Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Fiktive Abrechnung

    „Entfernung“ und „Hol- und Bringdienst1“ kontern

    | Grundsätzlich darf der Versicherer bei der fiktiven Abrechnung von Fahrzeugschäden den Geschädigten auf eine andere, auch markenfreie Werkstatt verweisen, wenn sein beschädigtes Fahrzeug älter als drei Jahre und nicht scheckheftgepflegt ist. Diese Werkstatt muss aber, so der BGH, „mühelos erreichbar“ sein. Darum werden vor Gerichten Schlachten geschlagen. Eine gute Leitlinie gibt nun die Berufungskammer des LG Hamburg. |

     

    Es ist eine Frage des Einzelfalls

    Wie schon andere Gerichte zuvor stellt das LG nicht auf eine starre Entfernungsgrenze ab. Wörtlich: „Dies kann grundsätzlich nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden (BGH, Urteil vom 28.04.2015, Az. VI ZR 267/14, Abruf-Nr. 177240). Dabei können Anhaltspunkte die jeweiligen Entfernungen zur nächstgelegenen Fachwerkstatt einerseits und zu der von der Gegenseite aufgezeigten Referenzwerkstatt andererseits sowie der jeweilige zeitliche Aufwand und ein etwaiger Transportaufwand sein. Starre abstrakte Grenzen ‒ etwa in Form von festen Kilometer-Grenzen ‒ kann es vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung nicht geben.“

     

    Erreichbarkeit ohne Auto

    Daran gemessen kommt das LG zu dem Ergebnis, dass im konkreten Fall die Verweiswerkstatt 17 km entfernt ist und wegen ihrer ungünstigen Lage der Rückweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln bei mehrmaligem Umsteigen eineinhalb Stunden in Anspruch nimmt. Angaben, wie weit die Markenwerkstatt entfernt ist, enthält die Verfügung des Gerichts leider nicht.

     

    Wichtig | In einer Klageschrift dürfen die aber nicht fehlen. Denn bei einer seltenen Marke könnte es ja sein, dass die Markenwerkstatt ähnlich weit oder noch weiter entfernt ist.

     

    Hol- und Bringdienst-Argument überzeugt das LG nicht

    Das Hol- und Bringdienst-Argument des Versicherers kontert das Gericht wie folgt: „Dass die Verweiswerkstatt einen kostenlosen Hol- und Bringdienst anbietet, hat die Beklagte selbst nicht hinreichend dargelegt. Ausweislich des Prüfberichts der Beklagten bietet die Verweiswerkstatt nämlich nur ‚ggf.‘ und ‚in der Regel einen kostenlosen Hol- und Bringservice‘ an. Auf derartige Unverbindlichkeiten muss sich kein Geschädigter einlassen, zumal weiter unklar ist, wie die Abwicklung von etwaigen Reklamationen/Nachbesserungen erfolgen soll“ (LG Hamburg, Verfügung vom 04.01.2021, Az. 323 S 43/20, Abruf-Nr. 220206, eingesandt von Rechtsanwalt Ulfert Jährig, Hamburg). Der Versicherer hat daraufhin die Klageforderung anerkannt.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Anwaltstextbaustein RA027: Fiktive Abrechnung trotz Reparatur (auch: Ausfallschaden) ‒ Klagebegründung bzw. Klageerwiderung → Abruf-Nr. 46567047
    Quelle: Ausgabe 03 / 2021 | Seite 12 | ID 47105210