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· Fachbeitrag · Unterbringung

Gutachten muss grundsätzlich auch an den Betreuten gehen bzw. mit ihm besprochen werden

| Genügt es, wenn ein Gutachten nicht dem Betreuten, sondern nur dessen Verfahrenspfleger zugeleitet wird? Nein, sagt der BGH (12.2.20, XII ZB 179/19, Abruf-Nr. 214896 ), und zwar schon zum zweiten Mal in kürzerer Zeit. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Kenntnis des Gutachtens den Betreuten gefährden würde und erwartbar ist, dass der Verfahrenspfleger das Gutachten mit ihm bespricht. Hierauf muss das Gericht aber auch hinweisen. |

 

Sachverhalt und Entscheidungsgründe

Das AG hatte ein Gutachten eingeholt und eine Verfahrenspflegerin für die Betroffene bestellt. Sodann hatte es die Betreuung um mehrere Aufgabenbereiche erweitert (u. a. Gesundheitsfürsorge, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise). Ferner wurde ein Einwilligungsvorbehalt für den Bereich Vermögenssorge angeordnet. Die Beschwerde der Betroffenen wies das LG zurück, nachdem es diese persönlich angehört hatte. Ihre Rechtsbeschwerde hatte Erfolg.

 

Wird ein Gutachten als Grundlage einer Entscheidung (hier: erweiterte Aufgabenbereiche) verwertet, muss das Gericht gem. § 37 Abs. 2 FamFG den Beteiligten Gelegenheit geben, hierzu Stellung zu nehmen. Dass der Betroffenen das Gutachten nicht selbst ausgehändigt wurde, verletze ihren grundsätzlichen Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 S. 1 GG. Das vollständige Gutachten ist einem Betroffenen im Hinblick auf seine Verfahrensfähigkeit (§ 275 FamFG) grundsätzlich auch persönlich zur Verfügung zu stellen. Es reicht nicht aus, das Gutachten nur dem Verfahrenspfleger bekannt zu geben. Ausnahme: Das Betreuungsgericht leitet das Gutachten gem. § 288 Abs. 1 FamFG dem Betroffenen nicht zu, da ihn dies gesundheitlich schädigen oder zumindest ernsthaft gefährden werde, und ferner zu erwarten ist, dass der Verfahrenspfleger das Gutachten mit dem Betreuten bespricht. Das AG hätte das Gutachten hier auch der Betroffenen zuleiten müssen.

 

Relevanz für die Praxis

Der BGH hatte schon im vergangenen Jahr diese Grundsätze betont (SR 20, 13). Dies ist ein klares Signal für Anwälte: Betreute werden öfter übergangen bzw. erfahren den Inhalt von Gutachten nicht. Ein Verfahrenspfleger muss auch dokumentieren bzw. nachweisen, wann und wie er das Gutachten mit dem Betreuten besprochen hat. Der BGH sagt klar: Muss das Gutachten dem Betreuten nicht ausgehändigt werden (§ 288 Abs. 1 FamFG), muss das Gericht den Verfahrenspfleger darauf hinweisen, dass dieser das Gutachten mit dem Betreuten bespricht. Dieser Hinweis sollte dann auch im Beschluss stehen.

 

Weiterführende Hinweise

  • Hier muss ein Verfahrenspfleger bestellt werden, SR 19, 205
  • Fibromyalgie: Es dürfen zwei Gutachter hinzugezogen werden, SR 20, 23
Quelle: Ausgabe 05 / 2020 | Seite 78 | ID 46479351