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  • · Fachbeitrag · Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

    PKH-Antrag unter Beifügung eines nicht anwaltlich unterzeichneten Rechtsmittelentwurfs

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    Reicht eine mittellose Partei innerhalb der Rechtsmittelfrist einen vollständigen PKH-Antrag ein und fügt diesem einen nicht unterzeichneten Entwurf einer Rechtsmittel- und einer Rechtsmittelbegründungsschrift ihres Prozessbevollmächtigten bei, kann ihre Mittellosigkeit gleichwohl kausal für die versäumte Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfrist geworden sein (BGH 19.9.13, IX ZB 67/12, FamRZ 14, 31, Abruf-Nr. 133344).

     

    Sachverhalt

    Der Beklagte hat beim OLG innerhalb der Berufungsfrist einen Antrag auf Gewährung von PKH für die beabsichtigte Berufung gegen ein Urteil gestellt, in dem zu seinem Nachteil entschieden worden ist. Dem Antrag hat er nicht unterschriebene Entwürfe der Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift angefügt. Nachdem das OLG die PKH bewilligt hatte, hat der Beklagte innerhalb der zweiwöchigen Frist Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt, die Berufung eingelegt und zudem begründet. Das Berufungsgericht hat seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

     

    Entscheidungsgründe

    Zu beanstanden ist, dass das OLG den Wiedereinsetzungsantrag nach der Bewilligung von PKH zurückgewiesen hat. Die Mittellosigkeit einer Partei ist ein Entschuldigungsgrund i.S. von § 233 ZPO, wenn sie die Ursache für die Fristversäumung ist. Das ist der Fall, wenn sich die Partei infolge der Mittellosigkeit außer Stande sieht, einen Anwalt zu beauftragen, damit dieser ihr Rechtsmittel einlegt und begründet.

     

    Wenn ein Anwalt jedoch trotz der Mittellosigkeit seines Mandanten bereit ist, für diesen innerhalb der laufenden Fristen das Rechtsmittel einzulegen und zu begründen, ist dessen Mittellosigkeit für die Fristversäumung nicht ursächlich geworden. Ursächlichkeit fehlt, wenn der Prozessbevollmächtigte nachdem er Berufung eingelegt und den PKH-Antrag gestellt hat, vor der Entscheidung über diesen Antrag die vollständige - wenn auch als vorläufig bezeichnete - Berufungsbegründung noch vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist gefertigt und bei Gericht eingereicht hat. Denn dann hat er seine tatsächlich vergütungspflichtige Leistung in vollem Umfang erbracht.

     

    Dies gilt jedoch nicht, wenn weder eine Berufung noch eine Berufungsbegründung innerhalb der Fristen eingereicht wird. Wird lediglich ein PKH-Antrag eingereicht und dieser begründet, erbringt der Prozessbevollmächtigte eines Berufungsklägers die im zweiten Rechtszug anfallenden, vergütungspflichtigen Leistungen noch nicht. Er bringt gerade nicht seine Bereitschaft zum Ausdruck, das Rechtsmittel auch ohne Bewilligung von PKH einzulegen und begründen zu wollen. Ein solcher Fall ist insbesondere auch gegeben, wenn der PKH-Antrag nicht nur schlicht begründet wird, sondern der Entwurf einer Berufung und Berufungsbegründung beigefügt ist. Da die entsprechenden Schriftsätze noch nicht unterzeichnet sind, kann der Anwalt zeigen, dass er bis zur Entscheidung über das PKH-Gesuch nicht mehr bereit ist, anderweitige Prozesshandlungen zur Förderung des Berufungsverfahrens vorzunehmen. Wird nur ein Antrag auf Gewährung von PKH für die beabsichtigte Berufung gestellt, belegt dieses Verhalten, dass der Prozessbevollmächtigte seine Tätigkeit im Rechtsmittelzug allein auf die Geltendmachung von PKH beschränken will. Daher durfte hier das OLG die Berufung nicht als unzulässig verwerfen.

     

    Praxishinweis

    Einen ähnlichen Fall hat der BGH in seiner Entscheidung vom 29.3.12 (MDR 12, 1059) entschieden. Auch hier ist von Folgendem auszugehen: Wenn eine mittellose Partei die Frist zur Begründung der Berufung versäumt, ist die Mittellosigkeit für die Fristversäumung kausal geworden. Voraussetzung dafür ist, dass dem PKH-Gesuch eine als Entwurf bezeichnete und nicht unterzeichnete Berufungsbegründungsschrift beigefügt wird.

     

    Die Begründung eines Rechtsmittels kann so lange ausbleiben, wie noch nicht über die PKH oder VKH entschieden worden ist (BGH FamRZ 12, 705). Der BGH nimmt an, dass, wenn eine Rechtsmittelbegründung nicht oder nicht rechtzeitig eingeht, davon auszugehen ist, dass die Mittellosigkeit die Ursache dafür ist. Es ist also nicht einmal Sachvortrag erforderlich, um die Verspätung oder das Ausbleiben der Rechtsmittelbegründungsschrift zu fertigen. War allerdings der Anwalt bereit, das Rechtsmittel auch ohne Bewilligung von VKHe zu begründen, ist Ursächlichkeit nicht gegeben. Dies zeigt sich aber noch nicht darin, dass eine Fristversäumung mit Fehlverhalten einer Kanzleiangestellten begründet wird. Der BGH geht vielmehr davon aus, dass eine solche Begründung nicht schadet, weil eine Begründung überhaupt nicht erforderlich ist.

     

    Wichtig ist, dass der VKH-Antrag mit der Beschwerde eingereicht wird und nicht erst - wie leider so oft - erst mit der Beschwerdebegründung. Der VKH-Antrag entfaltet seine Wirkung mit seiner Einreichung, sodass vor Entscheidung darüber keine Fristen zu laufen beginnen. Da die einzige Frist, die noch einzuhalten ist, die Beschwerdebegründungsfrist ist, ist erforderlich, den VKH-Antrag bereits mit der Beschwerde bei Gericht einzureichen, damit die Frist nicht läuft. Selbst wenn man beabsichtigt, die Beschwerde zu begründen, ist diese Verfahrensweise sinnvoll, weil es in diesem Fall niemals eine Fristversäumung geben kann.

     

    Weiterführende Hinweise

    • BGH FK 12, 109, zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
    Quelle: Ausgabe 05 / 2014 | Seite 82 | ID 42583099