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  • 28.03.2006 · IWW-Abrufnummer 060924

    Bundesgerichtshof: Urteil vom 14.02.2006 – VI ZR 32/05

    Zu den Voraussetzungen, unter denen die Frage, ob und inwieweit ein Unfallersatztarif im Sinne des § 249 BGB erforderlich ist, keiner gerichtlichen Prüfung bedarf.


    BUNDESGERICHTSHOF
    IM NAMEN DES VOLKES
    URTEIL

    VI ZR 32/05

    Verkündet am:
    14. Februar 2006

    in dem Rechtsstreit

    Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 10. Januar 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

    für Recht erkannt:

    Tenor:

    Die Revision gegen das Urteil der 8. Kammer des Landgerichts Wuppertal vom 2. Februar 2005 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

    Von Rechts wegen

    Tatbestand:

    Die Klägerin, eine Autovermietung, macht gegen den beklagten Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer aus abgetretenem Recht eines Unfallgeschädigten Ansprüche auf Ersatz restlicher Mietwagenkosten geltend. Die volle Haftung des Beklagten ist dem Grunde nach außer Streit. Der Geschädigte wandte sich nach einem Verkehrsunfall im August 2003 an die Klägerin. Diese wies ihn darauf hin, dass er ein Fahrzeug nicht nur zum Unfallersatztarif, sondern wahlweise auch zu einem wesentlich günstigeren Normaltarif anmieten könne. Allerdings seien in diesem Fall der Mietzins im Voraus zu entrichten und eine Kaution mittels Kreditkarte zu leisten. Der Geschädigte, der wirtschaftlich dazu im Stande gewesen wäre, entschied sich für den deutlich höheren Unfallersatztarif. Die Klägerin berechnete einen Mietzins von insgesamt 1.468,75 ¤. Die Beklagte bezahlte nur einen Teilbetrag von 785,00 ¤.

    Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung des Restbetrages von 683,75 ¤. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen, mit welcher die Klägerin ihr Klagebegehren weiterverfolgt.

    Entscheidungsgründe:

    I.

    Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Klägerin stehe gegen die Beklagte kein Anspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten nach dem höheren Unfallersatztarif zu. Der Geschädigte habe umfassende Kenntnis von den unterschiedlichen Mietpreisen gehabt und aus freien Stücken den höheren Tarif gewählt. Dies sei aus Sicht eines verständigen und wirtschaftlich denkenden Geschädigten weder zweckmäßig noch erforderlich gewesen. Der Geschädigte habe gegen die ihm obliegende Pflicht zur Schadensgeringhaltung verstoßen. Dass es ihm unzumutbar gewesen wäre, wegen der Mietwagenkosten zum niedrigeren Normaltarif in Vorleistung zu treten, sei nicht ersichtlich. Der Zumutbarkeit der Vorfinanzierung stehe nicht entgegen, dass ein Geschädigter zum Zeitpunkt der Anmietung des Ersatzfahrzeugs mangels Kenntnis von der Reparaturdauer oftmals nicht imstande sei, die Höhe der Mietwagenkosten genau zu beziffern. Dies müsse er in der Regel hinnehmen, da der Normaltarif vergleichsweise niedrig sei. Vorliegend komme hinzu, dass angesichts einer Mietdauer von nur neun Tagen eine Vorfinanzierung auch unter Berücksichtigung der zu stellenden Kaution nicht mit außergewöhnlichen finanziellen Belastungen für den Geschädigten verbunden gewesen wäre.

    II.

    Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

    Das Berufungsgericht hat unter den besonderen Umständen des Streitfalles zu Recht eine Ersatzfähigkeit des geltend gemachten Unfallersatztarifs abgelehnt und die Mietwagenkosten auf den Normaltarif beschränkt.

    1. Der Geschädigte kann nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Er ist dabei ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Der Geschädigte verstößt allerdings nicht stets gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, wenn er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einem Normaltarif teurer ist. Ein höherer Tarif kann gerechtfertigt sein, soweit dessen Besonderheiten mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u.ä.) einen gegenüber dem "Normaltarif" höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (vgl. Senatsurteile BGHZ 160, 377, 383 f.; vom 26. Oktober 2004 - VI ZR 300/03 - NJW 2005, 135, 137; vom 15. Februar 2005 - VI ZR 160/04 - VersR 2005, 569, 570 und - VI ZR 74/04 - VersR 2005, 568; vom 19. April 2005 - VI ZR 37/04 - VersR 2005, 850 und vom 5. Juli 2005 - VI ZR 173/04 - VersR 2005, 1256, 1257). Inwieweit dies der Fall ist, hat grundsätzlich der bei der Schadensabrechnung nach § 287 ZPO besonders freigestellte Tatrichter - gegebenenfalls nach Beratung durch einen Sachverständigen - zu schätzen (vgl. Senatsurteile vom 19. April 2005 - VI ZR 37/04 - aaO und vom 23. November 2004 - VI ZR 357/03 - VersR 2005, 284). Dabei ist er nicht genötigt, die Kalkulationsgrundlagen des konkreten Anbieters im Einzelnen betriebswirtschaftlich nachzuvollziehen. Vielmehr kommt es darauf an, ob etwaige Mehrleistungen und Risiken bei der Vermietung an Unfallgeschädigte generell einen erhöhten Tarif - u.U. auch durch einen pauschalen Aufschlag auf den "Normaltarif" (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2005 - VI ZR 9/05 - VersR 2006, 133) - rechtfertigen (Senatsurteil vom 14. Februar 2006 - VI ZR 126/05 - zur Veröffentlichung bestimmt).

    2. Allerdings bedarf die Frage, ob und inwieweit ein vom Geschädigten beanspruchter Unfallersatztarif dem erforderlichen Herstellungsaufwand gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB entspricht, nicht in jedem Fall der gerichtlichen Prüfung.

    a) War der Unfallersatztarif mit Rücksicht auf die Unfallsituation nicht im geltend gemachten Umfang zur Herstellung "erforderlich", kann der Geschädigte im Hinblick auf die gebotene subjektbezogene Schadensbetrachtung (vgl. hierzu Senatsurteil BGHZ 132, 373, 376) den übersteigenden Betrag nur ersetzt verlangen, wenn ihm ein günstigerer "Normaltarif" nicht ohne weiteres zugänglich war (vgl. Senatsurteile vom 15. Februar 2005 - VI ZR 74/04 - und - VI ZR 160/04 - jeweils aaO und vom 19. April 2005 - VI ZR 37/04 - aaO). Hierfür hat der Geschädigte darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt - zumindest auf Nachfrage - kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war (Senatsurteil vom 25. Oktober 2005 - VI ZR 9/05, aaO).

    b) Im Streitfall hat das Berufungsgericht die Anmietung des Fahrzeugs zu einem höheren als dem von der Klägerin angebotenen Normaltarif zu Recht für nicht erforderlich erachtet. Nach den getroffenen Feststellungen war dem Geschädigten dieser günstigere Normaltarif nämlich bekannt und ohne weiteres zugänglich. Er hätte das Fahrzeug zu diesem Tarif anmieten können und wäre dazu unter dem Blickwinkel der ihm gemäß § 254 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht auch verpflichtet gewesen (vgl. Senatsurteil vom 19. April 2005 - VI ZR 37/04 - aaO), weil er nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen wirtschaftlich dazu imstande war, den Mietzins im Voraus zu entrichten und eine Kaution mittels Kreditkarte zu leisten. Bei dieser Sachlage ist die tatrichterliche Würdigung, ihm sei eine Anmietung zum Normaltarif zumutbar gewesen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal die Revision keine Gesichtspunkte aufzeigt, die eine abweichende Bewertung rechtfertigen könnten.

    III.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

    RechtsgebieteBGB, ZPOVorschriftenBGB § 249 ZPO § 287