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  • Der praktische Fall

    Der Verzug des Unterhaltsschuldners

    von RiOLG Dr. Frank Klinkhammer, Düsseldorf

    Beim Unterhaltsmandat ergeben sich wesentliche Weichenstellungen gleich zu Beginn der anwaltlichen Beratung. Da der Unterhalt insbesondere in zeitlicher Hinsicht umfassend zu sichern ist, gilt es, frühzeitig die Voraussetzungen für eine rückwirkende Geltendmachung zu schaffen und insbesondere den Unterhaltsschuldner in Verzug zu setzen. Dabei sind die aktuellen Änderungen der Verzugsregeln durch das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen (BGBl. 00 I, 330) und das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (BGBl. 01 I, 3183) zu beachten. Dazu folgende Einzelheiten:

    1. Unterhalt für die Vergangenheit: § 1613 BGB

    Nach § 1613 BGB kann Verwandtenunterhalt für die Vergangenheit verlangt werden nach:

    • Abs. 1 nach
    • Aufforderung zur Auskunft über Einkommen/Vermögen,
    • Verzugseintritt oder
    • Rechtshängigkeit des Unterhaltsanspruchs,
    • Abs. 2 bei
    • Sonderbedarf (Nr. 1),
    • rechtlicher Verhinderung des Berechtigten (Nr. 2a) oder
    • tatsächlicher Verhinderung des Berechtigten im Verantwortungsbereich des Pflichtigen (Nr. 2b).

    Praxishinweis: § 1613 BGB gilt entsprechend für Familienunterhalt (§ 1360a Abs. 3 BGB), Trennungsunterhalt (§ 1361 Abs. 4 BGB, § 1360a Abs. 3 BGB), den Unterhalt aus Anlass der Geburt (§ 1615l Abs. 3, 4 BGB) sowie den Unterhalt und Trennungsunterhalt des eingetragenen Lebenspartners (§§ 5, 12 LPartG).

    § 1613 BGB gilt nicht für den nachehelichen Unterhalt (vgl. Gesetzeswortlaut und h.M.: Palandt/Brudermüller, BGB, 61. Aufl., § 1585b Rn. 1; a.A.: Schwab/Maurer, Handbuch des Scheidungsrechts, 4. Aufl., I Rn. 1061: analoge Anwendbarkeit) und den nachpartnerschaftlichen Unterhalt des eingetragenen Lebenspartners (§ 16 LPartG). Hier kann laufender Unterhalt in der Regel erst ab Verzugsbeginn oder Rechtshängigkeit geltend gemacht werden (§ 1585b Abs. 2 BGB, § 16 Abs. 2 LPartG). Ausnahmen bestehen nur in den Fällen des Sonderbedarfs.

    2. Inverzugsetzung durch Mahnung

    Der Unterhaltsschuldner wird grundsätzlich durch Mahnung in Verzug gesetzt (§ 286 Abs. 1 S. 1 BGB n.F.; bis 31.12.01: § 284 Abs. 1 S.1 BGB a.F.). Der Mahnung sind Klageerhebung und Zustellung eines Mahnbescheids gleichgestellt (§ 286 Abs. 1 S. 2 BGB n.F.; § 284 Abs. 1 S. 2 BGB a.F.).

    2.1 Wer mahnt?

    Die Mahnung ist vom Unterhaltsberechtigten auszusprechen. Im Übrigen finden auf die Mahnung als geschäftsähnliche Handlung die Regeln über Willenserklärungen entsprechende Anwendung, das heißt:

    • Da die Mahnung lediglich rechtlich vorteilhaft ist, kann das beschränkt geschäftsfähige Kind nach § 107 BGB selbst wirksam mahnen (OLG Köln FamRZ 98, 94) oder einen Elternteil (wegen § 174 BGB vorsorglich schriftlich) bevollmächtigen (KG FamRZ 89, 537). Die Mahnung ist im letzteren Fall im Namen des Kindes auszusprechen. Die Geltendmachung des Kindesunterhalts im eigenen Namen des (bevollmächtigten) Elternteils ist nicht möglich. Die gesetzliche Prozessstandschaft gemäß § 1629 Abs. 3 BGB gilt nicht für die außergerichtliche Geltendmachung.
    • Beim Minderjährigenunterhalt für Kinder unter sieben Jahren muss ein Elternteil für eine wirksame Mahnung die Vertretungsmacht haben.
    • Das kann z.B. Schwierigkeiten bereiten, wenn das Kind vom bisher allein sorgeberechtigten Elternteil zum anderen Elternteil wechselt. Dieser ist (zunächst) nicht zur Mahnung berechtigt. Will er für das Kind nach dem Wechsel in seinen Haushalt das Sorgerecht erhalten, muss er erst ein Sorgerechtsverfahren nach § 1671 BGB einleiten. Zugleich ist eine vorläufige Anordnung zu beantragen, ihm das Sorgerecht in Bezug auf die Geltendmachung des Unterhalts zu übertragen. Bei der Formulierung des Antrags ist zu beachten, dass die h.M. die Geltendmachung des Unterhalts nicht als Bestandteil der Vermögenssorge ansieht, sondern der Personensorge zuordnet (Handbuch des Familienrechts/Oelkers, 3. Aufl., 4. Kap. Rn. 22).

    Praxishinweis: Eine ohne Vertretungsmacht ausgesprochene Mahnung ist nicht von vornherein unwirksam. Sie kann nach §§ 180, 177 BGB nachträglich genehmigt werden. Das setzt allerdings nach § 180 S. 2 BGB voraus, dass der Gegner – was in der Praxis selten der Fall ist – mit der Vertretung ohne Vertretungsmacht einverstanden war oder dass die Vertretungsmacht vom Vertreter behauptet und vom Gegner nicht beanstandet worden ist (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 00, 442).

    2.2 Wann wird gemahnt?

    Die Mahnung muss gemäß § 286 Abs. 1 S. 1 BGB n.F. (bisher § 284 Abs. 1 S.1 BGB a.F.) nach Eintritt der Fälligkeit erfolgen. Das hat vor allem beim nachehelichen Unterhalt Bedeutung. Da nach st. Rspr. nachehelicher Unterhalt und Trennungsunterhalt verschiedene Ansprüche sind (BGH FamRZ 92, 920), wird der nacheheliche Unterhalt erstmals nach Rechtskraft der Scheidung fällig; die Mahnung dafür kann daher erst zu diesem Zeitpunkt wirksam ausgesprochen werden (BGH FamRZ 92, 920). Vorsicht: Bei einer Verzögerung nach rechtskräftiger Scheidung geht der Unterhaltsanspruch aber teilweise verloren. Die Mahnung wirkt nicht wie bei § 1613 Abs. 1 S. 2 BGB auf den Monatsersten zurück, sondern begründet den Verzug – ab dem Zugang der Mahnung – nur ex nunc.

    Praxishinweis: Die einmal ausgesprochene Mahnung gilt auch für künftige Zeitabschnitte. Sie muss nicht monatlich wiederholt werden (BGH FamRZ 88, 370).

    2.3 Was muss die Unterhalts-Mahnung enthalten?

    Eine Mahnung ist die an den Schuldner gerichtete Aufforderung des Gläubigers, die das bestimmte Verlangen zum Ausdruck bringt, die geschuldete Leistung nunmehr unverzüglich zu bewirken. Der konkrete Inhalt der Unterhalts-Mahnung hängt davon ab, ob dem Unterhaltsberechtigten die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen vollständig bekannt sind oder nicht:

    • Einkommen und Vermögen des Unterhaltsschuldners sind bekannt:

      Sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners bekannt, ist anzugeben, welcher (monatliche) Unterhaltsbetrag ab wann und für wen verlangt wird.     

    Praxishinweis: Hier ist Vorsicht geboten. Wenn der Betrag zu niedrig gewählt ist, wird die Nachforderung der Höhe nach begrenzt (Zuwenig-Mahnung). Eine überhöhte Mahnung (Zuviel-Mahnung) ist nur ausnahmsweise – bei krassen Übertreibungen – unwirksam (Eschenbruch/Klinkhammer, Der Unterhaltsprozess, 2. Aufl., Rn. 4020).

        

    • Einkommen und Vermögen des Unterhaltsschuldners sind nicht bekannt:

      Sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners nicht oder nicht vollständig bekannt, muss eine Stufenmahnung ausgesprochen werden. Diese besteht – entsprechend der Stufenklage nach § 254 ZPO – aus der Aufforderung, Auskunft zu erteilen, sowie (auch rückwirkend) den sich aus der Auskunft ergebenden Unterhalt zu zahlen. Die Stufenmahnung wirkt auch ohne Bezifferung verzugsbegründend (BGH FamRZ 90, 283).

        

    Praxishinweis: Wird die Auskunft erteilt und sodann Unterhalt in bestimmter Höhe verlangt, befindet sich der Unterhaltsschuldner ab der Bezifferung wiederum nur in Höhe des geforderten Betrags in Verzug.

    3. Verzug ohne Mahnung

    Durch die Schuldrechtsmodernisierung sind einige bereits von der Rechtsprechung anerkannte Ausnahmen vom Mahnungserfordernis in § 286 Abs. 2 BGB n.F. aufgenommen worden. Eine Mahnung ist danach für den Verzugseintritt nicht notwendig:

    • bei kalendermäßig bestimmter Fälligkeit286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Davon sind allerdings nicht Unterhaltsforderungen erfasst (st. Rspr.: BGH FamRZ 90, 283). Eine Ausnahme liegt vor, wenn konkrete Unterhaltszahlungen vertraglich vereinbart oder in einem Urteil zugesprochen worden sind (BGH FamRZ 83, 352 m.w.N.);
    • bei ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung286 Abs. 2 Nr. 3 BGB);
    • wenn aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist286 Abs. 2 Nr. 4 BGB)

    Praxishinweis: Diese Regelung ist neu und nicht klar formuliert. Sie könnte Anlass zu der Annahme geben, dass der Verzugseintritt nunmehr generalklauselartig von einer ungewissen Interessenabwägung abhängt (kritisch daher Büttner, FamRZ 02, 361, 366). Die Neuregelung beinhaltet aber keine Änderung des bisherigen Rechtszustands. Nach der Gesetzesbegründung sollten nur einige richterlich entwickelte Fälle gesetzlich gefasst werden (vgl. http://www.lrz-muenchen.de/~Lorenz/schumod/). Dazu gehört z.B., dass sich der Schuldner der Mahnung entzieht (für die Nachforderung von Unterhalt gilt das schon – weitgehend – nach § 1613 Abs. 2 Nr. 2b BGB) oder dass er die Leistung zu einem bestimmten Termin selbst angekündigt hat (Selbstmahnung; vgl. OLG Köln NJW-RR 00, 73).

    4. Rechtsfolgen des Verzugs

    Der Verzug ermöglicht die rückwirkende Geltendmachung des Unterhalts. Nach § 1613 Abs. 1 S. 2 BGB wird der Unterhalt ab dem Ersten des Monats des Verzugseintritts geschuldet. Das gilt nicht für nachehelichen und nachpartnerschaftlichen Unterhalt.

    Praxishinweis: Nach dem Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen trat nach § 284 Abs. 3 BGB a.F. der Verzug bei Geldforderungen erst 30 Tage nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufforderung ein. Insofern handelte es sich jedoch um einen offenkundigen gesetzgeberischen Fehler (Eschenbruch/ Klinkhammer, a.a.O., Rn. 4026). Der Gesetzgeber hat dies erkannt und durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz behoben: Die Neuregelung in § 286 Abs. 3 BGB n.F. legt nun den Verzugseintritt spätestens 30 Tage nach Rechnungszugang etc. fest und gilt nunmehr für Entgeltforderungen, also nicht für den Unterhalt.

    § 284 Abs. 3 BGB a.F. ist m.E. aber auch für die Zeit seiner Geltung teleologisch zu reduzieren und auf Unterhaltsforderungen hinsichtlich der Möglichkeit rückwirkender Geltendmachung nicht anzuwenden (OLG Stuttgart NJW 02, 1354; Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1613 Rn. 1; Eschenbruch/Klinkhammer, a.a.O., Rn. 4026; a.A.: Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 284 Rn. 34).

    Nach § 288 Abs. 1 S. 1 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen betrug der Verzugszins mindestens 5 Prozent über dem Basiszins nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes (Übergangsregelung in Art. 229 § 1 EGBGB). Darunter fielen auch Unterhaltsforderungen. Nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz beträgt der jährliche Verzugszinssatz jetzt (mindestens) fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 S. 2 BGB n.F.). Dieser Basiszinssatz bestimmt sich nunmehr nach § 247 BGB und ist regelmäßig zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres anzupassen (zur Entwicklung: FK 1/02, 28; Übergangsvorschrift: Art. 229 § 7 EGBGB; Heß, NJW 02, 253). Der erhöhte Zinssatz nach § 288 Abs. 2 BGB n.F. von 8 Prozent über dem Basiszinssatz gilt nur für Entgelt- und somit nicht für Unterhaltsforderungen.

    5. Wegfall der Verzugswirkungen

    Die Verzugswirkungen entfallen – abgesehen von der Verjährung (bei wiederkehrenden Leistungen: drei Jahre, vgl. § 197 Abs. 2 BGB n.F.) – nach st. Rspr. des BGH nur durch Verzicht oder Verwirkung (BGH FamRZ 87, 40; 1988, 478). Eine Rücknahme der Mahnung ist zwar möglich, wirkt aber nur für die Zukunft (BGH FamRZ 87, 40).

    Hinzuweisen ist schließlich auf den zeitlich bedingten Anspruchsausschluss beim Sonderbedarf nach § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB sowie beim nachehelichen Unterhalt generell nach § 1585b Abs. 3 BGB: Mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit fällige Ansprüche sind grundsätzlich ausgeschlossen. Eine Ausnahme besteht nur beim absichtlichen Entziehen des Unterhaltsschuldners (zur Anwendbarkeit der Vorwirkung nach § 270 Abs. 3 ZPO: OLG Düsseldorf FamRZ 02, 327).

    Quelle: Familienrecht kompakt - Ausgabe 06/2002, Seite 71

    Quelle: Ausgabe 06 / 2002 | Seite 71 | ID 102786