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  • · Nachricht · Außergewöhnliche Belastung

    Schwierigkeiten bei der Berechnung der Opfergrenze

    von StB Jürgen Derlath, Münster

    | Unterhaltsaufwendungen werden nach § 33a Abs. 1 EStG höchstens insoweit als außergewöhnliche Belastung anerkannt, als sie einen bestimmten Prozentsatz des Nettoeinkommens nicht übersteigen. Dieser Betrag wird als Opfergrenze bezeichnet. Der Beitrag befasst sich mit der Ermittlung des Nettoeinkommens, der Berechnung der Opfergrenze und einigen Sonderfällen der Berechnung z.B. bei Selbstständigen.(Mustereinspruch) |

    1. Die Ermittlung des Nettoeinkommens

    Nach § 1603 BGB ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts Anderen Unterhalt zu gewähren. Unterhaltsaufwendungen werden daher nur insoweit als außergewöhnliche Belastung anerkannt, als sie in einem angemessenen Verhältnis zum Nettoeinkommen des Leistenden stehen und diesem nach Abzug der Unterhaltsleistungen noch die angemessenen Mittel zur Bestreitung des Lebensbedarfs für sich sowie für Ehegatte und Kinder verbleiben.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Opfergrenze gilt nicht, wenn Unterhaltszahlungen an Ehegatten, minderjährige Kinder sowie an im Haushalt des Steuerpflichtigen lebende mittellose Personen einer Solidargemeinschaft des Sozialrechts geleistet werden (BFH 28.3.12, VI R 31/11, BStBl II 12, 769; BFH 29.5.08, III R 23/07, BStBl II 09, 363).

     

    Wo im Einzelfall die steuerliche Opfergrenze liegt, hängt von der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ab. Nach Auffassung der Finanzverwaltung wird das verfügbare Nettoeinkommen von folgenden Faktoren beeinflusst (BMF 7.6.10, IV C 4 - S 2285/07/0006 : 001, BStBl I 10, 582):

     

    • Einflussfaktoren

    Das verfügbare Nettoeinkommen erhöhen:

     

    • alle steuerpflichtige Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 EStG,
    • Gewinneinkünfte i.S. der §§ 13 bis 18 EStG,
    • Überschusseinkünfte i.S. der §§ 19 bis 23 EStG (auch unter Berücksichtigung privater Veräußerungsgeschäfte),
    • alle steuerfreien Einnahmen (z.B. Kindergeld und vergleichbare Leistungen, steuerfreier Teil der Rente),
    • Steuererstattungen (Einkommensteuer, Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag).

    Das verfügbare Nettoeinkommen mindern:

     

    • Steuervorauszahlungen und -nachzahlungen,
    • Steuerabzugsbeträge (Lohn- und Kirchensteuern, Kapitalertragsteuer, Solidaritätszuschlag),
    • unvermeidbare Versicherungsbeiträge (gesetzliche Sozialabgaben bei Arbeitnehmern, gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge bei Rentnern, für alle Übrigen (z.B. Selbstständige) ab dem Veranlagungszeitraum 2010 die Beiträge zu einer Basis-Kranken- und -Pflegepflichtversicherung).
     

    Ein Unterhaltsverpflichteter hat zum Unterhalt vornehmlich die Erträge seines Vermögens heranzuziehen, muss aber u.U. nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte auch den Vermögensstamm angreifen. So muss z.B. eventuell auch Kapitalvermögen durch die Veräußerung einer Immobilie zur Befriedigung des Unterhaltsanspruchs verwendet werden.

     

    Entsprechend der Anerkennung von Schonvermögen im Sozialhilferecht wird auch im Unterhaltsrecht bis zu einem gewissen Grad vorhandenes Vermögen nicht herangezogen, das zur Bildung von Rücklagen für unvorhergesehene Ausgaben bestimmt ist bzw. das aus Gründen der Unzumutbarkeit unberücksichtigt bleibt (zur Berücksichtigung bei der Opfergrenze vgl. Tz. 3).

    2. Die Berechnung der Opfergrenze

    Die Berechnung des verfügbaren Nettoeinkommens macht man sich am besten an einem Beispiel deutlich.

     

    • Beispiel 1

    A unterstützte 2014 seine nicht mit ihm in einer Haushaltsgemeinschaft lebende Mutter. Das Nettoeinkommen des A - und daraus die Opfergrenze - errechnen sich folgendermaßen:

     

    EUR

    EUR

    EUR

    Höchstbetrag nach § 33a Abs. 1 S. 1 EStG:

    8.472

    Einkünfte aus Gewerbebetrieb

    30.000

    Verlust aus Vermietung und Verpachtung

    - 5.000

    + Einkommensteuererstattung

    + 1.000

    ./. Beiträge zur Basiskranken- und Pflegepflichtversicherung

    - 6.000

    ./. Einkommensteuervorauszahlung

    - 5.000

    Verfügbares Nettoeinkommen für die

    Berechnung der Opfergrenze:

    15.000

    Opfergrenze: 1 % je volle 500 EUR

    (max. 50 %)

    30 %

    30 % von 15.000 EUR

    (max. Höchstbetrag)

    4.500

     

     

    Maximal können also Unterhaltsleistungen in Höhe von 4.500 EUR als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden (Quelle: BMF 7.6.10, IV C 4 - S 2285/07/0006 :001).

     

    3. Besonderheiten bei Selbstständigen

    Bei der Berechnung der Opfergrenze für Selbstständige gilt es, zwei Besonderheiten zu beachten, die teilweise noch nicht in das Schreiben des BMF (7.6.10, IV C 4 - S 2285/07/0006 : 001, BStBl I 10, 582) eingearbeitet wurden oder sogar davon abweichen:

     

    • Steuerpflichtige mit schwankenden gewerblichen Einkünften,
    • Berücksichtigung eines Investitionsabzugsbetrags.

     

    3.1 Berechnung der Opfergrenze bei Selbstständigen

    Die Berechnung der nach § 33a EStG abziehbaren Unterhaltsleistungen ist bei Selbstständigen auf der Grundlage eines Drei-Jahres-Zeitraums vorzunehmen. Steuerzahlungen sind von dem hiernach zugrunde zu legenden Einkommen grundsätzlich in dem Jahr abzuziehen, in dem sie gezahlt wurden (BFH 28.3.12, VI R 31/11).

     

    • Beispiel 2

    Abwandlung zu Bsp. 1: A hat in den Jahren 2012 bis 2014 einen durchschnittlichen Gewinn i.H.v. 40.000 EUR (also 10.000 EUR mehr als im Beipiel 1) erzielt. Alle anderen Werte bleiben gleich. Das maßgebliche Nettoeinkommen liegt bei 25.000 EUR statt bei 15.000 EUR.

     

    EUR

    EUR

    EUR

    Höchstbetrag nach § 33a Abs. 1 S. 1 EStG:

    8.472

    Verfügbares Nettoeinkommen für die

    Berechnung der Opfergrenze:

    25.000

    Opfergrenze: 1 % je volle 500 EUR

    (max 50 %)

    50 %

    50 % von 25.000 EUR

    (max. Höchstbetrag)

    8.472

     

     

    3.2 Berücksichtigung eines Investitionsabzugsbetrags

    Der Investitionsabzugsbetrag ermöglicht die Verlagerung von Abschreibungspotenzial in Wirtschaftsjahre vor Anschaffung/Herstellung der begünstigten Wirtschaftsgüter und bewirkt eine zinslose Steuerstundung. Die Leistungsfähigkeit wird dadurch nicht berührt. Unterhaltsrechtlich ist der Abzugsbetrag nicht zu berücksichtigen und dem Gewinn hinzuzurechnen (BFH 6.4.14, VI R 34/12).

     

    Im Gegensatz zu den Ausführungen im Schreiben des BMF (7.6.10, IV C 4 - S 2285/07/0006 : 001, BStBl I 10, 582) ist das Nettoeinkommen um den in § 7g EStG geregelten Investitionsabzugsbetrag zu erhöhen (BFH 6.2.14, VI R 34/12). Dem Abzugsbetrag liegen mangels Investition nämlich keine Ausgaben bzw. kein Wertverzehr zugrunde, sodass die Leistungsfähigkeit effektiv nicht beeinflusst wird.

     

    • Beispiel 3

    Abwandlung von Bsp. 2: 2014 ist bei den gewerblichen Einkünften des A ein Investitionsabzugsbetrag von 5.000 EUR zu berücksichtigen.

     

    EUR

    EUR

    EUR

    Höchstbetrag nach § 33a Abs. 1 S. 1 EStG:

    8.472

    Nettoeinkommen des A:

    Einkünfte aus Gewerbebetrieb

    40.000

    + Investitionsabzugsbetrag 2014

    + 5.000

    ./. Verlust aus Vermietung und Verpachtung

    - 5.000

    + Einkommensteuererstattung

    + 1.000

    ./. Beiträge zur Basiskranken- und Pflegepflichtversicherung

    - 6.000

    ./. Einkommensteuervorauszahlung

    - 5.000

    Verfügbares Nettoeinkommen für die

    Berechnung der Opfergrenze:

    30.000

    Opfergrenze: 1 % je volle 500 EUR

    (max. 50 %)

    50 %

    50 % von 30.000 EUR

    (max. Höchstbetrag)

    8.472

     

     

    4. Einsatz eigenen Vermögens

    Werden im zu betrachtenden Jahr hohe Steuernachzahlungen oder Vorauszahlungen geleistet, sinkt die Opfergrenze. Das FG Niedersachsen (19.2.15, 16 K 10187/14, Rev. BFH VI R 21/15) hat für einen solchen Fall entschieden, dass einsatzfähiges, nicht nur geringes Vermögen des Unterhaltsverpflichteten (z.B. gebildete Rücklagen für Steuernachzahlungen o.ä.) bei der Berechnung der Opfergrenze für Unterhaltszahlungen mit einzubeziehen ist.

     

    In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung wurde die Problematik des Einsatzes von eigenem Vermögen zur Befriedigung eines Unterhaltsanspruchs noch nicht abschließend geklärt. Der BFH (4.4.86, III R 19/85, BStBl II 87, 127) hat diese Frage hinsichtlich einer Einbeziehung von Abhebungen von einem Sparbuch eines Unterhaltsverpflichteten nur dahingehend beantwortet, dass eine solche Einbeziehung jedenfalls dann nicht geboten ist, wenn der Unterhaltsverpflichtete nur über ein geringes Vermögen verfügt. Als geringfügig kann in der Regel ein Vermögen bis zu einem gemeinen Verkehrswert von 15.500 EUR angesehen werden (R 33a.1 Abs. 2 S. 3 EStH 2014).

     

    Dieses Ergebnis wurde mit einer systematischen Auslegung des § 33a Abs. 1 S. 1 EStG im Vergleich zu § 33 a Abs. 1 S. 4 EStG begründet, aus dem sich ergebe, dass der Unterhaltsberechtigte auch nicht verpflichtet werden könne, eigenes geringes Vermögen zur Bestreitung seines Lebensunterhalts einzusetzen.

     

    Stellt man insgesamt auf eine Gleichstellung von Unterhaltsberechtigtem und Unterhaltsverpflichtetem ab und berücksichtigt man, dass nach § 33a Abs. 1 S. 4 EStG der Unterhaltsberechtigte auch sein eigenes nicht nur geringfügiges Vermögen einzusetzen hat mit der Folge der fehlenden Unterhaltsbedürftigkeit, so ergibt sich für den Unterhaltsverpflichteten eine gleichlautende Verpflichtung mit der Folge, dass sich sein Nettoeinkommen entsprechend erhöhen muss.

     

    • Beispiel 4

    Wie Beispiel 3: 2014 ist bei den gewerblichen Einkünften des A ein Investitionsabzugsbetrag von 5.000 EUR zu berücksichtigen. Die Einkommensteuernachzahlung (18.000 EUR) wird mit Mitteln aus dem Sparkonto bezahlt.

     

    EUR

    EUR

    EUR

    Höchstbetrag nach § 33a Abs. 1 S. 1 EStG:

    8.472

    Einkünfte aus Gewerbebetrieb (inkl. IAB)

    45.000

    Verlust aus Vermietung und Verpachtung

    - 5.000

    + Einkommensteuererstattung

    + 1.000

    ./. Beiträge zur Basiskranken- und Pflegepflichtversicherung

    - 6.000

    ./. Einkommensteuervorauszahlung

    - 5.000

    ./. Einkommensteuernachzahlung

    - 18.000

    + eingesetzes Sparvermögen

    +15.500

    Verfügbares Nettoeinkommen für die

    Berechnung der Opfergrenze:

    27.500

    Opfergrenze: 1 % je volle 500 EUR

    (max. 50 %)

    50%

    50 % von 27.5000 EUR

    (max. Höchstbetrag)

    8.472

     

     

    Ohne die Hinzurechnung des eingesetzten Vermögens hätte das verfügbare Nettoeinkommen nur 12.000 EUR betragen. Entsprechend hätte die Opfergrenze bei 24 % x 12.000 EUR = 2.880 EUR gelegen.

     

     

    Weiterführende Hinweise

    • Einkommensteuer - Unterhaltsleistungen bei Selbstständigen berechnen (Kratzsch, PFB 12, 204)
    • Der praktische Fall - Unterhaltsaufwendungen: Zur Ermittlung der Opfergrenze bei einem Investitionsabzugsbetrag (MBP 14, 193)
    • Außergewöhnliche Belastungen - Begrenzung der Unterhaltsaufwendungen durch die Opfergrenze (Hilbertz, MBP 09, 4)
    Quelle: ID 43557177