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  • · Fachbeitrag · Schadenabwicklung

    Unfälle kurz vor oder während des Urlaubs

    | Die Urlaubszeit ist in vollem Gange, und viele nutzen für die Fahrt in den Urlaub ihr eigenes Fahrzeug. Verunfallt dieses kurz vor oder während der Urlaubsfahrt, beschäftigen den Geschädigten viele Fragen: Z. B. wie lange er einen Mietwagen nutzen darf, ggf. ob der Mietwagen eine Anhängerkupplung hat, wie lange bei einem Totalschaden die Wiederbeschaffung dauern darf oder ob er das Fahrzeug zur Heimatwerkstatt schleppen lassen darf. Lesen Sie nachfolgend die Antworten auf diese Fragen. |

    Unfall kurz vor geplanter Urlaubsreise

    Passiert ein Unfall kurz vor dem geplanten Urlaub, steht der Geschädigte insbesondere vor folgenden Herausforderungen:

     

    Muss der Mietwagen während des Urlaubs zurückgegeben werden?

    Das AG Bonn hat dazu entschieden: Erleidet der Geschädigte den Unfall kurz vor der mit dem Fahrzeug geplanten Urlaubsreise, darf er den Mietwagen für die gesamte Urlaubszeit nutzen, auch wenn sein Fahrzeug schon während der Abwesenheit fertig repariert wurde. Im entschiedenen Fall ereignete sich der Unfall am 16. Juni, Start in den Urlaub war der 20. Juni. Am 18. Juli kehrte der Geschädigte aus dem Urlaub zurück (AG Bonn, Urteil vom 20.12.2011, Az. 106 C 322/10, Abruf-Nr. 120248).

     

    Auch das AG Berlin-Mitte sagt: Ereignet sich der Unfall kurz vor dem fest gebuchten Urlaub, und wird die Reparatur während des Urlaubs beendet, gebietet die Schadenminderungspflicht es nicht, den Urlaub zur Mietwagenrückgabe zu unterbrechen (AG Berlin-Mitte, Urteil vom 25.9.2013, Az. 112 C 3079/13, Abruf-Nr. 133151).

     

    Nicht anders entschied das AG Rostock: Ist die Reparatur nach vier Tagen beendet, befindet sich der Geschädigte zu dem Zeitpunkt aber im zum Unfallzeitpunkt bereits geplanten mit dem Mietwagen angetretenen Urlaub, kann er den Mietwagen bis zum Urlaubsende nutzen (AG Rostock, Urteil vom 11.9.2015, Az. 44 C 65/15, Abruf-Nr. 146400).

     

    Wichtig | Voraussetzung ist dabei, dass das verunfallte Fahrzeug nicht fahrfähig und verkehrssicher war. Sonst dürfte es wohl auch zumutbar sein, mit dem leicht beschädigten Fahrzeug die Urlaubsreise anzutreten. In diesem Zusammenhang ist auch die Möglichkeit einer Notreparatur zu prüfen.

     

    PRAXISHINWEISE |

    • Der Geschädigte sollte dem Versicherer die Umstände als Warnhinweis gemäß § 254 Abs. 2 BGB im Vorfeld mitteilen. Dabei kann er ihm auch anbieten, dass der Versicherer das fertig reparierte Fahrzeug zum Urlaubsort transportieren lässt und den Mietwagen abholt. Dann kann der Versicherer entscheiden, was ihm günstiger erscheint. Jedenfalls kann er dann im Nachhinein keinen Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht konstruieren.
     
    • Ist der Urlaubsort nicht weit weg (z. B. von Hamburg an die Nordsee), ist der Urlaub lang und das Fahrzeug in den ersten Urlaubstagen fertig, kann es sein, dass der Geschädigte das Fahrzeug auch selbst während des Urlaubs tauschen muss.
     

    Was gilt, wenn ein Mietwagen mit spezieller Ausstattung benötigt wird?

    Will der Geschädigte einen Wohnwagen oder ein Boot - ggf. groß und schwer - mit in den Urlaub nehmen, braucht er einen Mietwagen mit entsprechender Nutzlast, Anhängerzugvorrichtung und ggf. einer besonderen Außenspiegelausstattung.

     

    Der Versicherer wird später auf die Fraunhofer-Mietpreisliste oder auf Angebots-Screenshots verweisen, aus denen nicht im Ansatz erkennbar ist, ob die benötigte Anhängezugvorrichtung oder die besondere Ausstattung vorhanden gewesen wäre. Vielleicht hat der Versicherer auch am Telefon eine seiner berühmten Zahlen genannt, für die Mietwagen angeblich erhältlich sind.

     

    PRAXISHINWEIS | In der Situation ist es ausnahmsweise richtig, in die Offensive zu gehen. Der Geschädigte sollte den Versicherer bitten, dass dieser ihm sofort ein Fahrzeug mit Anhängezugvorrichtung und der vorgegebenen Nutzlast zur Verfügung stellt, ggf. mit entsprechender Außenspiegelausstattung für den breiten Wohnwagen oder das breite Boot. Das wird meist dazu führen, dass ein Mietwagen nicht geliefert werden kann. Wird diese Nachfrage und die Antwort des Versicherers entsprechend dokumentiert (wann mit wem wie besprochen, Zeuge dafür), werden sich die Mietwagenkosten später leicht durchsetzen lassen.

     

    Ist die Wiederbeschaffungsdauer beim Totalschaden länger?

    Erleidet das Fahrzeug des Geschädigten bei dem Unfall vor der Abreise einen Totalschaden, verlängert sich die Wiederbeschaffungsdauer um den Zeitraum der Urlaubsreise. Das steht es außer Zweifel. Der Versicherer des Schädigers kann nicht verlangen, dass der Geschädigte seine Zeit im Urlaub mit der Suche nach einem alternativ zu beschaffenden Fahrzeug verbringt.

     

    Besteht Anspruch auf ein Mietmotorrad für die geplante Urlaubsreise?

    Ist das betroffene Fahrzeug ein Motorrad, hat der Geschädigte die gleichen Ansprüche wie oben beschrieben, wenn die Urlaubsreise mit dem Motorrad schon geplant ist. Der Einwand des Versicherers, für ein „Spielzeug“ gebe es keinen Mietersatz, greift dann sicher nicht.

     

    Wichtig | Jenseits der Urlaubssituation ist es umstritten, ob der Geschädigte Anspruch auf ein Ersatzfahrzeug hat, wenn er das Motorrad nur sporadisch (z. B. für Ausfahrten am Wochenende bei schönem Wetter) nutzt.

    Unfall während der Urlaubsreise

    Ereignet sich der Unfall während der Urlaubsreise, liegen die Dinge genauso. Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug am Unfallort reparieren, kann er die Reise mit einem Mietwagen fortsetzen. Ist es ein Totalschaden, verlängert sich der Wiederbeschaffungszeitraum.

     

    Abschleppen bis zur Heimatwerkstatt?

    Ereignet sich der Unfall im Urlaub und ist das Fahrzeug auch unter Beachtung einer eventuellen Notreparatur nicht mehr fahrfähig und verkehrssicher, stellt sich die Frage: Darf der Geschädigte das Fahrzeug in die Heimatwerkstatt schleppen lassen? Die stellt sich umso mehr, wenn der Urlaub beendet ist und die Rückreise ansteht, bevor das Fahrzeug am Urlaubsort fertig repariert wäre.

     

    Das Recht zum Transport in die Heimatwerkstatt bejaht die Rechtsprechung immer häufiger, weil das reparierte Fahrzeug ja später nicht von allein nach Hause findet, sondern Abholkosten entstehen. Außerdem muss sich der Geschädigte nicht zumuten lassen, für jede Nachbesserung bei Reparaturmängeln an den Urlaubsort zurückzufahren. Der Geschädigte darf also bei Haftpflichtschäden das unfallbeschädigte Fahrzeug bis zur Heimatwerkstatt abschleppen lassen, wenn durch die Mehrkosten später erhöhte Abholkosten erspart werden (AG München, Urteil vom 6.10.2014, Az. 322 C 27990/13, Abruf-Nr. 185867).

     

    PRAXISHINWEIS | Eine BGH-Entscheidung aus einem etwas anderen Zusammenhang gibt dem „Nachbesserungsargument“ neue Nahrung. Es ging um die Frage, ob dem Geschädigten ein Verweis auf eine weit entfernte Werkstatt zumutbar sei. Dazu schrieb der BGH: „Von Bedeutung für diese Bewertung ist auch der dem Geschädigten zugemutete Aufwand bei der Geltendmachung etwaiger Nacherfüllungsansprüche im Rahmen der Gewährleistung bei mangelhaften Reparaturleistungen.“ (BGH, Urteil vom 28.4.2015, Az. VI ZR 267/14, Randnummer 14, Abruf-Nr. 177240). Ob die Werkstatt nun wegen eines Verweises des Versicherers weit entfernt sein soll oder ob der Unfallort zufällig weit entfernt ist: Der Gedanke ist derselbe. Das BGH-Urteil passt somit auch auf die Fälle des Heimschleppens.

     

    Auch das AG Siegburg vertritt die Ansicht, dass der Geschädigte sein reparaturwürdig unfallbeschädigtes Fahrzeug zur Heimatwerkstatt schleppen lassen darf. Anderenfalls würde nämlich ein Zeit- und Kostenaufwand anfallen, um das reparierte Fahrzeug abzuholen. Das hebt sich auf (AG Siegburg, Urteil vom 14.4.2016, Az. 124 C 7/16, Abruf-Nr. 185866).

    Anspruch aus einem Schutzbrief?

    Bei Urlaubsunfällen stellt sich auch die Frage, inwieweit Leistungen aus einer Verkehrsserviceversicherung (im Volksmund „Schutzbrief“ genannt) in Anspruch genommen werden können. Das lässt sich hier nicht generell beantworten. Das hängt jeweils vom Inhalt des konkreten Vertrags ab.

     

    Aber in einem Punkt ist generell Vorsicht geboten: In vielen Schutzbriefen ist eine Subsidiaritätsklausel enthalten, wonach der Schutzbrief nur eintritt, wenn es keinen Anspruch gegen einen Dritten gibt.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2016 | Seite 13 | ID 44185513