08.01.2010
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 09.09.2003 – III 268/03
1. Bei der Kaufpreisaufteilung in Bodenwert und Gebäudewert zur Ermittlung der AfA-Grundlage ist das Sachwertverfahren anzuwenden.
2. Der Gebäudesachwert ergibt sich aus der Index-Umrechnung des Feuerkassenwertes
Tatbestand
I. Streitig ist die Kaufpreisaufteilung eines Hausgrundstücks für die Zwecke der einkommensteuerlichen Gebäudeabschreibung.
Es handelt sich um ein Mehrfamilienhaus-Mietwohngrundstück in Hamburg-..., X-Straße. Die Grundstücksfläche beträgt 438 qm. Das mehrstöckige Haus wurde 1905 gebaut. Der Feuerkassenwert 1914 beträgt für das Etagenhaus 98.400 Reichsmark und für Nebenteile 500 Reichsmark (Einkommensteuer-Akte -ESt-A- Bl. 19 R).
In einem - dem Gericht nicht vorgelegten - Verkehrswertgutachten vom 15. Dezember 1989 bezifferte der Sachverständige S den Bodenwert mit 950 DM/qm und die Restnutzungsdauer des Gebäudes mit 36 Jahren (vgl. ESt-A Bl. 10).
Der Kläger kaufte das Hausgrundstück im Januar 1990 für 1.090.000 DM. Nach Umrechnung mit dem Index 18,6600 für Januar 1990 beträgt der Feuerkassenwert für das Etagenhaus 1.836.145 DM und für Nebenteile 9.330 DM (ESt-A Bl. 19 R).
Die vom Gutachterausschuss ermittelten Bodenrichtwerte aus der näheren Umgebung ergeben sich aus den Richtwertkarten für Ende 1988 und Ende 1990 (ESt-A Bl. 3-4; Finanzgerichts-Akte -FG-A- Bl. 7-8, 16-17).
II. Die vom Beklagten (beklagten Finanzamt -FA-) eingeschalteten Bausachverständigen des Finanzamts für Verkehrsteuern und Grundbesitz in Hamburg teilten den Grundstücks-Kaufpreis am 1. Juni 1994 auf und erläuterten diese Aufteilung am 5. März 1996 und 4. März 1997 (ESt-A Bl. 19, 9, 2, FG-A Bl. 6, 15). Dazu ermittelten sie - nach der Sachwertmethode - zunächst selbst einen Bodenwert und daneben einen Gebäudewert, um daraus das Verhältnis beider Werte zueinander zu errechnen: Aufgrund von Bodenrichtwerten Dezember 1988 mit 400 DM/qm und Dezember 1990 mit 800 DM/qm belaufe sich der Bodenrichtwert Januar 1990 auf 530 DM/qm, jeweils mit einer Geschossflächenzahl 1,20. Tatsächlich betrage die Gebäudegrundfläche 248 qm und damit bei fünf Vollgeschossen die Bruttogeschossfläche 1.240 qm. Daraus folge die Geschossflächenzahl (1.240 qm Bruttogeschossfläche / 438 qm Grundstücksfläche =) 2,83. Die Umrechnungskoeffizienten für den Bodenwert seien 1,14 für eine Geschossflächenzahl 1,20 und 2,14 für eine Geschossflächenzahl 2,83. Danach sei der Bodenwert umzurechnen auf (530 DM/qm x 2,14/1,14 =) 995 DM/qm, abgerundet 990 DM/qm. Für den Gebäudewert seien der Index-Feuerkassenwert für das Etagenhaus bei einer Restnutzungsdauer von 40 Jahren um einen Altersabschlag von 48 % DM zu vermindern und für die Nebenteile 30 % Restwert anzusetzen. Aus Boden- und Gebäudewert zusammen ergebe sich ein Verhältnis von 68,83 % für den Gebäudewert und 31,17 % für den Bodenwert. Nach Aufteilung des Kaufpreises in diesem Verhältnis entfalle dieser mit 750.247 DM auf das Gebäude und 339.753 DM auf den Grund und Boden.
Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 4. (6.) Oktober 1995 und 21. Februar 1996 gegen die Kaufpreisaufteilung (ESt-A Bl. 12, FG-A Bl. 38). Mit Anschaffungsnebenkosten betrage der Kaufpreis 1.222.641,99 DM. Bei dem Gebäude sei der Altersabschlag mit 35 % zu bemessen. Der Bodenrichtwert habe gemäß einer Übersicht vom 23. Mai 1991 nur 380 DM betragen. Er sei bei einer Geschossfläche von netto 933,88 qm und brutto 1.195,36 qm nach der Geschossflächenzahl (933,88 qm / 438 qm Grundstück =) 2,13 umzurechnen auf höchstens (380 DM x 2,13 =) 809,40 DM oder nach einer Geschossflächenzahl 2,72 mit dem Koeffizienten 2,07 umzurechnen auf (380 DM x 2,07/1,14 =) 690 DM/qm. Nach der Sachwertmethode entfalle der Kaufpreis zu 77,14 % oder 79,83 % auf das Gebäude (1.196.294 DM oder 976.035 DM) und zu 22,86 % oder 20,17 % auf Grund und Boden. Unter dem 14. Juni 1996 machte er geltend, dass das FA die Bodenwertsteigerungen zu hoch angesetzt habe (ESt-A Bl. 6). In seiner Einkommensteuer-Erklärung 1994 vom 16. August 1996 ging der Kläger bei der Absetzung für Abnutzung (AfA) des Gebäudes von einer Abschreibungsgrundlage von 951.214,56 DM aus (ESt-A Bl. 143).
Nach dem Einkommensteuerbescheid 1994 (unter Nachprüfungsvorbehalt) vom 8. November 1996 (ESt-A Bl. 157) sowie Einspruch vom 22. November und 6. Dezember 1996 betreffend Schuldzinsen (ESt-A Bl. 159, Rechtsbehelfs-Akte -Rb-A- Bl. 3) und Änderungsbescheid (unter Nachprüfungsvorbehalt) vom 6. Dezember 1996 (ESt-A Bl. 161) und nach Aufrechterhaltung und Wiederholung des Einspruchs am 2. und 6. Januar 1997 (Rb-A Bl. 6, 7) änderte das beklagte FA die Einkommensteuer-Festsetzung mit Bescheid (unter Nachprüfungsvorbehalt) vom 15. April 1997 zwecks anschließender Fortsetzung des Einspruchsverfahrens (ESt-A Bl. 166, 163, FG-A Bl. 5, 14). Zugleich errechnete das FA die Abschreibungsgrundlage für die AfA des Gebäudes neu mit jährlich 19.318 DM. Dabei legte es Anschaffungskosten von 1.122.641,99 DM zu Grunde und teilte diese auf in einerseits 31,17 % Bodenwert = 349.927,48 DM und andererseits 68,83 % Gebäudewert = 772.714,48 DM (ESt-A Bl. 161, 163). Der Kläger wiederholte seinen Einspruch am 5. Mai 1997 (Rb-A Bl. 15, FG-A Bl. 9, 18) und erstreckte diesen unter dem 9. Juni und 11. Juli 1997 auf die Kaufpreisaufteilung und Gebäude-AfA (Rb-A Bl. 18, FG-A Bl. 33). Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2001 unter Bezugnahme auf die bisherigen Äußerungen der Verwaltung zurück (Rb-A Bl. 38, FG-A Bl. 10, 19, 46).
III. Der Kläger trägt zur Begründung der am 29. März 2001 erhobenen Klage vor (FG-A Bl. 2, 22, 29, 153, 155a): Der Grundstücksrichtwert liege mit 380 DM zwischen den Angaben 270 DM (Ende 1988) und 400 DM (Ende 1990) vis-a-vis gegenüber den renovierungsbedürftigen Wohnungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaft. Für die Kaufpreisaufteilung sei eine von ihm - dem Kläger - selbst vorgelegte Ertragswertberechnung heranzuziehen (FG-A Bl. 155a).
Der Kläger beantragt (FG-A Bl. 154), den Einkommensteuerbescheid 1994 vom 8. November 1996 in Gestalt der Änderung vom 15. April 1997 und der Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2001 dahin zu ändern, dass bei der Kaufpreisaufteilung für das Objekt X-Straße der Gebäudeanteil mit 76,84 % und der Bodenanteil mit 23,16 % zugrundegelegt wird.
Das FA beantragt (FG-A Bl. 44, 155), die Klage abzuweisen.
Das FA trägt vor (FG-A Bl. 44): Die Anschaffungskosten von 1.122.642 DM seien im Verhältnis 31,17 % auf Grund und Boden sowie mit dem Rest auf das Gebäude aufzuteilen. Die von den finanzamtlichen Bausachverständigen angenommene Gebäude-Restnutzungsdauer von 40 Jahren sei angemessen. Der Bodenrichtwert sei zutreffend aus der Richtwertkarte des Gutachterausschusses abgeleitet und fehlerfrei auf den Bewertungsstichtag und die vorhandene bauliche Nutzung umgerechnet worden.
IV. Das Gericht hat gemäß Beschluss vom 7. Januar 2002 (FG-A Bl. 60) Beweis erhoben durch mündliches Sachverständigen-Gutachten und Augenscheinseinnahme am 7. Februar 2002 (FG-A Bl. 71). Der Kläger, der den Ortstermin persönlich versäumt hat, hat danach mehrfach ein Parteigutachten (des Sachverständigen Dr. C) angekündigt, ohne dies einzureichen (FG-A Bl. 83R, 94 f, 118, 120, 127, 129, 133 f, 143 f). Von einer nochmaligen Beauftragung des gerichtlichen Sachverständigen ist abgesehen worden, nachdem der Kläger den ihm mit Beschluss vom 3. April 2003 (wegen Unverhältnismäßigkeit einer nochmaligen Verauslagung, Bl. 99) mit Ausschlussfrist auferlegten Kostenvorschuss nicht eingezahlt hat.
Mit Beschluss vom 4. April 2003 hat der Senat den Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen (FG-A Bl. 101).
Gründe
I. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger kann keine höhere Absetzung für Abnutzung des Gebäudes bei seinen Einkünften abziehen (§ 7 Einkommensteuergesetz -EStG-). Die Abschreibungsgrundlage beträgt nicht mehr als 772.714,51 DM, die das FA durch Aufteilung der unstreitigen Anschaffungskosten 1.122.641,99 DM im Verhältnis von 31,17 % für den Bodenwert und 68,83 % für den Gebäudewert errechnet hat.
1. Der Kaufpreis für Wohngrundstücke kann im Schätzungsweg nach der Sachwertmethode aufgeteilt werden (Bundesfinanzhof -BFH- vom 11. Februar 2003 IX R 13/00, BFH/NV 2003, 769; vom 10. Oktober 2000 IX R 86/97, BFHE 193, 326, BStBl II 2001, 183). Dies entspricht auch der vom Kläger nach Urteilsverkündung eingereichten Entscheidung des Finanzgerichts -FG- München vom 26. Oktober 1999 16 K 2935/98, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2000, 210), die durch das erstgenannte BFH-Urteil bestätigt wurde.
Dabei sind zunächst Bodenwert und Gebäudewert selbständig zu ermitteln und sodann ins Verhältnis zu ihrer Summe zu setzen. In diesem Verhältnis ist der tatsächlich vereinbarte Kaufpreis aufzuteilen.
2. Dass und wie das FA den Bodenwert aus den Richtwertkarten des Gutachterausschusses mit 530 DM abgeleitet hat, benachteiligt den Kläger nicht.
a) Die Richtwerte sind örtlich richtig ausgewählt, wie der gerichtlich beauftragte Sachverständige A, dessen Sachkunde für den Raum Hamburg unzweifelhaft ist, im Ortstermin überzeugend ausgeführt hat. Der Sachverständige ist für die Grundstücksbewertung von der Handelskammer öffentlich bestellt und vereidigt, zugleich persönlich Mitglied des Gutachterausschusses für Grundstückswerte, ferner langjährig in den verschiedenen Gerichtsbarkeiten erfahren, insbesondere auch in allen laufend vorkommenden steuerrechtlichen und finanzgerichtlichen Fragen der Grundstücksbewertung.
Entgegen den letzten Ausführungen des Klägers ist auch nicht zu erkennen, warum für diese gepflegte Lage die von ihm ausgewählten südöstlicheren niedrigeren Werte vorzuziehen wären, die vis-a-vis dem durch die städtische Gesellschaft vermieteten und renovierungsbedürftigen Wohnkomplex verzeichnet sind.
b) Durch die zeitbezogene Umrechnung der Richtwerte Ende 1988 und Ende 1990 auf den Stichtag wird der Kläger eher begünstigt, was im Hinblick auf das gerichtliche Verböserungsverbot außer Betracht bleibt. Wie der Sachverständige im Ortstermin zu Protokoll ausgeführt hat, hätte er anstelle von 530 DM normalerweise 600 DM angesetzt.
c) Die Richtwert-Umrechnung wegen der anderen baulichen Ausnutzung ist ebenfalls nicht zu beanstanden (vgl. Anlage des Sachverständigen zum Ortstermins-Protokoll). Auch die dabei zugrunde gelegten Geschossflächenzahlen sind im Ortstermin überprüft worden.
d) Daraus ergibt sich nach Abrundung der theoretische Bodenwert von 990 DM/qm bzw. insgesamt 433.620 DM.
3. Der Gebäudewert ergibt sich bei der Sachwertmethode aus dem Feuerkassenwert 1914 und dessen Index-Umrechnung auf den Stichtag. Auch diese Berechnungen sowie der Altersabschlag von 48 % für 40 Jahre Restnutzungsdauer sind vom Sachverständigen vor Ort überprüft und für richtig befunden worden. Mit Nebenteilen ergibt sich ein theoretischer Gebäudewert von zusammen 957.595 DM.
4. Die theoretischen Sachwerte für den Boden 433.620 DM und für das Gebäude 957.595 DM stehen zu ihrer Summe 1.391.215 DM im Verhältnis 31,17 % und 68,83 %.
5. Soweit der Kläger in der jetzigen mündlichen Verhandlung dagegen eine (hier in Bezug genommene) Ertragswertberechnung für das Gebäude vorgelegt hat, ist ihr gegenüber die hier angewandte Sachwertmethode vorzuziehen (s. o. Rechtsprechung).
Im Übrigen ergibt sich aus der Ertragswertberechnung kein höherer Gebäudewert (sondern nur 725.894 DM), wenn in diese Berechnung der obige Bodenwert und die obige Restnutzungsdauer eingesetzt werden. Der Gebäudeanteil an der Summe der theoretischen Sachwerte würde stattdessen niedriger sein (nämlich 62,60 %; denn 433.620 DM + 725.894 DM = 1.159.514 DM bzw. 37,40 % und 62,60 %).
6. Danach verbleibt es bei der Aufteilung der tatsächlichen Anschaffungskosten von 1.122.641,99 DM nach der Sachwertmethode im Verhältnis einerseits 31,17 % für den Bodenwert = 349.927,51 DM und andererseits 68,83 % für den Gebäudewert = 772.714,48 DM; letzterer dient als Abschreibungsgrundlage für die AfA.
II. Die Nebenentscheidungen über die Kosten und die Nichtzulassung der Revision folgen aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) und § 115 Abs. 2 FGO.
Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter gemäß § 6 FGO.