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  • · Fachbeitrag · Abgabenordnung

    Keine Änderung wegen neuer Tatsachen, wenn das FA Ermittlungspflichten verletzt

    von StB Janine Peine, Wolfenbüttel, www.schmidt-kosanke.de

    Hätte dem Finanzamt bei pflichtgemäßer Ermittlung des Sachverhaltes eine Tatsache schon bekannt sein können, ist eine spätere Änderung nach § 173 AO nicht mehr möglich. Dieses gilt auch, wenn der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht ebenfalls verletzt hat, jedoch in deutlich geringerem Maße als das Finanzamt (FG Köln, 20.5.15, 3 K 1146/13).

     

    Sachverhalt

    Der Kläger ist als Kabarettist selbstständig tätig. Als Betriebsausgaben machte er Raumkosten geltend, die mit dem Hinweis versehen wurden, die „Mietaufwendungen betreffen die anteiligen Bürokosten“. Eine Begrenzung der Kosten auf 1.250 EUR erfolgte nicht. Sowohl die in den Steuererklärungen angegebene Wohnanschrift, als auch die in der Gewinnermittlung aufgeführte Betriebsstättenanschrift waren identisch. Die Steuerfestsetzungen erfolgten erklärungsgemäß und ohne Vorbehalt der Nachprüfung.

     

    Während einer Betriebsprüfung wollte das FA eine Begrenzung der Raumkosten nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG auf den Höchstbetrag von 1.250 EUR vornehmen. Bisher sei man davon ausgegangen, dass die Raumkosten für eine Betriebsstätte entstanden seien, die grundsätzlich ohne Einschränkungen abzugsfähig sind. Nun sei aber bekannt geworden, dass es sich um die Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer handele. Darin sah das FA ein nachträgliches Bekanntwerden einer Tatsache und die Möglichkeit, die Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern. Das FG Köln sah das anders.

     

    Anmerkungen

    Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist möglich, sofern das FA seiner Ermittlungspflicht im Rahmen der Veranlagung nachgekommen ist. Bei Pflichtverletzungen des FA ist abzuwägen, ob auch Pflichtverletzungen des Steuerpflichtigen vorliegen, die sich gegenseitig aufheben. Sind aber die Pflichtverletzungen des FA deutlich größer, kann keine Änderung nach § 173 AO erfolgen. Das FG sah in den Steuererklärungen und Gewinnermittlungen genügend Anhaltspunkte, die auf ein häusliches Arbeitszimmer schließen ließen. Bei pflichtgemäßer Ermittlung anhand der vorliegenden Unterlagen hätte dem FA schon bei der Veranlagung bekannt sein können, dass die Raumkosten keine Betriebsstätte, sondern ein häusliches Arbeitszimmer betreffen. Zumal bei Freiberuflern die Kürzung der Betriebsausgaben durch ein häuslichen Arbeitszimmern nicht unüblich ist.

     

    Ein Versäumnis seitens des Klägers liegt hier nicht vor, da er alle für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offengelegt hat. Der Kläger vertritt zwar eine andere Rechtsansicht durch die Einordnung als ein betriebsstättenähnlicher Raum, eine andere Rechtsansicht ist jedoch keine Tatsache.

     

    Praxishinweis

    Der Finanzverwaltung sollte möglichst wenig Raum für neue Tatsachen gegeben werden. Es empfiehlt sich, z. B. durch Übermittlung des Kontennachweises der E-Bilanz in den Kontenbeschriftungen Informationen aufzuführen, damit diese nicht später als neue Tatsachen gewertet werden können.

     

    Ansonsten gilt: Bei der Steuerveranlagung muss das FA nach § 88 Abs. 1 S. 1 AO unter anderem ermitteln, ob die geltend gemachten Betriebsausgaben abziehbar sind. Unterbleibt diese Prüfung bzw. bestehen andere Zweifelsfragen oder Unklarheiten, kann die Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung ergehen. Das war im Urteilsfall allerdings nicht geschehen.

    Quelle: ID 43729079