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  • · Fachbeitrag · Reparaturkosten/Gutachten

    Wenn der Regress an die Tür klopft: Ein Alarmplan für Werkstätten und Schadengutachter

    | Seit einigen Ausgaben beschäftigt UE als Redaktion und Sie als Leser eine neue Herausforderung: Manche Versicherer meinen, bei den Schadengutachtern oder den Werkstätten Regress nehmen zu können, wenn der Geschädigte ‒ juristisch gut beraten ‒ den vollen Schadenersatz durchgesetzt hat. Ohne den Teufel an die Wand malen zu wollen, aber eben aus Beobachtung der Situation heraus, wollen wir Ihnen daher einen Überblich verschaffen, wie Sie als Schadengutachter bzw. Werkstatt ganz praktisch reagieren, wenn eine Regressforderung bei Ihnen eingeht. |

    Motive der Versicherer

    Warum nehmen Versicherer Regress? Die Frage ist bei Werkstätten und Schadengutachtern unterschiedlich zu beantworten:

     

    • Bei den Werkstätten kommen 2 Möglichkeiten in Betracht:
      • Ob es den insoweit aktiven Versicherern dabei tatsächlich um das zurückgeforderte Geld geht oder
      • ob den Werkstätten suggeriert werden soll, wer den Geschädigten auf den Weg bringe, sich nichts gefallen zu lassen, habe hinterher selbst Ärger, ist noch unklar.

     

    • Bei den Schadengutachtern ist das leichter einzuordnen: Die sollen aus Sorge vor Regressen mit dem dünneren Stift schreiben. Auf Seite 15 dieser Ausgabe finden Sie ein Beispiel für einen ‒ gescheiterten ‒ Regress eines Versicherers gegen einen Sachverständigen.

     

    Was also tun, wenn der Versicherer Regress fordert?

    Schadengutachter

    Vermögensschadenhaftpflichtversicherung (VSHV)

    Das erste, worum sich der Schadengutachter kümmern muss, ist seine eigene VSHV, wenn er denn eine hat.

     

    In allen VSHV gilt: Der eigene Versicherer führt bei der Abwehr der Ansprüche Regie. Er bestimmt, wie vorgegangen wird. Wird der Versicherer zu spät informiert, kann das als Obliegenheitsverstoß im schlimmsten Fall zum Verlust des Versicherungsschutzes führen.

     

    Wichtig | Solche Versicherungen sind oft mit einer Selbstbeteiligung (SB) abgeschlossen. Nun könnte man meinen, dass bei Regressforderungen unterhalb der SB nicht nötig wäre, den Versicherer zu informieren. Doch mit den Prozesskosten kann das Gesamtrisiko die SB schnell übersteigen, erst recht, wenn das Gericht im Rechtsstreit ein weiteres Gutachten einholt.

     

    Damit der VSH-Versicherer nicht einen „seiner“ Anwälte einschaltet, ist es sinnvoll, wenn man bereits einen Klageerwiderungsentwurf des Anwalts des eigenen Vertrauens beifügt, der sich an der maßgeblichen Entscheidung des BGH (Urteil vom 13.01.2009, Az. VI ZR 205/08, Abruf-Nr. 090691), dort vor allem Randnrn. 8 und 10 orientiert.

     

    Wie viel vorgerichtliche Argumentation?

    Regressforderungen des gegnerischen Versicherers beginnen ja zunächst mit der vorgerichtlichen Geltendmachung. Auch da sollte bereits klargemacht werden, dass und warum man die Forderung für unsinnig hält. Um überhaupt Chancen zu haben, Regresse durchzusetzen, müssten sich die Versicherer doch eher die schwach aufgestellten Gutachter aussuchen. Also kann eine gut gemachte vorgerichtliche Abwehr den Prozess verhindern.

     

    Wenn allerdings auch unsachliche Einflüsse wirken, weil sich der Versicherer an einem Gutachter „festgebissen“ hat (das kann man von Zeit zu Zeit eindeutig beobachten), wird das wenig nützen.

     

    Selbstkritisch sein

    Auch ein guter Schadengutachter ist nicht frei von Fehlern. Wenn man bei selbstkritischer Prüfung erkennt, dass der Versicherer mit seiner Kritik am Schadengutachten recht haben könnte, oder wenn bereits der Prozess des Geschädigten gegen den gegnerischen Haftpflichtversicherer nur gewonnen wurde, weil sogar nachgewiesene Fehler des Gutachters den Geschädigten nicht belasten, mag es sinnvoll sein, zu der Fehlleistung zu stehen. Denn sonst leidet das Image bei Gericht doch sehr.

     

    Ein Beispiel für einen Prozess des Geschädigten gegen den Unfallgegner, der durchaus eine Regressforderung des Versicherers gegen den Gutachter nach sich ziehen könnte, ist ein Urteil des LG Dortmund: Auf dem „Hinweg“ ist es wegen perfekter schadenrechtlicher Argumentation der Anwälte des Geschädigten gutgegangen. Auf dem „Rückweg“ wird dem Schadengutachter nur schwer zu helfen sein. Und dann wird es richtig teuer.

     

    Das Urteil ist sehr lesenswert, für Gutachter, aber auch für Werkstattmitarbeiter (LG Dortmund, Urteil vom 25.04.2018, Az. 21 S 117/17, Abruf-Nr. 201896, eingesandt von Rechtsanwältin Dr. Daniela Mielchen, Hamburg).

    Werkstätten

    Selbstkritisch prüfen

    Wird eine Werkstatt mit einer vorgerichtlich vorgetragenen Regressforderung konfrontiert, ist sich selbstkritisch zu prüfen als erste Maßnahme sinnvoll. Zu unterscheiden sind die Angriffe des Versicherers,

    • dies und das hätte man auch anders machen können,
    • von den Angriffen unter dem Stichwort „Doppelberechnung“.

     

    Wenn wirklich etwas doppelt berechnet wurde (z. B. jedes Kleinteil einzeln und obendrauf noch eine Kleinteilepauschale) oder wenn etwas berechnet wurde, was so nicht oder gar nicht gemacht wurde, sollte man dazu stehen.

     

    Wichtig | Die Attacken „das war nicht nötig, siehe Prüfbericht“ sind jedoch kein Grund zur Sorge, wenn die Werkstatt nach den Vorgaben des Schadengutachters gearbeitet hat. Dass sich auch die Werkstatt auf das Schadengutachten verlassen darf, hat ja bereits das AG Stade (Urteil vom 14.05.2018, Az. 63 C 28/18, Abruf-Nr. 201327) bestätigt.

     

    Kein Versicherungsschutz

    Es ist anzunehmen, dass eine Werkstatt keine Versicherung hat, die für solche Forderungen des gegnerischen Versicherers einzustehen hat. Also muss insoweit auch nichts beachtet werden.

     

    Wie viel vorgerichtliche Argumentation?

    Vorgerichtlich sollte sich die Argumentation darauf beschränken, dass alle Arbeiten dem Gutachten gefolgt sind (Textbaustein 408: „Versicherer fordert Regress von der Werkstatt (H)“ → Abruf-Nr. 43795399), dort die letzten beiden Abschnitte). Jedenfalls bisher haben sich viele Regressforderungen damit insoweit zurückweisen lassen, dass die betroffenen Werkstätten davon seit Wochen nichts mehr gehört haben. Ob das die Ruhe vor dem Sturm ist oder ob der Versicherer den Vorgang aussortiert hat, wird sich zeigen. Bis zur Verjährung des Rückzahlungsanspruchs, wenn er denn bestünde, hat der Versicherer 3 Jahre ab dem Ende des Jahres, in dem der Geschädigte die Werkstattrechnung bezahlt hat, Zeit.

     

    Wenn eine Klage zugestellt wird

    Wenn eine Klage zugestellt wird, laufen enge Fristen. Dann ist also Eile geboten, einen Rechtsanwalt einzuschalten.

     

    Und da stellt sich die Frage: Kann der Anwalt eingeschaltet werden, der schon den Kunden im Streit gegen den Versicherer vertreten hat? Oder ist das ein Fall einer Interessenkollision?

     

    Nach unserer Einschätzung gibt es kein rechtliches Hindernis, dass derselbe Anwalt ausgewählt wird, denn das erste Mandat ist ja abgeschlossen. Doch scheint es taktisch sinnvoll zu sein, einen anderen zu nehmen. Denn der Anwalt kann ja z. B. schlecht einen Verstoß gegen das Abtretungsverbot in den AGB der Werkstatt reklamieren, wenn er selbst, um den schnellen Geldfluss zugunsten der Werkstatt zu sichern, dem Geschädigten die Abtretung der behaupteten Überzahlungsansprüche empfohlen hat. Es kann ja insoweit sinnvoll sein, das Abtretungsverbot zu ignorieren, damit erst mal das Geld fließt und abgewartet werden kann, ob der Versicherer ernst macht.

     

    Es kristallisiert sich gerade heraus, dass vertrauensvoll zusammenarbeitende Kanzleien insoweit über Kreuz arbeiten. Das regelt dann Ihr Anwalt.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Beitrag „Update: Versicherer verlangt Abtretung von Überzahlungsansprüchen vom Geschädigten“ UE 6/2018, Seite 6 → Abruf-Nr. 45309350
    • Beitrag „Versicherer verlangen Abtretung von Geschädigten: Verkehrte Welt oder angewandtes Recht?“, UE 10/2017, Seite 6 → Abruf-Nr. 44894202
    Quelle: Ausgabe 07 / 2018 | Seite 12 | ID 45362037