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  • · Fachbeitrag · Kasko

    Bei Kasko darf der Versicherer Regie führen

    | In der September-Ausgabe 2014 (Seite 7) hat „UE“ die BGH-Entscheidung vorgestellt, mit der das höchste Zivilgericht zum wiederholten Mal und allen faktischen Entwicklungen zum Trotz die Dispositionsfreiheit des Geschädigten beim Haftpflichtschaden gestärkt hat. Denn der Tenor lautete: Der Schädiger hat kein Regierecht. Einige Leser haben daraufhin gefragt, ob diese Entscheidung auf Kaskoschäden übertragen werden kann. Die Antwort lautet: Nein! |

    Ganz andere rechtliche Grundlage

    Das Recht der Kaskoversicherung basiert eben nicht auf dem Recht der unerlaubten Handlung („Du durftest mein Auto nicht kaputtmachen…“), sondern auf dem zwischen dem Versicherungsnehmer (VN) und dem Versicherer geschlossenen Vertrag.

     

    Und diese Verträge sind längst nicht alle gleich. Die strikteste Form des an den Versicherer abgegebenen Regierechtes ist der Kaskovertrag mit Werkstattbindung, also der Konstellation, bei dem der Versicherer die Auswahl hinsichtlich der Werkstatt hat.

    Die Situation bei Kasko ohne Werkstattbindung

    Hier soll aber die Situation der Verträge ohne Werkstattbindung beleuchtet werden. Soweit nachfolgend Klauseln zitiert werden, entstammen die den Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GDV). In diesen Punkten haben die meisten Versicherer die Klauseln aber wörtlich übernommen.

     

    Kein Recht auf den neutralen Sachverständigen

    Eine glasklare Regelung gibt es hinsichtlich der Sachverständigenfrage:

     

    • A.2.8 Sachverständigenkosten

    Die Kosten eines Sachverständigen erstatten wir nur, wenn wir dessen Beauftragung veranlasst oder ihr zugestimmt haben.

     

    Der Grundsatz des Haftpflichtschadenrechtes, dass der Geschädigte einen neutralen Schadengutachter aussuchen und im Ergebnis auf Kosten des Versicherers beauftragen kann, gilt bei Kasko also eindeutig nicht. Also kann auch in der Praxis keine neutrale und frei von Einflüssen des Versicherers erfolgende Schadenbeurteilung erwartet werden.

     

    Weisungsrecht bei Reparatur oder Verwertung

    Generell gilt:

     

    • E.3.2.Einholen unserer Weisung

    Vor Beginn der Verwertung oder der Reparatur des Fahrzeugs haben Sie unsere Weisungen einzuholen, soweit die Umstände dies gestatten, und diese zu befolgen, soweit Ihnen dies zumutbar ist.

     

    Jedoch ist die Rechtsprechung dabei eindeutig: Der Geschädigte muss nicht vor jedem Schritt „Ich bitte um Weisung“ sagen.

     

    PRAXISHINWEIS | In der Abgabe der Schadenmeldung liegt bei einem Kaskofall gleichzeitig die Bitte um Weisungen der Versicherung, soweit sie ein Weisungsrecht hat. Wenn sie aber innerhalb einer Woche ab Zugang ihre Weisungen nicht erteilt, verstößt der Versicherungsnehmer nicht gegen seine Pflichten, wenn er nun selbst handelt (OLG München, Urteil vom 6.6.2008, Az. 10 U 5796/07; Abruf-Nr. 081978).

     

    So kann der VN nach Ablauf einer Woche ab Schadenmeldung den Restwert auf der Grundlage des Gutachtens des Versicherers verkaufen. Meint der hingegen später, er hätte ein noch höheres Gebot als das von seinem Sachverständigen ermittelte Angebot gehabt und der VN hätte ohne nochmalige Rückfrage nicht verkaufen dürfen, ist das rechtlich nicht haltbar.

     

    PRAXISHINWEIS | Das wäre dann auch eine Rechtsfrage und keine, die in das Sachverständigenverfahren gehört.

     

    Ebenso darf der VN nach Ablauf einer Woche ab Schadenmeldung den Reparaturauftrag auf der Grundlage des Kostenvoranschlages oder des vom Versicherer eingeholten Gutachtens erteilen, wenn der Versicherer bis dahin keine Weisungen erteilt. Auch da kann der Versicherer nicht nachkarten, der VN hätte noch einmal nachhaken müssen.

     

    Das kann auch durch einen Boten, also die Werkstatt, geschehen

    Der VN muss die Schadenmeldung nicht persönlich einreichen, um die Wirkung zu erzielen, dass darin die Bitte um Weisung liegt. Überlässt er das der Werkstatt in der Rolle des Boten, geht das in Ordnung. Dann haben allerdings auch gegenüber dem Boten formulierte Weisungen ihre Wirkung.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Beitrag „Restwert und Weisungsrecht in der Kaskoversicherung“, UE 7/2008, Seite 1
    Quelle: Ausgabe 10 / 2014 | Seite 13 | ID 42973510