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  • 26.08.2008 | Unterhalt

    Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in der Unterhaltsberechnung

    von RA Thurid Neumann, FA Familienrecht, Konstanz

    Die Berücksichtigung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (V + V) bereitet bei der Unterhaltsberechnung oft Schwierigkeiten. Der folgende Beitrag erläutert, wie Sie diese Einkünfte steuerrechtlich und auch unterhaltsrechtlich richtig ermitteln.  

     

    Steuerrechtliche Ermittlung

    Gemäß § 2 Nr. 2 EStG sind Einkünfte aus V + V sog. Überschusseinkünfte. Zu deren Ermittlung bedarf es einer Aufstellung der Bruttoeinkünfte und Werbungskosten, §§ 8, 9 EStG. Zu den Einnahmen gehören sämtliche Miet- oder Pachtzinsen, auch Mietvorauszahlungen, Miet- und Baukostenzuschüsse, ebenso wie Zahlungen des Mieters auf Nebenkosten für Wasser, Abwasser, Heizung, Strom, Müllabfuhr etc. Auch Schadenersatz, den der Mieter oder Pächter wegen einer Vertragsverletzung zahlen muss und Entschädigungszahlungen für entgangene Miet- und Pachtzinsen sind Einnahmen. Bezahlt der Mieter keinen Barzins, sondern erbringt stattdessen Sach- oder Dienstleistungen, zählen diese ebenfalls zu den Einnahmen. Werden seine Bau- oder Reparaturaufwendungen mit der Miete verrechnet, sind diese als Einnahmen zu werten (Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 6. Aufl., § 1 Rn. 296).  

     

    Werbungskosten sind von den Einnahmen abzuziehen, wenn es sich um Kosten handelt, die vom Vermieter bezahlt und nicht auf den Mieter umgelegt wurden, z.B. Grundsteuer, Gebühren für Wasser und Abwasser, Müllabfuhr, Strom, Gas, Straßenreinigung, Fahrstuhl, Hauslicht, Hausmeister, etc. Abzugsfähig sind auch notwendige Reisekosten zum Mietobjekt, sowie Prozesskosten wegen Miet- und Räumungsprozessen, Prämien für notwendige Hausversicherungen (z.B. Sachhaftpflicht und Gebäudebrandversicherung) sowie notwendige Erhaltungsaufnahmen. Dazu gehören sowohl Kosten für Instandhaltungs- als auch Schönheitsreparaturen. Aufwendungen, die der Vermögensbildung dienen (Wert steigernde Verbesserungen), sind dagegen nicht abzugsfähig. Rücklagen sind abzugsfähig, wenn konkrete Instandhaltungsmaßnahmen bevorstehen und diese sich im Rahmen der voraussichtlichen Instandhaltungskosten halten. Nach einer Eigentümerordnung pauschal zu leistende Rücklagen sind grundsätzlich zu berücksichtigen (Wendl/Staudigl, a.a.O., § 1 Rn. 298 und 299). Steuerrechtlich abzugsfähig sind auch Kredit- und Finanzierungskosten, nicht dagegen Tilgungen. Ebenso sind steuerrechtlich Abschreibungen für Gebäudeabnutzung (AfA) möglich.  

     

    Beispiel: Überschussrechnung bei Einkünften aus V + V

    Überschussrechnung zur V + V (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 EStG i.V. mit § 21 EStG) für den Veranlagungszeitraum 2008; Anwesen ..., Einkünfte aus Eigentumswohnung Wohnung 3, 4 Zimmer Erdgeschoss:  

     

    Einnahmen 

    Netto Kaltmiete p.a (1.200 EUR x 12).  

    14.400,00 EUR  

    Umlagefähige Betriebskosten p.a. (250 EUR x 12)  

    3.000,00 EUR  

     

    17.400,00 EUR  

     

     

    Werbungskosten 

    AfA linear 2 % p.a. / 150.000 EUR 

    ./. 3.000,00 EUR  

    AfA Einbauküche 10 % p.a / 7.000 EUR  

    ./. 700,00 EUR  

    Geldbeschaffungskosten p.a.  

    ./. 800,00 EUR  

    Hypothekenzinsen p.a.  

    ./. 4.000,00 EUR  

    Verwalterhonorar zzgl. 19 % USt p.a. 

    ./. 300,00 EUR  

    Betriebskosten gemäß Verwalterabrechnung p.a.  

    ./. 1.793,00 EUR  

    Erhaltungsaufwand p.a.  

    ./. 375,00 EUR  

    Gewinn (17.400 EUR ./. 10.968 EUR)  

    6.432,00 EUR  

     

     

    Unterhaltsrechtliche Ermittlung

    Die steuerrechtlich ermittelten Einkünfte aus V + V sind nicht identisch mit dem unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen.  

     

    Abschreibungen für Gebäudeabnutzung: Unterhaltsrechtlich sind Abschreibungen für Gebäude-AfA nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen (BGH FamRZ 97, 281).  

     

    Tilgungen: Bei Tilgungsleistungen ist wie folgt zu differenzieren:  

     

    • Alleineigentum: Hier dient Tilgung der einseitigen Vermögensbildung. Diese ist nur unter zwei Voraussetzungen zu berücksichtigen:
    • Es handelt sich um eine angemessene Altersversorgung z.B. bei Selbstständigen oder um eine zusätzliche Altersversorgung in Höhe von 4 % des Jahresbruttoeinkommens des Vorjahres (BGH FamRZ 05, 1817).
    • Es handelt sich um einen im Verhältnis zum Einkommen angemessenen Betrag (BGH FamRZ 84, 149; vgl. Wendl/Staudigl, a.a.O., § 1 R. 660).

     

    • Miteigentum der Eheleute: Die Tilgung dient der gemeinsamen Vermögensbildung und ist daher auch nach der Trennung und Scheidung bis zur Vermögensauseinandersetzung zu berücksichtigen. Zahlt nur einer der Eheleute die Tilgungsraten, werden diese auf seiner Seite unterhaltsrechtlich in voller Höhe einkommensmindernd berücksichtigt. Dafür erfolgt kein Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 Abs. 1, S. 1 BGB.

     

    Beispiel 1: Alleineigentum eines Ehegatten

    Ehefrau F hat ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von 1.000 EUR. Sie begehrt Trennungsunterhalt von ihrem Ehemann M. Sein bereinigtes Nettoeinkommen beträgt monatlich netto 2.000 EUR. M ist Alleineigentümer einer vermieteten Immobilie, aus der er folgende Einkünfte erzielt.  

     

    Überschuss gemäß der Steuererklärung monatlich (6.432 EUR : 12)  

    536,00 EUR  

    zzgl. Gebäude-AfA monatlich (3.000 EUR : 12)  

    250,00 EUR  

     

    786,00 EUR  

    Tilgung des M monatlich  

    ./. 400,00 EUR  

     

    Die Tilgungszahlungen des M mit monatlich 400 EUR dienen der einseitigen Vermögensbildung. Aufgrund der nicht gehobenen wirtschaftlichen Verhältnisse handelt es sich nicht um eine angemessene Vermögensbildung. Es können jedoch 4 % des Vorjahresbruttoeinkommens als zusätzliche angemessene Altersvorsorge einkommensmindernd berücksichtigt werden. Bei einem angenommenen Jahresbruttoeinkommen von 40.000 EUR sind dies monatlich 133 EUR. Der Unterhalt der F ermittelt sich danach wie folgt:  

     

    2.000 EUR ./. 133 EUR  

    1.867,00 EUR  

    hiervon 9/10 (gemäß süddeutschen Leitlinien)  

    1.680,30 EUR  

    zzgl. Einkünfte aus V + V  

    786,00 EUR  

    zzgl. Einkommen Ehefrau: 9/10 x 1.000 EUR  

    900,00 EUR  

     

    3.366,30 EUR  

    Bedarf der F nach Halbteilungsgrundsatz  

    1.683,15 EUR  

    abzüglich eigene Einkünfte der F (9/10 x 1.000 EUR)  

    ./. 900,00 EUR  

     

    783,15 EUR  

     

    F kann von M 783,15 EUR an Trennungsunterhalt verlangen.  

     

     

    Abwandlung 1: Miteigentum

    Im Beispiel 1 steht die vermietete Immobilie im Miteigentum von M und F. Die um Gebäude-AfA bereinigten Einkünfte aus V + V betragen monatlich 786 EUR, die Tilgung 400 EUR. Bezieht M die Einkünfte aus V + V und übernimmt er auch sämtliche damit zusammenhängenden Ausgaben sowie die Tilgungsbeträge, ergibt sich folgende Unterhaltsberechnung:  

     

    2.000 EUR x 9/10 + 1.000 EUR x 9/10 + 786 EUR ./. 400 EUR  

    3.086,00 EUR  

    Bedarf der F nach Halbteilungsgrundsatz  

    1.543,00 EUR  

    abzüglich eigene Einkünfte der F (9/10 x 1.000 EUR)  

    ./. 900,00 EUR  

     

    643,00 EUR  

     

    F kann von M 643 EUR an Trennungsunterhalt verlangen.  

     

    Abwandlung 2: Jeder Ehegatte hat eine in seinem Alleineigentum stehende Immobilie

    Im Beispiel 1 ist M Alleineigentümer einer vermieteten Immobilie. Die um Gebäude-AfA bereinigten Einkünfte aus V + V betragen monatlich 786 EUR, die Tilgung 300 EUR. F ist auch Alleineigentümerin einer vermieteten Immobilie. Die um Gebäude-AfA bereinigten Einkünfte aus V + V betragen monatlich 450 EUR, die Tilgung 500 EUR.  

     

    Die jeweiligen Tilgungszahlungen dienen der einseitigen Vermögensbildung und sind bei den Einkommensverhältnissen auch keine angemessene Vermögensbildung. Zu berücksichtigen sind daher jeweils nur 4 % des Vorjahresbruttoeinkommens. Bei M sind dies monatlich 133 EUR. Bei F beim Jahresbruttovoreinkommen von 18.000 EUR monatlich 60 EUR. Es ergibt sich folgende Unterhaltsberechnung:  

     

    Einkommen M 2.000 EUR ./. 133 EUR  

    1.867,00 EUR  

    9/10 davon (gemäß süddeutschen Leitlinien)  

    1.680,30 EUR  

    zzgl. V + V  

    786,00 EUR  

    Summe  

    2.466,30 EUR  

     

     

    Einkommen F 1.000 EUR ./. 60 EUR  

    940,00 EUR  

    9/10 davon  

    846,00 EUR  

    zzgl. V + V  

    450,00 EUR  

     

    1.296,00 EUR  

    Summe Einkünfte M + F  

    3.762,30 EUR 

    Bedarf der F nach Halbteilungsgrundsatz  

    1.881,15 EUR 

    abzüglich Einkünfte F  

    ./.  296,00 EUR  

     

    585,15 EUR  

     

    F kann von M 585,15 EUR an Trennungsunterhalt verlangen.  

     

     

    Es gelten folgende Besonderheiten:  

     

    • Zugrunde zu legender Zeitraum für Einkünfte aus V + V: Bei schwankenden Mieteinnahmen ist ein möglichst zeitnaher Mehrjahresdurchschnitt zu nehmen (BGH FamRZ 86, 48; FK 07, 199, Abruf-Nr. 072624).

     

     

    • Während der Trennungszeit ist der Vorteil mietfreien Wohnens nur insoweit zu berücksichtigen als er sich als angemessene Wohnungsnutzung durch den in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten darstellt. Maßgebend ist der Mietzins, den der Ehegatte für eine dem ehelichen Lebensstandard entsprechend kleinere Wohnung zahlen müsste. Ausnahme: Der BGH legt den vollen Wohnwert zugrunde, wenn nicht mehr mit einer Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu rechnen ist und auch dem in der Wohnung verbliebenem Ehegatten die Verwertung zugemutet werden kann (FK 08, 91, Abruf-Nr. 080907).

     

    • Regelmäßig bezahlte Zins- und Tilgungszahlungen sind während der Trennungszeit beim Bedarf grundsätzlich voll und nicht beschränkt auf die Höhe des angemessenen Wohnvorteils zu berücksichtigen. Ausnahme: Der BGH berücksichtigt bereits beim Bedarf die Tilgung nur so lange, wie sie beiden Ehegatten zugute kommt, also keine einseitige Vermögensbildung vorliegt (FK 08, 91, Abruf-Nr. 080907).

     

    • Bei Bedürftigkeit sind die Zins- und Tilgungszahlungen maximal in der Höhe der eigenen Einkünfte und des Wohnvorteils zu berücksichtigen, weil andernfalls durch die Kreditraten der Bedarf erhöht werden würde.

     

    Beispiel 2: Negativer Wohnwert

    F hat ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von 500 EUR. Sie begehrt Trennungsunterhalt von M. Sein bereinigtes Nettoeinkommen beträgt monatlich netto 3.000 EUR. F hat einen Wohnvorteil von 500 EUR. Sie zahlt Zins und Tilgung von 1.200 EUR monatlich.  

     

    Bedarf der F  

     

    Einkommen M 3.000 EUR x 9/10  

    2.700,00 EUR  

    Einkommen F 500 EUR 9/10  

    450,00 EUR  

    Wohnvorteil der F  

    500,00 EUR  

     

    3.650,00 EUR  

    abzüglich Zins- und Tilgungszahlungen der F  

    ./. 1.200,00 EUR  

     

    2.450,00 EUR  

    Bedarf der F nach Halbteilungsgrundsatz  

    1.225,00 EUR  

    Bedürftigkeit der F  

     

    abzüglich Einkommen F  

    ./. 450,00 EUR  

    abzüglich Wohnvorteil der F  

    ./. 500,00 EUR  

    zzgl. der Zins- und Tilgungszahlungen der F von 1.200 EUR, jedoch beschränkt auf Summe der Einkünfte (450 EUR) + Wohnvorteil (500 EUR)  

     

    950,00 EUR  

     

    1.225,00 EUR  

     

     

    F kann von M 1.225 EUR an Trennungsunterhalt verlangen.  

     

     

     

    Quelle: Ausgabe 09 / 2008 | Seite 148 | ID 121204