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  • · Fachbeitrag · Wiederbeschaffungswert

    Ist der Wiederbeschaffungswert am lokalen Markt zu ermitteln?

    | Der Wiederbeschaffungswert (WBW) steht als maßgeblicher Posten bei der Totalschadenabrechnung im Fokus der Versicherer. Ein paar hundert Euro runter ist eine genauso wirksame Stellschraube wie beim Restwert ein paar hundert Euro rauf. Folglich ist der WBW aktuell ein häufiger Streitschauplatz. In diesem Zusammenhang erreichte uns folgende Leserfrage eines Rechtsanwalts. |

     

    Frage: Wir haben ein Problem, zu dem wir keine eindeutige Entscheidung finden. Vermutlich deshalb, weil es eigentlich selbstverständlich ist: Wir streiten mit dem Versicherer über die Höhe des richtigen WBW. Es stehen sich die Meinung eines freien SV und des Versicherers gegenüber. Der WBW des freien SV liegt bei 3.150 Euro. Der Versicherer begründet einen WBW von 2.500 Euro mit drei Angeboten aus einer Gebrauchtwagenbörse: eines über 3.000 Euro in ca. 200 km Entfernung, eines für 2.750 Euro in ca. 100 km Entfernung und eines für 1.999 Euro in ca. 200 km Entfernung. Unabhängig davon, dass wir aus diesen Zahlen nicht den WBW von 2.500 Euro ableiten kann, haben wir darauf abgestellt, dass es sich nicht um den örtlichen Markt handelt. Nun antwortet der Versicherer, es sei ihm neu, dass hinsichtlich des WBW auf den regionalen Markt abzustellen sei.

     

    Antwort: Auch wir haben kein Urteil gefunden, in dem die Selbstverständlichkeit der lokalen Anbindung des WBW beim Haftpflichtschaden thematisiert ist. Da wird man grundsätzliche Überlegungen anstellen müssen:

    Lokalität bei vergleichbaren Zusammenhängen

    Für die Lokalität spricht, dass der BGH bei vergleichbaren Zusammenhängen auch von einer Lokalität ausgeht.

     

    Restwert

    In der Restwertrechtsprechung des BGH kommt es ja nun zweifelsfrei auf den lokalen allgemeinen Markt an. Warum ist das so? Der Geschädigte wird vom Unfall überrascht und hat im Terminkalender keine Reserven für „Schadenabwicklung“ eingeplant. Wenn ihm nun schon die Unannehmlichkeit der Schadenabwicklung aufgezwungen wird, muss er das in seiner „Komfortzone“ tun dürfen, also in dem ihm bekannten Umfeld mit kurzen Wegen, zumal ihm ja der Zeitaufwand nicht als Schaden erstattet wird.

     

    Alternativ- bzw. Verweiswerkstätten

    Das ist auch beim Verweis auf Alternativwerkstätten so. Auch die müssen in zumutbarer Entfernung gelegen sein. Denn bei der Reparatur eines Unfallfahrzeugs kann es zu Gewährleistungsansprüchen gegen die Werkstatt kommen, und für jede Nachbesserung muss der Käufer (hier der Geschädigte) dann wieder zur Werkstatt fahren.

     

    Dazu hat sich der BGH schon geäußert, und zwar im Zusammenhang mit einer vom Geschädigten weit entfernten Verweiswerkstatt: „Von Bedeutung für diese Bewertung ist auch der dem Geschädigten zugemutete Aufwand bei der Geltendmachung etwaiger Nacherfüllungsansprüche im Rahmen der Gewährleistung bei mangelhaften Reparaturleistungen.“ (BGH, Urteil vom 28.04.2015, Az. VI ZR 267/14, Randnummer 14, Abruf-Nr. 177240.

     

    Reklamationen nach Kauf

    Beim Kauf muss man das genauso sehen. Denn da geht es um dieselbe Zumutung für den Geschädigten. Nach der Rechtsprechung des Kaufrechtssenates muss der Käufer bei Reklamationen ja das Fahrzeug beim Verkäufer zur Verfügung stellen. Denn der Erfüllungsort ist im Regelfall der Geschäftssitz des Verkäufers (BGH, Urteil vom 13.04.2011, Az. VIII ZR 220/10, Abruf-Nr. 111373 sowie BGH, Urteil vom 19.12.2012, Az. VIII ZR 96/12, Abruf-Nr. 130405).

     

    Wörtlich sagt der BGH im Urteil vom 19.12.2012: „Ein taugliches Nacherfüllungsverlangen muss auch die Bereitschaft des Käufers umfassen, dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen für eine entsprechende Untersuchung zur Verfügung zu stellen. Der Verkäufer ist deshalb nicht verpflichtet, sich auf ein Nacherfüllungsverlangen des Käufers einzulassen, bevor dieser ihm am Erfüllungsort der Nacherfüllung die Gelegenheit zu einer solchen Untersuchung gegeben hat.“

     

    Dass der Verkäufer bei erfolgreicher Reklamation die Transportkosten erstatten muss (§ 439 Abs. 2 BGB) ändert daran nichts. Denn den zeitlichen Aufwand bekommt der Geschädigte in seiner Rolle als Käufer nicht erstattet.

    Wie groß ist der örtliche Markt?

    Die Beträge, die in der Frage genannt werden, deuten auf ein völlig normales Fahrzeug hin. Da ist der örtliche Markt sicher nicht größer als ein 50-km-Radius. Dass bei besonderen Fahrzeugen, plakativ beim Rolls-Royce oder Ferrari, der lokale Markt auch ganz Deutschland sein kann, steht auf einem anderen Blatt.

    Zusatzkosten bei Kauf außerhalb des lokalen Marktes

    Wenn der Geschädigte tatsächlich doch auswärts kauft, kann er vom Schädiger die dadurch entstehenden Zusatzkosten erstattet verlangen (LG Saarbrücken, Urteil vom 08.05.2017, Az. 13 S 185/16, Abruf-Nr. 197487). Im dortigen Fall vertrat der Versicherer die Auffassung, der Geschädigte sei verpflichtet, lokal zu kaufen, damit keine Zusatzkosten entstehen.

     

    PRAXISHINWEIS | Der Textbaustein 454 „WBW ist am lokalen Markt zu ermitteln (H)“ → Abruf-Nr. 45262282 fasst diese Argumente für Sie zusammen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Textbaustein 454 „WBW ist am lokalen Markt zu ermitteln (H)“ → Abruf-Nr. 45262282
    Quelle: Ausgabe 05 / 2018 | Seite 8 | ID 45224652