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  • 26.02.2008 | Versorgungsausgleich

    Startgutschriftenregelung der neuen VBL-Satzung für „rentenferne“ Versicherte verfassungswidrig

    von VRiOLG Hartmut Wick, Celle
    a) Die Umstellung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes von einem endgehaltsbezogenen Gesamtversorgungssystem auf ein auf dem Erwerb von Versorgungspunkten beruhendes Betriebsrentensystem durch den Tarifvertrag Altersversorgung vom 1. März 02 (ATV) und die Neufassung der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBLS) vom 22. November 02 ist als solche mit höherrangigem Recht vereinbar.  
    b) Die Berechnung der bis zum Zeitpunkt der Systemumstellung von den pflichtversicherten Angehörigen rentenferner Jahrgänge erworbenen Rentenanwartschaften und deren Übertragung in das neu geschaffene Betriebsrentensystem in Form sog. Startgutschriften ist im Grundsatz nicht zu beanstanden.  
    c) Die nach der Satzung vorgesehene Regelung, nach der in jedem Jahr der Pflichtversicherung lediglich 2,25 Prozent der Vollrente erworben werden, führt jedoch zu einer sachwidrigen, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der rentenfernen Versicherten und damit zur Unwirksamkeit der sie betreffenden Übergangs- bzw. Besitzstandsregelung.  
    (BGH 14.11.07, IV ZR 74/06, FamRZ 08, 395, Abruf-Nr. 073842)  

     

    Sachverhalt

    Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) ist der bedeutendste Träger der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes. Sie gewährt den nicht beamteten Arbeitnehmern von Bund, Ländern und Kommunen eine betriebliche Altersversorgung. Durch Neufassung ihrer Satzung hat sie ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31.12.01 umgestellt. Der Wechsel ist von den Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes vereinbart worden. Im neuen Tarifvertrag wurde das bisherige, an der Entwicklung der Beamtenpensionen orientierte Gesamtversorgungssystem aufgegeben und durch ein auf einem Punktemodell beruhendes Betriebsrentensystem ersetzt (dazu Wick, Der Versorgungsausgleich, 2. Aufl., Rn. 147 f.).  

     

    Die neue Satzung der VBL enthält Übergangsregelungen für die bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Dieser Besitzstand ist – bezogen auf den 31.12.01 – wertmäßig festzustellen und als sog. Startgutschrift auf die neuen Versorgungskonten der Versicherten zu übertragen. Dabei wird zwischen rentennahen und rentenfernen Versicherten unterschieden. Rentennah sind Versicherte, die am 1.1.02 das 55. Lebensjahr vollendet hatten, also vor dem 1.1.47 geboren sind. Ihre Startgutschrift entspricht der fiktiven Versorgungsrente, die sich zum 31.12.01 aus dem alten Gesamtversorgungssystem bei Vollendung des 63. Lebensjahres ergeben hätte, unter Abzug der im neuen System bis zu dieser Altersgrenze noch erreichbaren Betriebsrente. Die Startgutschriften rentenferner Jahrgänge sind dagegen auf der Grundlage des nach § 18 Abs. 2 BetrAVG ermittelten unverfallbaren Betrags zu berechnen. Danach werden für jedes Jahr der Pflichtversicherung 2,25 Prozent einer sog. (fiktiven) Voll-Leistung zugrunde gelegt, die sich ergibt, wenn von der höchstmöglichen Versorgungsrente nach dem alten Gesamtversorgungssystem eine näherungsweise bestimmte gesetzliche Rente als Grundversorgung in Abzug gebracht wird (§ 79 Abs. 1 VBLS).  

     

    Der Kläger, der am 1.1.02 das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, wandte sich – wie zahlreiche andere zu den rentenfernen Versicherten gehörende Versicherte – gegen die Wirksamkeit der ihnen erteilten Startgutschrift. Seiner Ansicht nach führten die maßgebenden Bestimmungen der neuen Satzung ohne ausreichende Rechtfertigung zum Eingriff in seine bisherige, verfassungsrechtlich geschützte Rentenanwartschaft. Die Beklagte stellte sich dagegen auf den Standpunkt, die Übergangsregelung der neuen Satzung halte sich im Rahmen des den Tarifvertragsparteien eröffneten Gestaltungsspielraums. Das OLG hat der Klage teilweise stattgegeben. Es hat festgestellt, dass die von der Beklagten gemäß der neuen Satzung erteilte Startgutschrift den Wert der vom Kläger erlangten Versorgungsanwartschaft nicht verbindlich festlege, weil die Übergangsregelung Grundrechte des Versicherten verletze. Die Revisionen beider Parteien blieben im Ergebnis ohne Erfolg.