprechung des BGH, die nichts mit derjenigen zum Wandel der ehelichen Lebensverhältnisse zu tun hat, prägen auch erstmals nach der Trennung oder Scheidung erzielte Zinseinkünfte die ehelichen Lebensverhältnisse (FamRZ 01, 986). Voraussetzung dafür ist, dass sie an die Stelle von weggefallenen Kapitalerträgen getreten sind oder aus einem während intakter Ehe vorhandenen Kapital stammen. Unerheblich ist, ob die nach Trennung oder Scheidung erzielten Erträge höher sind als die Zinserträge während intakter Ehe. Die ehelichen Lebensverhältnisse werden nicht durch die Höhe der während des Zusammenlebens erzielten Einkünfte gedeckelt (BGH NJW 02, 436). Es ist irrelevant, ob das während intakter Ehe verfügbare Kapital angelegt worden ist. Dies gilt auch bei der Veräußerung der Immobilie. Damit entfällt der eheprägende Wohnvorteil. An dessen Stelle tritt als Surrogat der Veräußerungserlös. Wird er geteilt, sind die daraus erzielbaren Zinsen als Surrogate eheprägend. Dies gilt auch, wenn ein Ehegatte mit seinem Geld eine neue Immobilie erwirbt. Insoweit tritt nur ein weiteres Glied zur Surrogationskette hinzu.

     

    Übersicht / Veräußerung der Immobilie/des Miteigentumsanteils

    • Veräußerung der Immobilie an einen Dritten: Hier sind die aus dem hälftig geteilten Kaufpreis erzielbaren Zinsen als Surrogat bedarfsprägend anzusetzen. Es bietet sich an, die Zinsen, die wegen des gleichhohen Kapitals identisch sein dürften, bei beiden Ehegatten aus der Unterhaltsberechnung wegzulassen, da sie sich neutralisieren. Jeder Ehegatte kann mit seinem Kapital anfangen, was er will, ohne dass sich die Unterhaltsberechnung ändert.

     

    • Veräußerung des Miteigentumsanteils an den anderen Ehegatten: Aufseiten des erwerbenden Ehegatten ist der volle Wohnwert anzusetzen, abzüglich der Finanzierungskosten. Diese bestehen i.d.R. aus den übernommenen Hauslasten sowie aus dem Darlehen, das der Übernehmer eingesetzt hat, um den Erwerb des Miteigentumsanteils zu finanzieren. Grundsätzlich sind nur die Zinsen einzusetzen, da es sich um einseitige Vermögensbildung handelt. Die Tilgung ist nur zu berücksichtigen, wenn sie als angemessene Altersversorgung angesetzt wird.

     

    • Beim Veräußernden ist das durch den Verkauf des Miteigentumsanteils erworbene Kapital zu beachten. Die daraus erzielbaren Zinsen sind bedarfsprägend anzusetzen. Probleme treten auf, wenn aufseiten des Erwerbenden der Finanzierungsaufwand und der Wohnvorteil deckungsgleich sind. Hier ist bei ihm nichts bedarfsdeckend anzusetzen, während der veräußernde Ehegatte die Zinsen aus dem Veräußerungserlös ansetzen muss, was die Unterhaltsberechnung verändert. Dies benachteiligt den Veräußernden. Um so ein unbilliges Ergebnis zu vermeiden, ist im notariellen Übertragungsvertrag betreffend den Miteigentumsanteil zu regeln, dass weder aufseiten des Unterhaltsberechtigten noch des -pflichtigen die Erträge aus der Veräußerung einschließlich Surrogate beim unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen berücksichtigt werden dürfen.
     

    Musterformulierung / Nichtbeachtung von Erträgen/Surrogaten

    Weder aufseiten des unterhaltsberechtigten noch des -pflichtigen Ehegatten dürfen die Erträge aus dieser Veräußerung einschließlich Surrogate bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens berücksichtigt werden.

    Quelle: Ausgabe 02 / 2015 | Seite 20 | ID 43008156