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  • · Fachbeitrag · Reparaturkosten

    Werkvertragliche Regelkonformität ist der zuverlässige Weg in die Regresssicherheit

    | In den vergangenen UE-Ausgaben war viel von der neuen Strategie der Versicherer die Rede, die Werkstätten in Regress nehmen zu wollen. Die Grundlage ist wahlweise die Behauptung, die Werkstatt habe unnötige Arbeiten vorgenommen, zu teuer abgerechnet oder Arbeiten abgerechnet, die gar nicht oder weniger aufwendig durchgeführt wurden. „Unnötig“ und „zu teuer“ mag man noch diskutieren können. Doch da kann man sich wappnen, um auf der sicheren Seite zu sein. Arbeiten abzurechnen, die nicht oder so nicht durchgeführt wurden, darf aber nicht passieren. |

     

    Wichtig | Wir gehen davon aus, dass UE-Leser seriöse Marktteilnehmer sind. Um noch einmal prüfen zu können, ob sich nicht hier oder da Ungereimtheiten eingeschlichen haben, sprechen wir in diesem Betrag auch wunde Punkte an. Im Wesentlichen aber wollen wir Hinweise geben, wie man auf die (regress-)sichere Seite kommt.

    Was keinesfalls sein darf: Rechnung ohne Bezug zur Arbeit

    Ein Rechtsstreit um Schadenersatz hatte durch eine grundehrliche Zeugenaussage eine Wendung genommen, die zielsicher ins Strafrecht geführt hat und unter Regressgesichtspunkten mehr als teuer war. Die Urteile aus beiden Instanzen liegen UE vor. Zum Schutz der Beteiligten werden Sie aber nicht veröffentlicht.

     

    Es hatte sich im Prozess herausgestellt: Die Reparaturrechnung wurde in der Weise erstellt, dass ein Werkstattmitarbeiter (Funktionsbezeichnung „Rechnungsleger“) quasi das Schadengutachten zur Rechnung umschrieb, ohne zu wissen, was in der Werkstatt an dem Fahrzeug tatsächlich gemacht wurde.

     

    Eine Begutachtung während des Prozesses auf der Grundlage von Erkenntnissen, die eine vorgerichtliche Nachbesichtigung bereits erbracht hatte, zeigte, dass erhebliche Arbeiten tatsächlich nicht in der abgerechneten Weise durchgeführt wurden. Da ging es um eine Differenz von mehr als 3.000 Euro. Beide Instanzen, also das Landgericht und das Oberlandesgericht, deuteten bereits an, dass es sich hier um betrügerisches Abrechnen handeln könne. Das hat sich später bestätigt.

     

    Das alles hat schadenrechtlich keine Auswirkungen. Der Versicherer wurde verurteilt, dem Geschädigten, der ‒ ohne von den Ungereimtheiten zu wissen ‒ die Rechnung der Werkstatt bereits bezahlt hatte, die ihm entstandenen Kosten zu erstatten.

     

    Damit hatte der Versicherer deutlich mehr gezahlt, als die Arbeiten wert waren. Die Differenz kann er von der Werkstatt zurückfordern. Im beschriebenen Fall hat diese den Regress geräuschlos und ohne Rechtsstreit bedient.

     

    Damit ist die Sache aber nicht ausgestanden. Der Geschädigte hat ja immer noch den Anspruch darauf, sein Fahrzeug vollständig reparieren zu lassen. Und das kostet wegen der Wiederholung von Arbeiten im Zuge der Nacharbeiten (es ging unter anderem um die Erneuerung von Schwellern und A-Säulenaußenblechen!) weitaus mehr, als die Erledigung in einem Rutsch.

     

    Weil das Wirken der Werkstatt ihm gegenüber betrügerisch war, muss der Geschädigte ihr keine Gelegenheit zur Nachbesserung geben. Er kann die Arbeiten bei einem anderen Betrieb erledigen lassen. Diese Kosten gehen im ersten Schritt zulasten des unfallgegnerischen Versicherers, können dann aber auch wieder bei der Werkstatt regressiert werden.

     

    PRAXISTIPPS |

    • Wenn in einer Werkstatt systematisch so gearbeitet wird, dass es keine Verknüpfung zwischen den durchgeführten Arbeiten und der Rechnungserstellung gibt, sollte derjenige, der das angeordnet hat, sofort handeln. Denn er trägt auch die strafrechtliche Verantwortung.
    • Doch auch jeder andere sollte noch einmal nachprüfen, dass nur berechnet wird, was auch gemacht wurde. Vielleicht hat sich an der Schnittstelle zwischen der Werkstatt und dem Backoffice irgendwo der Schlendrian eingeschlichen. Schauen Sie lieber einmal zu viel als einmal zu wenig hin. Denn aus einem Einzelfall, der auffällt, wird dann in der Kommunikation der Versicherer schnell ein „... das machen die immer so ...“. Da gibt es ungezählte Beispiele. Und der Ruf bei Gericht wird, wenn ein Vorgang hochkocht, auch nicht besser. Bedenkt man, dass das dasselbe Gericht ist, bei dem immer wieder Forderungen gegen Versicherer eingetrieben werden müssen, sollten solche „Betriebsunfälle“ vermieden werden.
     

    Kalkulationssysteme sind nur Hilfsmittel

    In eine ähnliche Richtung geht eine in UE bereits besprochene Entscheidung des AG München, die sich mit den theoretischen Arbeitswerten aus den Kalkulationssystemen beschäftigte.

     

    Außerhalb der Unfallthematik war einem Kunden erst nach Bezahlung der Reparaturrechnung aufgefallen: Das Fahrzeug war von 09:30 Uhr bis 18:30 Uhr in der Werkstatt. Die Arbeiten wurden laut Rechnung von einer Person durchgeführt. Berechnet waren 14,7 Zeitstunden. Als der Kunde den Gegenwert von 5,7 Zeitstunden zurückverlangte, stellte sich die Werkstatt auf den Standpunkt, laut dem Kalkulationsprogramm DAT würden für die Arbeit 14,7 Zeitstunden benötigt, also könne sie auch 14,7 Stunden berechnen. Dass ‒ pausenloses Arbeiten unterstellt ‒ nur 9 Stunden benötigt wurden, tue nichts zur Sache. Denn auch der Kostenvoranschlag habe auf 14,7 Stunden gelautet. Und wenn die Werkstatt schneller arbeite, als von DAT kalkuliert, müsse das ihr Vorteil sein.

     

    Da war das AG München anderer Meinung. Solange kein Pauschalpreis vereinbart sei, könne nicht mehr Arbeitszeit berechnet werden, als verbraucht wurde (AG München, Urteil vom 28.04.2017, Az. 231 C 14128/16, Abruf-Nr. 204411).

     

    Stellt man sich das rund um einen Unfallschaden vor, könnte der Versicherer auf der Grundlage einer Abtretung des Kunden den überzahlten Betrag bei der Werkstatt regressieren.

     

    PRAXISTIPP | Allerdings ist es rund um die Unfallreparaturthemen eher so, dass die Vorgaben der Kalkulationssysteme zu knapp bemessen sind. Überschreitungen der theoretischen Zeitvorgaben können folglich ebenso berechnet werden, wie Unterschreitungen berücksichtigt werden müssen. Im Umkehrschluss der Entscheidung kann der Versicherer nämlich nicht die Einhaltung der Vorgabezeiten verlangen.

     

    Klaren Reparaturauftrag formulieren

    Der sicherste Weg zur Regresssicherheit ist nach derzeitigem Erkenntnisstand die Unfallschadenreparatur auf der Grundlage gutachterlicher Feststellungen. Die Bindung an die sachverständigen Vorgaben muss im Auftrag glasklar so notiert sein.

     

    PRAXISTIPP | Da es aber neben den Gutachten auch die knapperen gutachterlichen Produkte bei kleineren Schäden gibt oder gelegentlich auch Gutachtennachträge und -ergänzungen, scheint uns die Formulierung „Unfallschadenreparatur gemäß gutachterlichen Feststellungen“ sinnvoll zu sein. Damit ist die gesamte Bandbreite abgedeckt.

     

    Wenn dann auch so repariert wurde, ist alles klar. Denn nach bisherigem Stand der Rechtsprechung darf auch die Werkstatt auf das Gutachten vertrauen (AG Erding, Urteil vom 10.08.2018, Az. 14 C 3232/17, Abruf-Nr. 203043; AG Stade, Urteil vom 14.05.2018, Az. 63 C 28/18, Abruf-Nr. 201327).

     

    Die Rechtsprechung, dass die Werkstatt dem Kunden gegenüber eine Beratungspflicht hat, bezieht sich auf den unwissenden Kunden. Der Kunde mit dem Gutachten unter dem Arm ist aber ein wissender Kunde.

     

    Wenn der Kunde den Auftrag gegeben hat, auf der Grundlage des Schadengutachtens zu reparieren, dann kann der Versicherer sich nicht damit durchsetzen, dieser oder jener Arbeitsschritt sei ‒ werkvertraglich betrachtet ‒ unnötig. Im Gegenteil zur Vertragserfüllung ist es gerade nötig, alle im Gutachten vorgesehenen Arbeiten so wie dort vorgesehen zu erledigen.

     

    Der Regress beruht ja gerade auf dem Gedanken werkvertraglicher Fehler. Es ist aber kein Fehler, den Auftrag zu erfüllen. Das kann man eindrucksvoll im oben zitierten Urteil des AG Stade nachlesen, aber auch im Urteil des AG Lindau vom 10.09.2018 (Az. 2 C 97/18, Abruf-Nr. 204412).

     

    Das Vergütungssystem des § 632 BGB

    Was beim Werkvertrag wie berechnet wird, ergibt sich aus § 632 BGB. Dessen Absätze 1 und 2 haben seit dem 01.01.1900 folgenden Wortlaut:

     

    (1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

    (2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

     

    Wichtig ist § 632 Abs. 1 BGB insoweit, als nicht vor jedem Arbeitsschritt „Das kostet aber Geld ...“ gerufen werden muss. Man liest von Zeit zu Zeit in Versicherungsschreiben, es sei ja (z. B.) gar nicht vereinbart gewesen, dass die Verbringung zum Lackierer berechnet werde. Das ist auch nicht nötig, weil eben nicht erwartet werden kann, dass das kostenlos geschieht.

     

    Die Musik spielt aber in § 632 Abs. 2 BGB. Die Variante „taxmäßige Vergütung“ im Sinne einer Gebührenordnung scheidet aus. Also bleibt als Berechnungsgrundlage die „bestimmte“, also die vereinbarte, Vergütung, und wenn es die nicht gibt, die übliche Vergütung.

     

    PRAXISTIPP | Darüber, was üblich ist, kann man endlos streiten. Deshalb ist ausnahmslos die vereinbarte Vergütung vorzuziehen.

     

    Der Weg über die Aushangpreise und die AGB ist möglich. Dann aber kann immer noch darüber gestritten werden, ob die AGB wirksam vereinbart waren. Besser ist es also, im Auftrag die Preiskomponenten (Stundenverrechnungssatz Karosserie, Stundenverrechnungssatz Lack, Lackmaterial, Verbringungskosten) auszudrucken. Dann ist man aus jeglicher Üblichkeitsdiskussion heraus. Denn mehr als das Übliche berechnet zu haben, wäre auch ein Regressgrund im Hinblick auf die Überhöhung. Hat man den Preis aber vereinbart, kommt es auf die Üblichkeit nicht mehr an.

     

    Wichtig | D. h. nicht, dass Sie hemmungslos die Üblichkeitsgrenzen per Vereinbarung überschreiten sollen. Es geht nur darum, dass um ihren nunmehr vereinbarten, aber dennoch üblichen Preis, nicht mehr gestritten werden kann.

     

    Dokumentation

    Alles, was ungewöhnlich ist, sollte auch dokumentiert werden. Wenn beispielsweise eine sehr umfangreiche Probefahrt nötig ist, weil die Funktion von Assistenzsystemen nicht mit der „Runde um den Block“ geprüft werden kann, ist es sinnvoll, den Anfangs- und Endkilometerstand zu notieren.

     

    Sonstige Besonderheiten können mit heutiger Technik ohne großen Aufwand fotografisch dokumentiert werden.

     

    Mag das heute als übertrieben angesehen werden, so ist zu beobachten: Ein Versicherer, nämlich der LVM, ist in der Regressthematik bereits sehr aktiv. Die Aktivitäten des LVM leiden auch nicht unter Anfängerfehlern, wenngleich sie bisher nicht erfolgreich waren. Andere Gesellschaften, insbesondere die Barmenia, laufen sich eindeutig warm.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2018 | Seite 8 | ID 45501141