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  • Unterhalt

    Richtige Einkunftsermittlung bei Selbstständigen

    von VRiOLG Dieter Büte, Bad Bodenteich/Celle

    Fehler bei der unterhaltsrechtlich relevanten Einkunftsermittlung lassen sich kaum korrigieren. Besonders schwierig ist die Einkunftsermittlung bei Selbstständigen. Die folgenden Ausführungen zeigen, worauf Sie dabei achten sollten (dazu auch Büte, FK 03, 28).

    1. Unterhaltsrechtlich sind Gewinnkorrekturen notwendig

    Der Gewinn ist in der Regel die maßgebliche Größe zur Bestimmung des Bruttoeinkommens. Er stellt aber nicht das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen dar. Vielmehr sind die allein steuerlich beachtlichen Aufwendungen von den unterhaltsrechtlich abzugsfähigen abzugrenzen (BGH FamRZ 85, 357; 87, 46, 98, 357). Dazu im Einzelnen:

    1.1 Abschreibungen müssen beachtet werden

    Kaufleute können die Aufwendungen für den Erwerb oder die Herstellung der zum Anlagevermögen gehörenden Wirtschaftsgüter (z.B. Maschinen, Computer, Fahrzeuge, Büromöbel) beginnend mit dem Anschaffungsjahr Gewinn mindernd absetzen. Die Kosten werden gemäß dem Wertverfall dieses Guts über die Dauer der betriebsgewöhnlichen Nutzung verteilt (§ 7 Abs. 1 EStG, §§ 253, 254 HGB; Absetzungen für Abnutzung [AfA]).

    Praxishinweis: Die Grundsätze der AfA gelten für bilanzpflichtige Kaufleute (§ 4 Abs. 1 EStG) und für Freiberufler sowie Kleingewerbetreibende (§ 4 Abs. 3 S. 3 EStG). Einzelheiten über die Zahl und Zusammensetzung der abgeschriebenen Wirtschaftsgüter folgen aus dem zur Bilanz gehörenden Anlagespiegel. Bemessungsgrundlage sind die tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten (Nominalwertprinzip). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz stellen die so genannten geringwertigen Wirtschaftsgüter dar. Diese können im ersten Wirtschaftsjahr voll abgeschrieben werden, sofern die Anschaffungs- oder Herstellungskosten 410 EUR nicht übersteigen, § 6 Abs. 2 S. 1 EStG.

    1.2 Es gibt verschiedene Formen der Abschreibung

    Das Steuerrecht kennt folgende Arten der Abschreibung (Doerges, FamRZ 85, 761):

    1.3 Nicht alle Abschreibungen werden unterhaltsrechtlich berücksichtigt

    Dem durch die Abschreibung pauschal berücksichtigten Verschleiß von Gütern des Anlagevermögens entspricht oft keine Wert- oder Einkommensminderung des Selbstständigen (BGH FamRZ 80, 770; 98, 357). Aus den Gewinn- und Verlustrechnungen oder der Einnahmeüberschussrechnung können daher Abschreibungen nur in Höhe des tatsächlichen Wertverlusts berücksichtigt werden. Führt die Abschreibung zur Bildung stiller Reserven, müssen sie das Einkommen erhöhend berücksichtigt werden. Die unterhaltsrechtliche Anerkennung von Abschreibungen ist streitig (Kleinle, FamRZ 98, 1346; Leitlinien der OLG enthalten z.T. widersprüchliche Regelungen). Dazu folgende Übersicht:

    Praxishinweis: Streitig ist, wie das Problem zu lösen ist, dass die steuerrechtlich berücksichtigte Wertminderung nicht immer der tatsächlichen entspricht:

    • Teilweise erfolgt eine pauschale Verringerung der Abschreibungspositionen (OLG Hamm FamRZ 99, 1349: 2/3; Oldenburger Leitlinien I 3 c: bis zu 1/2, ansonsten konkrete Darlegung erforderlich).
    • Nach anderer Auffassung wird die Lebensdauer der Wirtschaftsgüter geschätzt(§ 287 ZPO; BGH FamRZ 80, 770; 98, 359; OLG Koblenz FRP 02, 63).
    • Vielfach wird auch die Ansicht vertreten, dass die in den steuerlichen AfA-Tabellen wiedergegebenen Erfahrungssätze den Wertverzehr zutreffend wiedergeben (OLG Köln FamRZ 96, 966; OLG Brandenburg NJW-RR 98, 217).

    M.E. ist der dritten Meinung aus Gründen der Praktikabilität zu folgen. Hier sind Sachverständigengutachten entbehrlich. Die steuerlichen Abschreibungsbeträge entwickeln sich fort (vgl. die AfA-Sätze und den Abschreibungszeitraum für Pkw).

    Bei fremdfinanzierten Investitionen in das Anlagevermögen sind auch die Zinsen abzugsfähig (Laws, FamRZ 00, 588 ), da auch sie die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten mindern. Tilgungsleistungen können nicht abgesetzt werden, da sowohl diese als auch die Abschreibungen eine Verteilung der Anschaffungskosten auf mehrere Jahre darstellen (OLG Hamm NJW-RR 91, 1474; a.A. Luthin/Margraf, Handbuch des Unterhaltsrechts, 9. Aufl., Rn. 1182).

    1.4 Betriebliche und private Ausgaben müssen abgegrenzt werden

    Die Lebensführungskosten müssen von den Betriebs-/Praxisausgaben abgrenzt werden. Die steuerliche Betrachtung ist für das Unterhaltsrecht nicht bindend. Grundsätzlich prüfenswert sind folgende in der Gewinn- und Verlustrechnung aufgeführte Aufwendungen:

    2. Privatentnahmen mindern das Betriebsvermögen

    Entnahmen sind u.a. die Verwendung von Wirtschaftsgütern zu betriebsfremden Zwecken ohne grundsätzliche Beeinflussung des Unternehmensgewinns (OLG Dresden FamRZ 99, 850). Bei einer Gewinnübersteigung mindern sie das Eigenkapital und können zur Überschuldung führen. Der Unterhalt darf nicht nach den Privatentnahmen bemessen werden, wenn das Betriebsvermögen wesentlich durch Kredite belastet oder durch Geschäftsverluste erschöpft ist (OLG Hamm FamRZ 97, 674). Bei unklaren wirtschaftlichen Verhältnissen sollen die Privatentnahmen einen Anhaltspunkt für die Höhe der verfügbaren Einkünfte geben, besonders, wenn der Selbstständige die steuerlichen Unterlagen manipuliert und die Gewinnermittlung erschwert (OLG Dresden, a.a.O.). Wird der Unterhalt nach den Privatentnahmen bemessen, sind die für den gleichen Zeitraum geleisteten Privateinlagen und von den Entnahmen gezahlte persönliche Steuern und Vorsorgeaufwendungen in angemessener Höhe abzuziehen (OLG Dresden a.a.O.).

    3. Unterhaltsrechtlich relevante Abzüge berücksichtigen

    Bei der unterhaltsrechtlichen Einkunftsermittlung müssen auch Steuern und Vorsorgeaufwendungen für Krankheit und Alter vom Gewinn abgezogen werden. Dazu wie folgt:

    3.1 BGH wendet bei der Ermittlung der abzugsfähigen Steuern das In-Prinzip an

    Beim In-Prinzip werden Steuern grundsätzlich i.d. Höhe angerechnet, in der sie im Prüfzeitraum (drei Jahre) entrichtet wurden (BGH FamRZ 80, 984; 85, 911; 88, 486; 90, 981): Vorauszahlungen für das laufende Jahr (einschließlich der durch Steuerabzug erhobenen Einkommen- und der anzurechnenden Körperschaftssteuer bei Einkommen aus Kapitalvermögen) zuzüglich Vorauszahlung und abzüglich Erstattungen für die Vorjahre.

    Praxishinweis: Die Steuererstattungen und -zahlungen entsprechen nicht den Jahreseinkünften. Steigen die Einkünfte, werden zu geringe, sinken sie, werden zu hohe Steuerverbindlichkeiten berücksichtigt. Das In-Prinzip eröffnet Manipulationsmöglichkeiten: Wer in Krisenzeiten Rückstände auflaufen lässt, kann später höhere Belastungen aufweisen. Eine Ausnahme vom In-Prinzip macht der BGH bei Selbstständigen, die sich an Abschreibungsgesellschaften oder Bauherrenmodellen beteiligen (FamRZ 87, 730). Der Unterhaltspflichtige behält die Steuerersparnis. Die Steuerlast wird fiktiv berechnet, indem das steuerpflichtige Einkommen um den steuerlich anerkannten Verlustabzug erhöht wird. Auf dieser Grundlage wird aus der Steuertabelle der Steuerbetrag ermittelt.

    Zum Teil wird daher das so genannte Für-Prinzip angewendet (OLG Hamm FamRZ 95, 1153; Blaese, FamRZ 94, 216). Angesetzt werden die für das jeweilige Kalenderjahr veranlagten Steuern, die sich aus den Einkommensteuerbescheiden ergeben.

    Praxishinweis: Wird die steuerrechtliche Gewinnermittlung unterhaltsrechtlich korrigiert, ist auch eine Korrektur des Steuerabzugs notwendig. Bleiben finanzielle Belastungen unterhaltsrechtlich unberücksichtigt, müssen die steuerrechtlichen Vorteile dem Selbständigen verbleiben (Weychhardt, FamRZ 99, 1407). Die fiktive Steuerlast muss ermittelt werden, die sich ergeben würde, wenn der Selbstständige von der unterhaltsrechtlich beanstandeten Investition abgesehen oder eine den tatsächlichen Wertverzehr entsprechende Abschreibungsform gewählt hätte. Es gelten dieselben Grundsätze wie bei der Behandlung negativer Einkünfte aus der Beteiligung an Bauherrenmodellen (BGH FamRZ 87, 36). Ist keine fiktive Steuerberechnung möglich, sollte das Für-Prinzip unter Berücksichtigung der veranlagten Steuern Anwendung finden. Die fiktive Steuer muss auf die partiellen unterhaltsrechtlichen Korrekturen geschätzt werden (§ 287 Abs. 2 ZPO).

    3.2 Angemessene Vorsorgeaufwendungen für Krankheit und Alter abziehen

    Bei Selbstständigen oder sonstigen Erwerbseinkommen können die Beiträge für eine freiwillige Kranken-, Pflege-, Unfall- und Altersrentenversicherung abgezogen werden. Die Angemessenheit richtet sich bei der Krankenversicherung nach den Kosten einer Privatversicherung einschließlich Zusatzversicherungen, bei der Altersvorsorge nach den Beitragssätzen der gesetzlichen Rentenversicherung und Zusatzbeiträge wie z.B. „Riester-Rente“.

    Praxishinweis: Abzugsfähig sind nur die tatsächlich geleisteten Aufwendungen. Ein fiktiver Abzug kommt nicht in Betracht. Indiz für die Angemessenheit ist auch, in welcher Höhe bereits während der Ehe entsprechende Aufwendungen getätigt worden sind.

    4. Darlegungs- und Beweislast

    Darlegungs- und beweispflichtig für die Einkommenshöhe und den ehe angemessenen Bedarf ist der Unterhaltsberechtigte. Die zur Einkommensermittlung erforderlichen Tatsachen gehören aber zum Wahrnehmungsbereich des Unterhaltspflichtigen. Dieser muss sich entsprechend der unterhaltsrechtlichen Auskunftspflicht dazu äußern. Unterlässt er dies, gelten die Tatsachenbehauptungen des Unterhaltsberechtigten als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO; BGH FamRZ 87, 259; OLG Hamm NJW-RR 91, 1286).

    Quelle: Familienrecht kompakt - Ausgabe 03/2003, Seite 41

    Quelle: Ausgabe 03 / 2003 | Seite 41 | ID 102845