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  • Scheidungsrecht
    Wie kann der Antragsgegner
    die Scheidung verhindern?
    von VRiOLG Dieter Büte, Bad Bodenteich/Celle
    Häufig möchte nur einer der beiden Ehegatten die Scheidung, während der andere versucht, die Ehe zu retten. Der folgende Beitrag zeigt die Möglichkeiten auf, ob und gegebenenfalls wie ein scheidungsunwilliger Ehepartner die Scheidung verhindern oder verzögern kann.
    Mindesttrennungsdauer der Ehegatten beträgt ein Jahr
    Gemäß dem Zerrüttungsprinzip kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist (§ 1565 Abs. 1 S. 1 BGB). Dies ist der Fall, wenn keine Lebensgemeinschaft mehr besteht und ihre Wiederherstellung auch nicht mehr zu erwarten ist (§ 1565 Abs. 1 S. 2 BGB). Das Gesetz unterscheidet folgende Trennungsfristen, um leichtfertige Scheidungen zu vermeiden:
  • Trennung unter einem Jahr (§ 1565 Abs. 2 BGB),
  • Trennung zwischen einem und drei Jahren (§ 1566 BGB) und
  • Trennung von mehr als drei Jahren (§ 1568 BGB).
    1. Unzumutbare Härte bestreiten
    Bei einer Trennungszeit von unter einem Jahr kann eine Ehe nur geschieden werden, "wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde". An das Vorliegen der unzumutbaren Härte sind strenge Anforderungen zu stellen (OLG Köln FamRZ 97, 24; OLG Düsseldorf FamRZ 00, 286). Die - möglicherweise feststehende - Tatsache, dass die Ehe auf Seiten des Antragstellers (eventuell einseitig) gescheitert ist, reicht nicht aus. Vielmehr muss die Fortsetzung der Ehe aus der in der Person des Partners liegenden Gründen über die Erkenntnis des Scheiterns der Ehe hinaus eine besondere psychische Belastung für den Antragsteller darstellen (BGH FamRZ 81, 127). Der Antragsgegner muss also zur Verhinderung/Verzögerung der Scheidung die unzumutbare Härte bezüglich der Fortsetzung der Ehe bestreiten.
    Praxishinweis: Den Antragsteller trifft die Beweislast für die Voraussetzung des § 1565 Abs. 2 BGB, und zwar auch für die Dauer des Getrenntlebens. Das Gericht darf nicht von Amts wegen prüfen, ob das Trennungsjahr abgelaufen ist (str., vgl. auch Johannsen/Henrich/Jaeger Eherecht, 4. Aufl. § 1565 Rn. 87 m.w.N.).
    Wird der Scheidungsantrag verfrüht vor Ablauf des ersten Trennungsjahres gestellt, sind dem Antragsteller die Kosten des zweiten Rechtszugs in analoger Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO (Rechtsmittelkosten) aufzuerlegen, wenn die Berufung nur deshalb Erfolg hat, weil inzwischen das Trennungsjahr verstrichen ist (BGH FamRZ 97, 347).
    2. Keine Scheidung beantragen oder Zustimmung verweigern
    Das Gesetz leitet aus diesen Trennungsfristen auch Zerrüttungsvermutungen ab. So wird gemäß § 1566 Abs. 1 BGB unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt. Der Scheidungsunwillige kann diese Zerrüttungsvermutung aber vermeiden, wenn die Ehegatten zwar länger als ein Jahr, aber noch keine drei Jahre getrennt leben und er dem Scheidungsantrag des anderen widerspricht. In diesem Fall fehlt es an einer übereinstimmenden Erklärung der Eheleute, dass die Ehe gescheitert ist und beide geschieden werden wollen.
    Leben die Ehegatten seit drei Jahren getrennt, wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, § 1566 Abs. 2 BGB. Auch hier muss der scheidungsunwillige Ehegatte das Scheitern der Ehe bestreiten.
    2.1 Substantiiertes Bestreiten, dass keine Lebensgemeinschaft besteht
    Wesentlich für eine eheliche Lebensgemeinschaft ist bei beiden Partnern eine eheliche Gesinnung (BGH FamRZ 89, 479), das heißt der Wille, in einer Lebensgemeinschaft mit dem Ehepartner leben zu wollen. Typisches Merkmal dafür, dass keine eheliche Lebensgemeinschaft mehr besteht, ist die räumliche Trennung. Allerdings kann allein aus dem Getrenntleben nicht die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft gefolgert werden. Auch die Tatsache, dass ein Ehegatte die Scheidung verlangt, reicht i.V. mit dem Getrenntleben für sich gesehen nicht aus (BGH FamRZ 95, 229, 231). Es ist vielmehr auf die Gründe und die voraussichtliche Dauerhaftigkeit der Trennung abzustellen.
    Praxishinweis: Ein Getrenntleben der Ehepartner kann auch in der Ehewohnung stattfinden (BGH FamRZ 78, 671). Notwendig ist jedoch eine eindeutige räumliche Aufteilung und die Existenz von zwei Haushalts- und Wirtschaftsbereichen. Der Antragsteller muss im Streitfall im Einzelnen schildern, wie das Getrenntleben in der Ehewohnung stattfindet, insbesondere, welche Räume von welchem Ehegatten benutzt werden, ob Versorgungsleistungen erbracht werden und ob sonstige Berührungspunkte bestehen oder bestanden (OLG Bremen FamRZ 00, 1417).
    2.2 Behauptung länger andauernder Versöhnungsversuche
    Nach § 1567 Abs. 2 BGB unterbricht bzw. hemmt ein Zusammenleben über kürzere Zeit, das der Versöhnung der Ehegatten dienen soll, nicht die in § 1566 BGB (Zerrüttungsvermutungen) genannten Fristen. Unternehmen Ehepartner Versöhnungsversuche (OLG Köln FamRZ 02, 239), bedeutet dies also nicht immer, dass das Getrenntleben endet und die Trennungszeit nach Scheitern des Versöhnungsversuches neu zu laufen beginnt. Vielmehr muss das räumliche Zusammenleben, das heißt die Wiederaufnahme einer mindestens eingeschränkten häuslichen Gemeinschaft über längere Zeit andauern. Behauptet also der Scheidungsunwillige länger andauernde Versöhnungsversuche, die letztlich gescheitert sind, beginnt die Trennungsfrist erneut zu laufen.
    Praxishinweis: Die Rechtsprechung und Literatur beantworten die Frage, was unter längerer/kürzerer Zeit zu verstehen ist, uneinheitlich. Es besteht jedoch Einigkeit, dass für die Jahresfrist nach den §§ 1565 Abs. 2, 1566 Abs. 1 BGB drei Monate die Obergrenze für "kürzere Zeit" i.S. des § 1567 Abs. 2 darstellen (vgl. die Nachweise bei Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O. § 1567 Rn. 34).
    Der Scheidungsunwillige kann auch bestreiten, dass das Zusammenleben Versöhnungszwecken dient, denn damit wird letztlich die Trennung bestritten. Er trägt allerdings die Beweislast dafür, dass das Zusammenleben nicht Versöhnungszwecken gedient oder zu einer echten Versöhnung geführt oder länger als "eine kurze Zeit" gedauert hat (OLG München FamRZ 90, 885; OLG Zweibrücken FamRZ 97, 1212).
    3. Härtegründe des § 1568 BGB darlegen
    Selbst wenn ein scheidungswilliger Ehepartner bei einer Trennungszeit von weniger als drei Jahren nachweisen kann, dass die Ehe gescheitert ist oder selbst wenn die Eheleute mehr als drei Jahre voneinander getrennt gelebt haben, darf bei Vorliegen der in § 1568 BGB geregelten Härtegründe die Ehe nicht geschieden werden.
    3.1 Scheidungsverweigerung muss dem Kindeswohl dienen
    Wenn und solange die Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder aus besonderen Gründen ausnahmsweise notwendig ist, darf eine gescheiterte Ehe nicht geschieden werden (so genannte Kinderschutzklausel, § 1568 HS. 1 BGB).
    Praxishinweis: Nicht zu den "besonderen Gründen" i.S. des § 1568 BGB zählen alle die für die Kinder nachhaltigen Folgen, die auf der Trennung der Eltern beruhen (z.B. Verlust des zweiten Elternteils bei der kontinuierlichen Erziehung bzw. Betreuung und Krankheitszeiten, Probleme beim Umgangsrecht und Unterhalt, wirtschaftliche Nachteile).
    Es kommen nur die schädlichen Folgen in Betracht, die infolge der Scheidung zu den trennungsbedingten Nachteilen hinzutreten. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. In erster Linie kommen immaterielle, psychische Gründe in Betracht:
  • Die Voraussetzungen der Kinderschutzklausel können gegeben sein, wenn die Gefahr besteht, dass ein minderjähriges Kind bei der Scheidung der Ehe Selbstmord begeht (OLG Hamburg FamRZ 86, 469), allerdings nur, wenn trotz sachverständiger Beratung und Behandlung es nicht gelingt, die Gefahr abzuwenden.
  • Die Kinderschutzklausel greift nicht ein, wenn sich das Kind dem Elternteil, bei dem es lebt, nicht besonders verbunden fühlt, z.B. weil das Kind noch so klein ist, dass es zu dem betreffenden Elternteil noch keine eigene, gefestigte Beziehung aufbauen konnte (OLG Köln FamRZ 98, 827).
    Praxishinweis: Die Kindesinteressen werden von Amts wegen beachtet. Die Beweislast für das Nichteingreifen der Kinderschutzklausel trifft im Interesse des Kindeswohls den Antragsteller (str., so aber Johannsen/Henrich/Jaeger, EheR, a.a.O., § 1568 Rn. 43).
    3.2 Scheidungsverweigerung erfolgt zum Wohl des Scheidungsunwilligen
    Wenn und solange die Scheidung für den Antragsgegner, der sie ablehnt, auf Grund außergewöhnlicher Umstände eine so schwere Härte darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe auch unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers ausnahmsweise geboten erscheint, darf auch eine gescheiterte Ehe nicht geschieden werden (so genannte Ehegattenschutzklausel, § 1568 HS. 2 BGB).
    Außer Betracht bleiben Härten, die schon durch die Zerstörung des ehelichen Verhältnisses eingetreten sind und die durch die Ehescheidung nicht mehr verstärkt werden (BGH FamRZ 81, 1161; OLG Stuttgart FamRZ 92, 320; OLG Hamm FamRZ 90, 60). Abzustellen ist nicht auf die objektive Sachlage, sondern wesentlich auf die sichtbar gewordenen psychischen Momente (BGH FamRZ 79, 422). Auch wirtschaftliche Härten sind in die Gesamtwürdigung miteinzubeziehen (BGH FamRZ 85, 912, 13; OLG Karlsruhe FamRZ 90, 630). Die Berufung auf die Härteklausel hängt auch nicht davon ab, dass der scheidungsunwillige Ehegatte aus innerer Bindung an der Ehe festhält (BGH FamRZ 85, 905).
    Keine "außergewöhnlichen Umstände" sind:
    Übersicht: "Keine außergewöhnlichen Umstände"
  • allein die lange Dauer der Ehe,
  • hohes Alter des Antragsgegners und angegriffener Gesundheitszustand, wenn keine weiteren belastenden Umstände hinzutreten (OLG Nürnberg FamRZ 79, 818);
  • einseitiges Ausbrechen des Antragstellers aus der Ehe durch Aufnahme enger Beziehungen zum neuen Partner (BGH FamRZ 81, 1161);
  • moralisches Versagen des Antragstellers, der es unterlässt, einer psychisch labilen Antragsgegnerin bei der Betreuung des gemeinsamen nervengeschädigten Kindes zu helfen (OLG Celle FamRZ 78, 508);
  • schwere Depressionen, die als Folge der Scheidung "Beeinträchtigungen körperlicher oder psychischer Art" befürchten lassen, bei denen es aber noch nicht zu einer psychischen Ausnahmesituation gekommen ist (BGH FamRZ 85, 907). Leidet ein Ehegatte an Depressionen, so steht dies der Scheidung jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Ehegatte therapiefähig ist (OLG Stuttgart NJW-RR 92, 1093);
  • Gefahr für den ausländischen Antragsgegner, infolge der Scheidung ausgewiesen zu werden und damit den guten Arbeitsplatz zu verlieren (OLG Karlsruhe FamRZ 90, 630; OLG Nürnberg FamRZ 96, 35);
  • fehlende Absicherung der Altersversorgung, wenn die Antragsgegnerin infolge der Scheidung ihre Anwartschaft auf Witwenrente verliert und die überwiegenden Versorgungsanwartschaften des Antragstellers nur schuldrechtlich auszugleichen sind (BGH FamRZ 85, 912);
  • 50-jähriges Wohnen im ehelichen Heim, das der Antragsgegner im Zuge der scheidungsbedingten vermögensrechtlichen Auseinandersetzung voraussichtlich räumen muss (BGH FamRZ 84, 559).
    Außergewöhnliche Umstände sind in folgenden Fällen bejaht worden:
    Übersicht: "Außergewöhnliche Umstände"
  • lange Ehedauer (34 Jahre bis zum Scheidungsantrag), gemeinsames Überstehen einer wirtschaftlichen Krise, Erbringung erheblicher eigener wirtschaftlicher Mittel und außergewöhnlichen Einsatzes durch den Antragsgegner (BGH FamRZ 79, 422);
  • langjährige Ehe (35 Jahre), aus der ein schwer geistig behindertes, immer erwerbsunfähig gebliebenes Kind hervorgegangen ist, das die Antragsgegnerin allein betreut (OLG Hamm FamRZ 85, 189);
  • Spätstadium eines Krebsleidens mit einer Lebenserwartung von noch einem Jahr (OLG Karlsruhe FamRZ 79, 512);
  • Spätstadium einer multiplen Sklerose (BGH FamRZ 85, 905);
  • bei Selbstmordgefahr kommt es darauf an, ob der drohende Schritt des Antragsgegners eine von ihm zu verantwortende Fehlreaktion darstellt (hier: keine Anwendung der Eheschutzklausel) oder aus einer von ihm nicht steuerbaren psychischen Ausnahmesituation resultiert (BGH FamRZ 84, 559; OLG Hamm FamRZ 90, 60; KG FamRZ 83, 1133: Depression mit akuter Selbstmordgefahr);
  • als materielle Ausnahmeumstände sind angesehen worden der Wegfall eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes (Beihilfe des beamteten Antragstellers) beim Antragsgegner, der gesundheitlich besonders an- und hinfällig ist und während der Ehe besonders aufwendige ärztliche und pflegerische Versorgung in Anspruch genommen hat (BGH FamRZ 81, 649, der jedoch im konkreten Fall eine unzumutbare Härte verneint hat).
    Praxishinweis: Der im Scheidungsverfahren geltende Untersuchungsgrundsatz des § 616 Abs. 1 ZPO gilt nicht für die Voraussetzungen der Ehegattenschutzklausel (§ 1568 BGB). Deshalb trägt der Antragsgegner die Beweislast für die von ihm vorgetragenen außergewöhnlichen Umstände und das Vorhandensein der als schwer zu wertenden Härteempfindung. Bleiben Zweifel, muss die Ehe geschieden werden (Johannsen/Henrich/Jaeger, EheR, a.a.O., § 1568 Rn. 42).
    Quelle: Familienrecht kompakt - Ausgabe 02/2004, Seite 32
    Quelle: Ausgabe 02 / 2004 | Seite 32 | ID 102916