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  • · Fachbeitrag · Prozessvergleich

    Prozessbeendende Wirkungeines unwirksamen Prozessvergleichs

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    • 1) Der Rechtsstreit, in dem ein unwirksamer Prozessvergleich geschlossen wurde, ist nur fortzusetzen, wenn eine Partei die Wirksamkeit des Prozessvergleichs angreift und damit dessen prozessbeendigende Wirkung infrage stellt. Dementsprechend ist eine neue Klage, die den Streitgegenstand des ursprünglichen Rechtsstreits umfasst, zulässig, wenn die Parteien die Beendigung des Ursprungsrechtsstreits durch den Vergleich nicht infrage stellen.
    • 2) Der Einwand, aufgrund der Unwirksamkeit eines Prozessvergleichs müsse das Ursprungsverfahren fortgesetzt werden, ist eine verzichtbare prozessuale Rüge, die grundsätzlich vor Beginn der Verhandlung zur Hauptsache bzw. im Rahmen einer vom Gericht gesetzten Klageerwiderungsfrist vorzubringen ist.
     

    Sachverhalt

    Im Verfahren über Vorschusszahlungen für Mängelbeseitigungskosten haben die Parteien einen Prozessvergleich geschlossen, in dem der Beklagte sich verpflichtete, geltend gemachte Mängel zu beseitigen. Im späteren Verfahren hat der Kläger erneut Vorschusszahlungen für Mängelbeseitigungskosten betreffend dieselben Mängel gerichtlich geltend gemacht. Das OLG hat die Klage im Hinblick auf § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO als unzulässig abgewiesen. Das zunächst eingeleitete Verfahren auf Vorschussleistungen sei durch den Vergleich nicht beendet worden, weil dieser nicht hinreichend protokolliert worden sei. Es bestehe doppelte Rechtshängigkeit. Die dagegen gerichtete Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Rechtshängigkeit einer Streitsache kann durch einen Prozessvergleich nur entfallen, wenn die Formvorschriften der § 160 Abs. 3 Nr. 1, § 162 Abs. 1 S. 1 und 3, § 163 ZPO eingehalten werden. Dies folgt aus der Doppelnatur des Prozessvergleichs als materiell-rechtliches Rechtsgeschäft und als Prozesshandlung. Daher ist es gemäß § 162 Abs. 1 ZPO erforderlich, das den Vergleichsabschluss enthaltende Protokoll den Beteiligten vorzulesen oder zur Durchsicht vorzulegen. Die Beteiligten müssen es genehmigen. Im Protokoll selbst ist zu vermerken, dass diese Förmlichkeiten eingehalten worden sind. Daher müssen Unterlagen, auf die in einem Vergleich Bezug genommen wird, als Anlage zum Protokoll genommen werden. Sie sind ebenfalls vorzulesen und von den Parteien zu genehmigen. Bei Nichteinhaltung dieser Förmlichkeiten genügt der Vergleich nicht den prozessualen Voraussetzungen und ist deshalb unwirksam mit der Folge, dass er den Rechtsstreit nicht beendet.

     

    Der BGH weist allerdings darauf hin, dass das Gericht nicht unabhängig vom Parteiwillen von Amts wegen prüfen darf, ob durch den tatsächlichen Vergleichsabschluss die Rechtshängigkeit des Ursprungsprozesses entfallen ist. Das Verfahren, in dem der Prozessvergleich geschlossen wurde, ist nur fortzusetzen, wenn die Wirksamkeit des Prozessvergleichs angegriffen und damit seine prozessbeendende Wirkung infrage gestellt wird. Dementsprechend ist eine neue Klage, die den Streitgegenstand des ursprünglichen Rechtsstreits umfasst, zulässig, wenn die Parteien die Beendigung des Ursprungsrechtsstreits durch den Vergleich nicht infrage stellen. Es steht den Parteien frei, übereinstimmend einen Zivilprozess als durch Vergleich beendet anzusehen, unabhängig davon, ob dieser wegen prozessualer oder materiell-rechtlicher Mängel unwirksam ist. Daher war es dem Berufungsgericht verwehrt, den Vergleich zu überprüfen, weil die Parteien die Beendigung des Ursprungsrechtsstreits in keinem Zeitpunkt infrage gestellt haben. Im Übrigen handelt es sich bei dem Einwand der Unwirksamkeit des Vergleichs um eine verzichtbare prozessuale Rüge, die grundsätzlich vor Beginn der Verhandlung zur Hauptsache bzw. im Rahmen einer vom Gericht gesetzten Klageerwiderungsfrist vorzubringen ist.

     

    Praxishinweis

    Diese Entscheidung betrifft auch Familienstreitsachen.

     

    Häufig kommt es vor, dass mit einem Abänderungsverfahren nach § 239 FamFG Abänderungsgründe geltend gemacht werden, die letztlich auf einer Täuschung eines Beteiligten durch den anderen beruhen, etwa durch Verschweigen von Einkünften. In diesen Fällen wird oft der Prozessvergleich angefochten. Würde die arglistige Täuschung greifen, wäre der Prozessvergleich gemäß §§ 123, 142 BGB nichtig. Das alte Verfahren müsste fortgesetzt werden, da der Prozessvergleich keine verfahrensbeendigende Wirkung hat. Das Abänderungsverfahren wäre damit unzulässig. Dies gilt selbst, wenn sich niemand mehr auf die Unwirksamkeit des Prozessvergleichs beruft. Denn Voraussetzung für ein Abänderungsverfahren nach § 239 FamFG ist ein wirksam zustande gekommener Vergleich. Dies setzt nicht nur eine förmliche Protokollierung i.S. der oben genannten Vorschriften voraus. Vielmehr muss der Prozessvergleich auch materiell-rechtlich wirksam sein. Die materiell-rechtliche Wirksamkeit ist aber durch die Anfechtung beseitigt worden.

     

    Wird daher ein Prozessvergleich wegen arglistiger Täuschung angefochten, bleibt keine andere Möglichkeit, als das alte Verfahren fortzusetzen. In Betracht käme im Hinblick auf die vorgenannte BGH-Entscheidung allenfalls, den Unterhalt in einem neuen Verfahren geltend zu machen. Dies wäre grundsätzlich möglich, wenn die Rüge der Unwirksamkeit des Vergleichs und der damit bestehenden anderweitigen Rechtshängigkeit nicht erhoben wird.

     

    Gleiches gilt, wenn der Vergleich nach § 779 BGB unwirksam ist (OLG Köln FamRZ 99, 943).

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 116 | ID 42659633