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  • 02.10.2008 | Versorgungsausgleich

    Zur Volldynamik betrieblicher Versorgungsanrechte

    von VRiOLG Hartmut Wick, Celle

    1. Für die Beurteilung der Dynamik eines Anrechts darf dessen bisherige Wertentwicklung über einen angemessenen Vergleichszeitraum zwar als Indiz herangezogen werden. Die Daten der Vergangenheit dürfen aber nicht ohne Weiteres fortgeschrieben werden. Erforderlich ist eine Prognose des Tatrichters, die alle hierfür bedeutenden Umstände berücksichtigt.  
    2. Macht deshalb ein Versorgungsträger individuelle, in seiner Rechtsform, seiner Mitgliederstruktur und seinen wirtschaftlichen Verhältnissen liegende Umstände geltend, die gegen ein Fortschreiben der bisherigen Steigerungsraten für die Zukunft sprechen, hat der Tatrichter im Rahmen seiner Pflicht zur Amtsermittlung die erforderlichen Feststellungen zu treffen, um seine Prognoseentscheidung auf eine ausreichende Tatsachengrundlage zu stellen.  
    (BGH 6.2.08, XII ZB 180/05, FamRZ 08, 862, Abruf-Nr. 081019)

     

    Sachverhalt

    Der ausgleichspflichtige Ehemann hat in der Ehezeit u.a. eine unverfallbare betriebliche Versorgungsanwartschaft bei der Pensionskasse Deutscher Eisen- und Straßenbahnen von monatlich 122,91 EUR erworben. Das AG hat das Anrecht als im Anwartschaftsstadium statisch und in der Leistungsphase volldynamisch behandelt und gemäß §?1587a Abs. 3 Nr. 2 BGB i.V. mit der BarwertVO in eine volldynamische Anwartschaft von monatlich 34,64 EUR umgerechnet. In Höhe der Hälfte davon, also monatlich 17,32 EUR hat es gemäß § 1 Abs. 3 VAHRG zulasten der bei der Pensionskasse bestehenden Anwartschaften für die Ehefrau gesetzliche Rentenanwartschaften begründet. Die Pensionskasse war zum damaligen Zeitpunkt eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Inzwischen ist sie in einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) umgewandelt worden. Mit ihrer Beschwerde machte die Pensionskasse geltend, das bei ihr bestehende Anrecht sei auch in der Leistungsphase statisch. Das OLG Hamm wies die Beschwerde der Pensionskasse zurück. Die zugelassene Rechtsbeschwerde der Kasse hatte Erfolg.  

     

    Entscheidungsgründe

    Die Entscheidung kann nicht bestehen bleiben, weil das auszugleichende Anrecht jetzt nicht mehr beim öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger besteht und deshalb nicht mehr im Wege des analogen Quasi-Splittings nach § 1 Abs.?3 VAHRG ausgeglichen werden kann. Das Rechtsmittel führt zur Zurückverweisung an das OLG, weil eine weitere Sachaufklärung erforderlich ist.  

     

    Die Feststellungen des OLG rechtfertigen bisher nicht die Annahme, dass die betriebliche Anwartschaft des Ehemannes in der Leistungsphase volldynamisch ist. Zwar trifft die Ansicht des OLG nicht zu, dass der Anstieg der Betriebsrenten in der Vergangenheit wesentlich geringer ausgefallen ist als die Anpassung gesetzlicher Renten. Von 1998 bis 2007 lagen die Steigerungen der Betriebsrenten mit jährlich durchschnittlich 0,7 v.H. nur knapp unter den Anpassungen der gesetzlichen Renten mit jährlich durchschnittlich 0,8 v.H. Es fehlt jedoch an einer tragfähigen Grundlage für die Prognose, dass die Wertentwicklung auch in Zukunft ähnlich verlaufen wird. Entgegen der Annahme des OLG sind in der gesetzlichen Rentenversicherung durchaus nennenswerte Rentensteigerungen zu erwarten. Nach dem Rentenversicherungsbericht 2007 der Bundesregierung sind es in den nächsten 15 Jahren durchschnittlich 1,7 v.H. pro Jahr. Auch wenn diese Prognose mit erheblichen Unsicherheitsfaktoren verbunden ist, kann doch jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass die gesetzlichen Renten nicht oder nur knapp über 0 v.H. steigen werden. Dem gegenüber hat die Pensionskasse plausibel dargelegt, dass die Betriebsrenten in absehbarer Zukunft voraussichtlich nicht mehr angepasst werden können, weil sie nach dem Wechsel ihrer Rechtsform verpflichtet ist, zusätzliche Deckungsrückstellungen vorzunehmen. Dazu sind ergänzende Ermittlungen erforderlich.