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  • 26.10.2011 · IWW-Abrufnummer 113436

    Oberlandesgericht Celle: Beschluss vom 12.05.2011 – 10 WF 135/11

    1. Der Hinweis des ausdrücklich als Beistand eines Kindes tätigen Jugendamts an den hinsichtlich des Kindesunterhaltes auf Auskunft in Anspruch genommenen Vater am Ende des Aufforderungsschreibens, auch die Kindesmutter wolle nach § 1615l BGB Betreuungsunterhalt geltend machen und das Jugendamt werde daher die Höhe dieses Anspruches ebenfalls errechnen und mitteilen, schafft nicht die Voraussetzungen nach § 1613 Abs. 1 BGB für eine Geltendmachung des Betreuungsunterhaltes für die Vergangenheit.


    2.
    Die Geltendmachung rückständigen Unterhalts ist mutwillig im Sinne des § 114 ZPO, soweit der Antragsteller ohne nachvollziehbaren Grund nicht zeitnah nach einem Auskunfts- oder Zahlungsverlangen einen verfahrenseinleitenden Antrag bei Gericht stellt und aufgrund der Werterhöhung gemäß § 51 Abs. 2 FamGKG erhebliche Mehrkosten entstehen (vgl. bereits Senat, Beschluß vom 5. Juli 2010 - 10 WF 209/10 - FamRZ 2011, 50 f. = NJW-RR 2010, 1517 = MDR 2011, 170 f.)


    10 WF 135/11

    In der Familiensache
    .........
    hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
    auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zu 2.
    gegen den teilweise Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover
    vom 16. März 2011
    durch
    den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht W.,
    den Richter am Oberlandesgericht H. und
    die Richterin am Amtsgericht C.
    am 12. Mai 2011
    beschlossen:

    Tenor:
    Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

    Gründe
    I.

    Der Antragsteller zu 1. (im weiteren: der Antragsteller) ist der minderjährige Sohn des Antragsgegners, die Antragstellerin zu 2. (im weiteren: die Antragstellerin) die mit dem Antragsgegner nicht verheiratete Kindesmutter. Im vorliegenden, am 10. März 2010 eingeleiteten Verfahren soll der Antragsgegner neben Kindesunterhalt auch auf Betreuungsunterhalt für die Zeit ab April 2009 in Anspruch genommen werden.

    Das seinerzeit laut Briefkopf als Beistand des Antragstellers tätige Jugendamt hat den Antragsgegner mit einem "Unterhalt für Ihren Sohn ... " betitelten Schreiben vom 23. April 2009 ausdrücklich zum Zwecke der Berechnung des - auch damals dem Grunde nach unstreitigen und bereits laufend in monatlicher Höhe von 220 EUR erbrachten - Kindesunterhaltes zur Auskunftserteilung aufgefordert. Dieses Schreiben enthält gegen Ende folgenden Absatz:

    Die - namentlich bezeichnete - Antragstellerin "möchte auch ihren Anspruch auf Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB geltend machen. Wir werden daher die Höhe des Anspruches mit errechnen und Ihnen mitteilen."

    Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 5. September 2009 hat die Antragstellerin vom Antragsgegner bezifferten Betreuungsunterhalt begehrt, den sie unter Berufung auf eine vermeintliche Geltendmachung im Jugendamtsschreiben rückwirkend seit April 2009 beanspruchen will.

    Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 16. März 2011, auf den ergänzend Bezug genommen wird, der Antragstellerin die nachgesuchte Verfahrenkostenhilfe (VKH) hinsichtlich des Betreuungsunterhaltes nur insoweit bewilligt, als Ansprüche für die Zeit vom 1. September 2009 bis zum 15. Oktober 2011 - im Hinblick auf eine zunächst noch nicht vorliegende Rückübertragung unter Absetzung der auf das örtliche JobCenter übergegangenen Teilbeträge - geltend gemacht werden.

    Dagegen richtet sich die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin, die - soweit nicht hinsichtlich einer geringen rechnerischen Differenz durch die Teilabhilfeentscheidung des Amtsgerichtes vom 29. April 2011 erledigt - eine Erstreckung der VKH-Bewilligung auch auf weitere Rückstände für die Zeit ab April 2009 sowie auf die Zeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Antragstellers erstrebt. Das Amtsgericht hat insofern der Beschwerde nicht abgeholfen.

    Die Antragstellerin hat sodann noch insofern um VKH nachgesucht, als sie weitere 10.006,22 EUR als in der Zeit von November 2009 bis März 2011 auf das Jobcenter übergegangene und bislang nicht in ihrer Berechnung enthaltene Teilbeträge geltend machen will; darüber hat das Amtsgericht noch nicht befunden.

    Der Einzelrichter hat die Sache dem Senat zur Entscheidung übertragen.

    II.

    Die Beschwerde dürfte bereits teilweise unzulässig sein und ist jedenfalls insgesamt unbegründet.

    1.

    Die Beschwerde kann hinsichtlich eines über den dritten Geburtstag des Antragstellers hinausgehenden Betreuungsunterhalts der Antragstellerin keinen Erfolg haben.

    a.

    Soweit die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren Betreuungsunterhaltsansprüche für die Zeit nach dem 15. Oktober 2011 geltend macht, ist sie durch die diesbezügliche Versagung von VKH im angefochtenen Beschluß bereits nicht beschwert:

    Die VKH-Bewilligung hat den Zweck und die Folge, daß der bedürftige Beteiligte die für das Verfahren anfallenden eigenen (Gerichts- und Anwalts-) Kosten zunächst nicht bzw. nur im Rahmen von Einmal- oder Ratenzahlungen aufzubringen hat; die Höhe dieser Kosten (bzw. ggf. der Umfang seiner Freistellung davon) bestimmt sich nach dem für das Verfahren maßgeblichen Verfahrenswert, für den es wiederum nach der für - wie vorliegend gegenständlich - Unterhaltsansprüche einschlägigen Vorschrift des § 51 FamGKG allein auf die für die ersten zwölf Monate nach Einreichung des Antrages geforderten Betrag (§ 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG) zuzüglich der kostenrechtlichen Rückstände (§ 51 Abs. 2 FamGKG) ankommt. Mithin hat der bedürftige Beteiligte bei der VKH-Bewilligung auch allein insofern ein Rechtsschutzbedürfnis, als sich die Entscheidung über die VKH-Bewilligung auf den maßgeblichen Verfahrenswert auswirkt und dadurch seine Möglichkeit des Zuganges zum Gericht betroffen ist. Soweit es nach Auffassung des erstinstanzlichen Gerichtes an hinreichender Erfolgsaussicht für solche Teile der Rechtsverfolgung fehlt, die - etwa als unselbständige Nebenforderungen oder weil sie wegen des geringen Umfanges zu keiner Veränderung in der für Gerichts- und Anwaltskosten maßgeblichen Gebührenstufe führen (vgl. insofern auch Zöller28-Geimer, ZPO § 114 Rz. 24 a.E.) - nicht den Verfahrenswert beeinflussen, ist dadurch die Möglichkeit der Rechtsverfolgung für den bedürftigen Beteiligten in keiner Weise berührt, so daß ihm das Rechtsschutzbedürfnis für eine Überprüfung durch das Beschwerdegericht fehlt.

    b.

    Die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde insofern kann aber letztlich dahin stehen, weil sie jedenfalls auch unbegründet ist (vgl. insofern BGH - Beschluß vom 30. März 2006 - IX ZB 171/04 - NJW-RR 2006, 1346 sowie OLG Köln, Beschluß vom 27. Juli 2010 - 6 W 79/10 - GRUR-RR 2011, 86, 87 - bereits unter der Geltung des FamFG).

    Nach ausdrücklicher aktueller Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist Voraussetzung eines Unterhaltsanspruchs nach § 1615l Abs. 2 Satz 4 BGB, daß der Unterhaltsberechtigte kind- oder elternbezogene Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes hinaus vorträgt (BGH, Urteil vom 13. Januar 2010 - XII ZR 123/08 - FamRZ 2010, 444 ff. = NJW 2010, 1138 ff = MDR 2010, 327 f.; vgl. auch bereits OLG Koblenz, Urteil vom 18. März 2009 - 9 UF 596/08 - NJW 2009, 1974 ff.).; die von der Antragstellerin insofern in Berufung genommene Entscheidung des OLG Brandenburg vom 2. März 2010 - 10 UF 63/09 - FamRZ 2010, 1915 ff., die (offenbar ohne Kenntnis von der genannten Entscheidung des BGH) ein gegenteiliges Regel-Ausnahme-Verhältnis zugrundelegt, ist dadurch überholt. Im Streitfall geht gerade auch die Antragstellerin davon aus, daß derzeit (und auch bis zum bereits anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung) derartige Gründe nicht ersichtlich oder feststellbar sind; insofern wird mit dem Amtsgericht die Befristung des Betreuungsunterhalts auf den dritten Geburtstag des Antragstellers vorzunehmen sein.

    2.

    Auch für die Geltendmachung weiterer Rückstände des Betreuungsunterhalts kommt eine VKH-Bewilligung nicht in Betracht.

    a.

    Zutreffend - und in Übereinstimmung mit der (bislang allerdings unveröffentlichten) Rechtsprechung des Senates in parallelen Fällen mit entsprechenden Schreiben des nämlichen Jugendamtes - geht das Amtsgericht davon aus, daß der Rechtsverfolgung der Antragstellerin hinsichtlich weiteren rückständigen Betreuungsunterhaltes eine hinreichende Erfolgsaussicht fehlt.

    Für eine Geltendmachung rückständigen Betreuungsunterhalts für die Zeit von April bis August 2009 kann sich die Antragstellerin nicht erfolgreich auf das Schreiben des Jugendamtes vom 23. April 2009 stützen. Die darin enthaltene Auskunftsaufforderung des dabei ausdrücklich gerade als Beistand des Antragstellers tätigen Jugendamtes bezog sich sowohl nach der Überschrift als auch nach ihrem völlig eindeutigen Wortlaut ausschließlich auf den - im Rahmen der Beistandschaft allein geltend zu machenden - Kindesunterhalt. Der bloße Hinweis, auch die Antragstellerin wolle ihrerseits Betreuungsunterhaltsansprüche geltend machen und das Jugendamt werde deren Höhe berechnen und mitteilen, enthält weder inhaltlich eine weitere Auskunftsaufforderung zum Zwecke der Ermittlung von Betreuungsunterhalt, noch ist er geeignet, das in dem Schreiben zuvor ausdrücklich allein zur Ermittlung des Kindesunterhaltes gestellte Auskunftsbegehren in ein solches auch für die Geltendmachung von Betreuungsunterhalt zu erweitern, noch stellt er schließlich eine Aufforderung an den Antragsgegner zur konkreten Leistung von Betreuungsunterhalt dar; das Jugendamt hat in dem besagten Schreiben zudem eine erfolgte Bevollmächtigung oder Beauftragung durch die Antragstellerin zur Geltendmachung von Betreuungsunterhaltsansprüchen nicht einmal ansatzweise behauptet. Insofern kommt es nicht weiter auf die Frage an, ob das Jugendamt, dem gegenüber alleinerziehende Eltern bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen nach § 1615l BGB gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII einen Anspruch auf " Beratung und Unterstützung " haben, in diesem Rahmen überhaupt zu einer rechtlichen Vertretung befugt ist (vgl. zu den jedenfalls engen Grenzen etwa Oberloskamp, Die Kompetenzen des Jugendamtes gemäß § 18 Abs. 2 KJHG, Der Amtsvormund 1997, 65 ff; Inhalt und Grenzen der Beratungs- und Unterstützungspflicht gegenüber der Kindesmutter für deren Ansprüche aus § 1615l BGB - DIV-Gutachten vom 6. Januar 1991 - Der Amtsvormund 1992, 51).

    Die Antragstellerin kann sich hinsichtlich der streitgegenständlichen Rückstände schließlich auch nicht erfolgreich auf §§ 1613 Abs. 2 Nr. 2, 1615l Abs. 3 Satz 3 BGB stützen, da sie für den betroffenen Zeitraum offenkundig weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen, im Verantwortungsbereich des Antragsgegner liegenden Gründen an einer Geltendmachung gehindert war.

    b.

    Einer Bewilligung von VKH für weitere - erhebliche - Rückstände steht zudem auch bereits für sich durchgreifend entgegen, daß eine derartige Geltendmachung verfahrenskostenhilferechtlich als mutwillig zu beurteilen ist.

    Es entspricht ständiger Senatsrechtsprechung, daß die Geltendmachung rückständigen Unterhalts mutwillig im Sinne des § 114 ZPO ist, soweit der Antragsteller ohne nachvollziehbaren Grund nicht zeitnah nach einem Auskunfts- oder Zahlungsverlangen einen verfahrenseinleitenden Antrag bei Gericht stellt und aufgrund der Werterhöhung gemäß § 51 Abs. 2 FamGKG erhebliche Mehrkosten entstehen (vgl. etwa Senatsbeschluß vom 5. Juli 2010 - 10 WF 209/10 - FamRZ 2011, 50 f. = NJW-RR 2010, 1517 = MDR 2011, 170 f.); ein Beteiligter, der für die Kosten des Verfahrens selbst aufzukommen hätte, würde vor der gerichtlichen Geltendmachung nicht ohne triftigen Grund verfahrenskostenerhöhende Rückstände entstehen lassen. Im Streitfall sollen rückständige Betreuungsunterhaltsansprüche für immerhin zwölf Monate geltend gemacht werden, ohne daß für diesen Rückstand - der den Verfahrenswert gemäß § 51 Abs. 2 FamGKG um immerhin (12 * 1.215 EUR =) 14.580 EUR erhöhte - irgendwelche nachvollziehbaren Gründe ersichtlich oder dargetan wären; dies gilt im Streitfall umsomehr, als der Betreuungsunterhaltsanspruch der Antragstellerin ohnehin allein durch ihre Stellung vor der Geburt des Antragstellers bestimmt wird, es also auf die Auskunft des Kindesvaters für die Berechnung gar nicht ersichtlich ankam, jedenfalls aber - nach alsbald erfolgter Auskunftserteilung - bereits im Mai 2009 einer Bezifferung endgültig nichts mehr im Wege stand. Das insofern mutwillige Verhalten der - bereits seit mindestens September 2009 anwaltlich vertretenen - Antragstellerin wird auch dadurch unterstrichen, daß sie ihren Betreuungsunterhalt gar noch einen Monat später als den auf der nämlichen Datenbasis stehenden Kindesunterhalt und zudem zunächst in einem gesonderten - und somit weitere Mehrkosten verursachenden - Verfahren anhängig gemacht hat.

    3.

    Lediglich klarstellend - auch im Hinblick auf den im zuletzt gestellten Antrag nicht im kostenrechtlichen Sinne verwendeten Begriff des "Rückstandes" sowie einen geringfügigen Rechenfehler - ist festzuhalten, daß sich die bislang erfolgte VKH-Bewilligung für den Betreuungsunterhalt auf einen Verfahrenswert von insgesamt (2 * 857,69 EUR + 577,42 EUR + 890,25 EUR + 5 * 519,57 EUR + 5 * 645,32 EUR + 5 * 528,54 EUR =) 11.828,30 EUR erstreckt.

    III.

    Für das weitere Verfahren weist der Senat bereits an dieser Stelle auf Folgendes hin:

    1.

    Dem - amtsgerichtlich noch nicht beschiedenen - erweiternden VKH-Gesuch der Antragstellerin dürfte (nur) im Umfang weiterer 7.671,56 EUR zu entsprechen sein, so daß sich insgesamt eine Bewilligung von VKH für Betreuungsunterhalt mit einem Verfahrenswert von 19.499,86 EUR ergeben wird.

    Soweit die Antragstellerin bereits vor Anhängigkeit - also bis einschließlich März 2010 - entstandene und auf das JobCenter übergangene Ansprüche geltend machen will, steht einer Bewilligung durchgreifend entgegen, daß sie insoweit einen Vorschußanspruch gegenüber dem JobCenter hat (vgl. BGH, Beschluß vom 2. April 2008 - XII ZB 266/03 - FamRZ 2008, 1159 ff = NJW 2008, 1950 ff. = MDR 2008, 831 f.). Ein solcher Anspruch ist im übrigen auch in § 5 des Rückübertragungsvertrags zwischen der Antragstellerin und dem JobCenter ausdrücklich vorgesehen.

    Die VKH-Bewilligung wird hingegen für die während der Anhängigkeit übergegangenen und bislang nicht in die Berechnung mit einbezogenen Ansprüche aus den Monaten April 2010 bis März 2011 um (2* 695 EUR + 5 * 569,69 EUR + 5 * 686,46 EUR =) 7.671,56 EUR zu erweitern sein.

    2.

    ...

    RechtsgebieteBGB, FamGKG, ZPOVorschriften§ 1613 Abs. 1 BGB § 1615l BGB § 51 Abs. 2 FamGKG § 114 ZPO