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  • · Fachbeitrag · Reparaturkosten

    Reparatur gemäß Gutachten gilt nicht nur bei bezahlter Rechnung

    | Fast täglich schicken die Rechtsanwälte unter den UE-Lesern Urteile, die dem Schema folgen, welches sich in der Rechtsprechung bei durchgeführten Reparaturen weitestgehend durchgesetzt hat: Der Geschädigte darf sich auf das Schadengutachten verlassen und den Auftrag zur Reparatur nach dessen Vorgaben erteilen. Ist der Versicherer dann der Meinung, dies oder das wäre nicht erforderlich gewesen, beißt er auf Granit. Das gilt auch für den Einwand, die Rechtsprechung könne nur dann angewendet werden, wenn der Geschädigte die Werkstattrechnung schon bezahlt habe. |

     

    Eigentlich müsste sich der Versicherer, wenn er Schadenpositionen für überflüssig hält, an den Schadengutachter wenden und dem nachweisen (das übliche Behaupten reicht da bei weitem nicht), dass die Positionen überflüssig waren. Da die Schadengutachter aber ein wehrhaftes Völkchen sind, das in den allermeisten Fällen erklären würde und könnte, warum dies und das eben nicht überflüssig, mindestens aber innerhalb des Ermessensspielraums war, nehmen die Versicherer jedenfalls bisher davon Abstand.

     

    Es erscheint ihnen erfolgversprechender, die Werkstätten zu attackieren. Vermutlich ist das auch faktisch erfolgreich, weil viele die Abzüge schlucken ‒ was sie nicht müssten, wie die folgenden Urteile zeigen:

    Es kommt nicht darauf an, ob die Rechnung schon bezahlt ist

    Schon lange wenden Versicherer gegen die Rechtsprechung zur Reparatur gemäß Gutachten erfolglos ein, diese könne nur dann angewendet werden, wenn der Geschädigte die Rechnung der Werkstatt schon bezahlt habe. Das basiert auf der Rechtsprechung zur Intensität der Vortragslast bei der Erstattung des Sachverständigenhonorars.

     

    Da unterscheidet der BGH zwischen vom Geschädigten beglichenen und vom Geschädigten noch nicht beglichenen Rechnungen. Ist sie bezahlt, genügt für die schadenrechtliche Erforderlichkeit allein deren Vorlage. Ist sie noch nicht bezahlt, muss eventuell noch aus Sicht des Geschädigten vorgetragen werden, dass er keinen wesentlich günstigeren unabhängigen Gutachter beauftragen konnte.

     

    Das wird von Versicherern dahingehend interpretiert, dass nur bereits bezahlte Rechnungen zu erstatten seien. Das ist so nicht richtig, denn das Schadenersatzrecht ist kein Kostenerstattungsrecht. Anderenfalls könnte es ja die fiktive Abrechnung gar nicht geben.

     

    Im Zusammenhang mit der „Reparatur gemäß Gutachten“-Rechtsprechung hat nun erstmals ein Gericht diese Frage aufgegriffen und beantwortet: Es kann nicht darauf ankommen, ob die Reparaturrechnung bereits bezahlt ist.

     

    Denn die zu beurteilende Frage liegt ja zeitlich mehrere Schritte vor der Entstehung der Rechnung. Sie lautet doch ausschließlich, ob der Geschädigte den Auftrag zur Reparatur auf der Grundlage des Gutachtens erteilen, sich also auf die Richtigkeit des Schadengutachtens verlassen durfte. Diese Frage ist mit „ja“ zu beantworten. Darauf kommt es an. Und auf der korrekten Abarbeitung des Auftrags durch die Werkstatt basiert die Rechnung (AG Siegburg, Urteil vom 26.09.2017, Az. 121 C 121/17, Abruf-Nr. 196894, eingesandt von Rechtsanwalt Henning Roepsdorff, Meckenheim).

    Weitere von der Rechtsprechung abgeschmetterte Einwände

    AG Ludwigsburg: Probefahrt, Reinigung, Hohlraumkonservierung

    Die in der Rechnung und im Urteil „Funktionsfahrt“ genannte Probefahrt hielt der Versicherer für ebenso überflüssig wie die Endreinigung zur Beseitigung des Reparaturschmutzes und die Wiederherstellung der Hohlraumkonservierung an den bearbeiteten Stellen. Das sah das Gericht anders: Schadenrechtlich darf der Geschädigte für erforderlich halten, was im Gutachten vorgesehen ist. Denn als Laie ist er von der Beurteilung der Fachleute abhängig (AG Ludwigsburg, Urteil vom 26.09.2017, Az. 6 C 1779/17, Abruf-Nr. 196895, eingesandt von Rechtsanwältin Birgit Schwarz, Weißenhorn).

     

    AG Siegburg: Lackierräder, Reinigung, Fensterschachtabdeckung

    Der Versicherer hielt den Radwechsel vor der Ofentrocknung für so überflüssig wie die Reinigung des Fahrzeugs. Und die Fensterschachtabdeckung sei wiederverwendbar. Auf alles das kommt es schadenrechtlich aber nicht an (AG Siegburg, Urteil vom 26.09.2017, Az. 121 C 121/17, Abruf-Nr. 196894, eingesandt von Rechtsanwalt Henning Roepsdorff, Meckenheim).

     

    AG Albstadt: Probefahrt und Reinigungskosten

    Vor dem AG Albstadt meinte der Versicherer, Probefahrt und Reinigung dürften nicht berechnet werden, weil die Leistungen schon im Stundenverrechnungssatz enthalten seien. Aus schadenrechtlicher Sicht kommt es darauf aber nicht an (AG Albstadt, Urteil vom 07.09.2017, Az. 1 C 255/17, Abruf-Nr. 196896, eingesandt von Rechtsanwalt Lennart Klein, Böblingen).

     

    AG München weist Versicherer schon in Zustellungsverfügung hin

    Das AG München weist bereits in der Verfügung, mit der es die Klage an den Schädiger und/oder den Versicherer zustellt, auf die Rechtslage hin: „Das Gericht weist darauf hin, dass der Kläger vorliegend nicht fiktiv, sondern auf Grundlage der Reparaturrechnung abrechnet. In diesem Fall trägt der Schädiger das Werkstattrisiko. Die Klage erscheint nach vorläufiger Bewertung der Sach- und Rechtslage vollumfänglich begründet (AG München, Verfügung vom 25.09.2017, Az. 333 C 18021/17, Abruf-Nr. 196897, eingesandt von Rechtsanwalt Ralph Burkard, Meckenheim).

     

    Weiterführende Hinweise

    • Textbaustein 443: „Reparatur gemäß Gutachten“-Rechtsprechung (H) → Abruf-Nr. 44970821
    • Sonderausgabe „Schadenpositionen von A-Z: Alle Positionen kennen und erfolgreich durchsetzen“ auf ue.iww.de → Abruf-Nr. 44953669
    Quelle: Ausgabe 11 / 2017 | Seite 5 | ID 44933807