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  • · Fachbeitrag · Ausfallschaden

    Interimsfahrzeug: Wie wird es denn gemacht?

    | In mehreren Urteilen der vergangenen Monate haben sich Gerichte ‒ zumeist verneinend ‒ mit der Frage befasst, ob der Geschädigte bei einer sehr langen Ausfallzeit ein Interimsfahrzeug habe beschaffen müssen, um den Ausfallschaden niedrig zu halten. Das führte zu verschiedenen Fragen von Lesern, wie man das denn machen müsste, wenn ein Interimsfahrzeug in Betracht käme. Lesen Sie nachfolgend die Antwort. |

     

    Hintergrund | Als Interimsfahrzeug bezeichnet man im Schadenrecht einen Gebrauchtwagen, den der Geschädigte nur zur Überbrückung erwirbt und danach wieder verkauft. Das ist überhaupt nur sinnvoll, wenn von vornherein klar ist, dass der Ausfallzeitraum lange dauern wird.

    Anwendungsbeispiele für Interimsfahrzeuge

    Der häufigste Fall dürfte der Fall der Neuwertentschädigung sein. Das verunfallte Fahrzeug war jünger als einen Monat, dessen Laufleistung lag unter 1.000 km, es wurde erheblich beschädigt. Der Geschädigte entscheidet sich für den Kauf eines neuen Fahrzeugs auf Kosten des gegnerischen Haftpflichtversicherers, doch das hat eine lange Lieferzeit.

     

    Oder hinsichtlich eines bestimmten Ersatzteils ist bereits zum Schadenzeitpunkt bekannt, dass es derzeit nicht lieferbar und das Ende dieses Notstands nicht absehbar ist.

     

    Genauso kann es bei verunfallten Spezialfahrzeugen sein, bei denen es mit dem Kauf eines gleichartigen Basisfahrzeugs nicht getan ist. Erst wenn umfangreiche Umrüstungsarbeiten erledigt sind ‒ im Nutzfahrzeugbereich oft durch externe Betriebe, deren Leistungsgeschwindigkeit nicht beeinflusst werden kann ‒, hat der Geschädigte wieder ein nutzbares Fahrzeug.

    Nie ohne Abstimmung mit dem Versicherer

    Nimmt der Geschädigte ein junges Interimsfahrzeug, weil auch sein beschädigtes Fahrzeug noch entsprechend jung ist, kann der Wertverlust durch den An- und baldigen Verkauf erheblich sein. Löst sich dann das zur Verzögerung führende Problem überraschend schnell auf, kommt z. B. das fehlende Ersatzteil viel schneller als erwartet, wird der Versicherer einwenden, für die paar Tage wäre der Mietwagen billiger gewesen.

     

    Ein solches Katz- und Mausspiel wird jedenfalls bei seriös agierenden Versicherern zuverlässig dadurch entschieden, dass die Entscheidung auf den Versicherer verlagert wird. Das läuft wie folgt ab:

     

    • Das Autohaus sucht mit dem Kunden ein passendes Fahrzeug aus dem Gebrauchtwagenbestand, derzeit vielleicht einen der schwer verkäuflichen Diesel, und kalkuliert einen Verkaufspreis und unter Annahme eines vorhersehbaren Kilometerverbrauchs einen späteren Einkaufspreis. Die Differenz bildet für den Geschädigten den Wertverlust. Wenn der Kilometerverbrauch noch nicht absehbar ist, kann ggf., wie man es vom Leasing kennt, ein Preis für Mehrkilometer kalkuliert werden.

     

    • Im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB wird der Versicherer sehr zeitnah auf die Situation und die sich daraus ergebende überlange Ausfalldauer hingewiesen. Ihm wird der Vorschlag der Interimslösung unterbreitet. Die dabei entstehenden Kosten (Wertverlust, An- und Abmeldekosten nebst Kennzeichen) werden beziffert.

     

    • Nun soll er entscheiden, ob er dieser Schadenposition zustimmt.

    Widersprüchliches Verhalten des Versicherers geht nicht

    Stimmt der Versicherer nicht zu, kann er sich hinterher nicht darauf berufen, der Mietwagen sei zu lange in Anspruch genommen worden. Heute wundert man sich über gar nichts mehr, und so können wir ein Beispiel aus der Rechtsprechung präsentieren: Der Geschädigte muss nicht auf eigenes Risiko ein Interimsfahrzeug anschaffen, entschied das LG Augsburg (Urteil vom 10.11.2016, Az. 101 O 1089/16, Abruf-Nr. 193130).

     

    Der Unfall ereignete sich am 16. September. Die Lieferung des Neufahrzeugs war für das vierte Quartal avisiert. Der Anwalt des Geschädigten bat den Versicherer angesichts der Ungewissheit des Liefertermins um Kostenzusage für ein Interimsfahrzeug. Der eintrittspflichtige Versicherer lehnte das ab. Es hielt ihn aber nicht davon ab, später die Auffassung zu vertreten, der Geschädigte hätte ein Interimsfahrzeug anschaffen müssen. Denn am Ende wurde der Neuwagen erst Mitte Februar geliefert. So musste der Versicherer für 148 Tage je 59 Euro Nutzungsausfallentschädigung zahlen. Denn das Gericht hielt die Anschaffung des Interimsfahrzeugs für unzumutbar, wenn der Versicherer die Kostenübernahme auf Nachfrage ablehnt.

     

    Da in der Frage nach der Kostenübernahme für das Interimsfahrzeug auch der warnende Hinweis an den Versicherer gemäß § 254 Abs. 2 BGB steckt, ist die lange Zeitdauer des Ausfallschadens dem Schädiger zuzurechnen.

    Bis zur Zustimmung darf Geschädigter Mietwagen fahren

    Es ist selbstverständlich, dass der Geschädigte bis zur Zustimmung des Versicherers einen Mietwagen nutzen darf. Nach dessen Ablehnung darf er ihn weiter nutzen. Nach dessen Zustimmung sollte er jedoch schnellstmöglich auf das Interimsfahrzeug umsteigen. Geld dafür ist ja aus dem Wiederbeschaffungswert da.

     

    PRAXISHINWEIS | Bei Vorgängen mit Interimsfahrzeugen sollte Ihr Kunde unbedingt einen Anwalt einschalten. Nur für hartnäckige Anwaltsverweigerer bzw. als Muster für Anwälte haben wir den Textbaustein 446 „Interimsfahrzeuge: Abstimmung mit dem Versicherer (H)“ → Abruf-Nr. 45023896 mit verschiedenen Modulen hinterlegt.

     
    Quelle: Ausgabe 12 / 2017 | Seite 15 | ID 45004362