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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    Vermittlungsleistungen oder Eigengeschäft beim Verkauf gebrauchter Kraftfahrzeuge

    von Marco Fuß, ZfU Steuerberatungsgesellschaft mbH

    | Der deutsche Kfz-Handel wartet schon lange darauf, dass sich die Finanzverwaltung bei der Abgrenzung von Vermittlungsleistungen vom Eigengeschäft beim Verkauf gebrauchter Kraftfahrzeuge klar positioniert. Die OFD Niedersachsen hat in ihrer Verfügung vom 5. Oktober 2015 diese Chance leider ungenutzt gelassen. Vielmehr verweist sie auf allgemeine Aussagen im Umsatzsteuer-Anwendungserlass, die in der aktuellen Situation wenig Klarheit verschaffen, gibt einige (teilweise recht überraschende) Hinweise und spricht ein wesentliches Problem überhaupt nicht an. |

    Viele Händler vermitteln (auch) Fahrzeuge

    In der Kfz-Branche ist es durchaus üblich, dass Kfz-Händler (Autohäuser) auch als Vermittler tätig sind. Im Neuwagen(NW)-Bereich ist dies

    • bei bestimmten Marken (z. B. Mercedes) der Regelfall für jedes Geschäft,
    • bei anderen Marken (z. B. Audi, VW) insbesondere für das Großkundengeschäft der Fall.

     

    Aus umsatzsteuerlicher Sicht liefert in diesen Fällen der jeweilige Hersteller an den Kunden. Das Autohaus als Vermittler erhält vom Hersteller eine Provision für das vermittelte Geschäft. Diese Fälle wurden in der Praxis umfassend diskutiert: Hintergrund ist die geänderte Rechtsprechung von EuGH und BFH. Danach dürfen Preisnachlässe des Autohauses an Kunden, welche das Autohaus aus der Provision finanziert, die Bemessungsgrundlage für die Vermittlungsleistungen des Autohauses an den Hersteller nicht mindern. Diese Einschätzung hat die Finanzverwaltung übernommen (BMF, Schreiben vom 27.2.2015, Az. IV D 2 - S 7200/07/10003, Abruf-Nr. 143954).

     

    In diesen Fällen ist die Vermittler-Rolle des Autohauses durch Verträge (der Hersteller schließt einen Großkundenvertrag mit dem Kunden und einen Agenturvertrag mit dem Autohaus) klar definiert. Diskussionen mit der Finanzverwaltung zur Rolle des Autohauses sind daher eher unüblich.

     

    Darüber hinaus vermitteln Autohäuser teilweise auch Gebrauchtwagen (GW)-Geschäft. Voraussetzung für ein Agenturgeschäft (Vermittlungsleistung) ist, dass das Autohaus im Namen und für Rechnung des (eigentlichen) Fahrzeugverkäufers handelt. Davon ist auszugehen, wenn

    • das Autohaus aufgrund einer Vollmacht des Verkäufers tätig wird und
    • der Erwerber des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags weiß, dass er das Fahrzeug nicht vom Autohaus, sondern von einem Dritten erwirbt.

     

    In diesen Fällen muss das Autohaus lediglich die ihm zustehende Provision des Fahrzeugverkäufers, und nicht den erhaltenen Kaufpreis für die Fahrzeuglieferung der Umsatzbesteuerung unterwerfen.

     

    Abgrenzungsfragen bei GW-Geschäften

    Zu Abgrenzungsfragen bei GW-Geschäften nimmt die OFD Niedersachsen (Verfügung vom 5.10.2015, Az. S 7110 - 3 e- St 171, Abruf-Nr. 146381) Stellung.

     

    Vertragsmuster des ZDK „abgesegnet“

    Dabei verweist sie auf die Ausführungen im Abschnitt 3.7 Abs. 2 Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE). Die wesentliche Feststellung darin ist der Verweis auf die vom ZDK entwickelten Vertragsmuster. Verwendet ein Autohaus diese Muster beim Abschluss von Verträgen, geht die Finanzverwaltung stets von einer Vermittlungsleistung des Autohauses aus. Weitere Voraussetzung ist aber, dass die Beteiligten auch tatsächlich entsprechend verfahren.

     

    PRAXISHINWEIS | Verfolgt Ihr Autohaus das Ziel, ein GW-Geschäft als Vermittlungsleistung abzubilden, sollten Sie diese Vertragsmuster verwenden. Sie erreichen damit eine gewisse Rechtssicherheit und vermeiden Diskussionen mit der Finanzverwaltung.

     

    GW-Inzahlungnahme beim NW-Geschäft

    GW-Geschäfte stehen beim Autohaus häufig in Verbindung mit einem NW-Geschäft. Üblicherweise gibt der NW-Käufer einen GW in Zahlung, um einen Teil des Kaufpreises für den NW zu begleichen. In diesen Fällen ergibt sich insbesondere die Besonderheit eines etwaigen verdeckten Preisnachlasses.

     

    Diese Konstellation kann sich auch bei einer Vermittlungsleistung des Autohauses ergeben. Der NW-Käufer gibt den GW dann nicht beim Autohaus in Zahlung, sondern übergibt ihn dem Autohaus zur Vermittlung. In diesen Fällen wird dem NW-Käufer - im Rahmen des NW-Kaufvertrags - häufig ein zinsloser Kredit in Höhe der Preisuntergrenze des GW eingeräumt.

     

    Damit diese Kreditgewährung einem Vermittlungsgeschäft nicht entgegensteht, muss für das Ende der Kreditgewährung in der Praxis zwingend ein Termin angegeben werden. Die Finanzverwaltung sieht im UStAE eine Kreditdauer von sechs Monaten als unschädlich an. Die OFD Niedersachsen stellt in ihrer aktuellen Verfügung fest, dass sowohl Beginn als auch Dauer der Kreditgewährung frei wählbar sind. Auch eine längere Laufzeit als sechs Monate ist damit unschädlich.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Verfügung der OFD Niedersachsen bindet nicht die gesamte Finanzverwaltung. In der Praxis scheint es daher ratsam, die Sechs-Monats-Frist nur in begründeten Ausnahmefällen zu überschreiten.

     

    Minusgeschäfte können „gerettet“ werden

    Ein Vermittlungsgeschäft liegt grundsätzlich nicht vor, wenn

    • der GW unter dem vereinbarten Mindestpreis verkauft wird und auf den Kaufpreis (des NW) dennoch der vereinbarte Mindestkaufpreis angerechnet wird (sogenanntes Minusgeschäft, BFH, Urteil vom 29.9.1987, Az. X R 13/81, BStBl 1988 II, 153) oder
    • der Kaufvertrag über den NW nach Übernahme des GW ohne Rücksicht darauf endgültig abgewickelt wird, ob der festgesetzte Preis für den GW erzielt wird (BFH, Urteil vom 25.6.1987, Az. V R 78/79, BStBl 1987 II, 657).

     

    Wichtig | Die OFD Niedersachsen stellt nun klar, dass in folgenden Fällen weiterhin von einem Vermittlungsgeschäft auszugehen sei: Der Mindestverkaufspreis kann zwar nicht erzielt werden. Das Autohaus und der GW-Verkäufer (= NW-Käufer) setzen aber den Mindestverkaufspreis einvernehmlich herab und reduzieren gleichzeitig den NW-Kaufpreis.

     

    Aufwendungen für Nachbesserung können „unschädlich“ sein

    Bisweilen entstehen einem Autohaus aufgrund von Nachbesserungen am (vermittelten) GW Kosten, die die Vermittlungsprovision übersteigen. Nach Ansicht der OFD Niedersachsen soll es sich dennoch weiterhin um eine Vermittlungsleistung handeln. Dies gilt zumindest dann, wenn das Autohaus durch die Entscheidung einer Schiedsstelle zur Nachbesserung verpflichtet wurde.

     

    Händlergarantien stets steuerfreier Versicherungsschutz?

    Überraschend sind die Ausführungen der OFD Niedersachsen zu den Garantiemodellen: Vom Autohaus gegen gesondertes Entgelt angebotene Händlergarantien sollen stets eigenständige Hauptleistungen des Händlers sein. Diese sollen entweder nach § 4 Nr. 8g UStG als Garantieübernahme umsatzsteuerbefreit sein oder nach § 4 Nr. 10b UStG - im Falle der Vermittlung einer Garantieversicherung - eine steuerfreie Verschaffung von Versicherungsschutz darstellen.

     

    Aus umsatzsteuerlicher Sicht vermag die Ansicht zur Vermittlung einer „Garantieversicherung“ noch zu überzeugen: Der BFH (Urteil vom 9.10.2002, Az. V R 667/01, BStBl 2003 II, 378) hat diese - in der Branche als Versicherungsmodell bezeichnete - Variante ebenfalls als eigenständige Leistung beurteilt, welche nach § 4 Nr. 10b UStG von der Umsatzsteuer befreit ist.

     

    Wichtig | In der Praxis hat diese Variante jedoch spätestens mit der Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. (Urteil vom 21.12.1995, Az. 6 U 148/95, NJW-RR 1996, 1386) an Bedeutung verloren. Das OLG hatte entschieden, dass bei Versicherungsmodellen das Autohaus im Schadensfall keinerlei eigene Leistung erbringen müsse, sondern nur die Versicherung in Anspruch genommen werde. Daher sei der Begriff „Garantie“ irreführend und eine Bewerbung des Versicherungsmodells insoweit unzulässig. In der Praxis sind daher reine Versicherungsmodelle nahezu nicht mehr anzutreffen.

     

    Aus umsatzsteuerlicher Sicht dagegen nicht zutreffend erscheint die Aussage zur „händlereigenen Garantie“:

     

    • Zum einen ist hinsichtlich der Frage, inwieweit es sich bei der händlereigenen Garantiezusage um eine eigenständige Leistung oder eine unselbstständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung (bzw. Vermittlungsleistung) handelt, noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung ergangen. Das FG Münster (Urteil vom 5.6.2009, Az. 5 K 3002/05 U, Abruf-Nr. 093010), geht jedoch von einer unselbstständigen Nebenleistung aus.
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    PRAXISHINWEIS | Im Ergebnis führt somit die händlereigene Garantiezusage immer zu einer steuerpflichtigen Leistung. Autohäuser sind folglich gut beraten, sich insoweit nicht auf die Auffassung der OFD Niedersachsen zu stützen.

     

    Weitere Themen

    Abschließend stellt die OFD Niedersachen klar, dass folgende Sachverhalte keine Auswirkung auf die Beurteilung der Leistung des Autohauses als Vermittlungsleistung haben:

     

    • Vereinbarungen zwischen einem Autohaus und einem Lieferanten von Ölprodukten hinsichtlich der teilweisen Freistellung von Schäden
    • Der Abschluss von etwaigen Untervermittlungsverträgen im Rahmen einer Geschäftsveräußerung des Autohauses

    Wesentlicher Punkt weiter ungeregelt

    Einen wichtigen Sachverhalt thematisiert die OFD-Verfügung leider nicht. Den Autohäusern bereiten in der Praxis insbesondere die Fälle Probleme, in denen sie entscheiden müssen, ob ihr Abnehmer selbst als Eigenhändler oder als Vermittler tätig ist. Stichwort: Exportdienstleister bei grenzüberschreitenden Lieferungen.

     

    • Sachverhalt
    • Ein Exportdienstleister bietet dem deutschen Autohaus an, etwaige Auslandsgeschäfte zu vereinfachen, indem er die Dokumentationspflichten für die grenzüberschreitende Lieferung übernimmt.
    • Er erwirbt das Fahrzeug beim deutschen Autohaus und veräußert dies an den Endkunden im Ausland weiter.
    • Ausgehend von einer Lieferkette (umsatzsteuerliches Reihengeschäft) stellt das Autohaus dem Exportdienstleister eine steuerpflichtige Lieferung mit Ausweis von deutscher Umsatzsteuer in Rechnung.
    • Der Exportdienstleister wiederum fakturiert an den Endkunden eine steuerfreie grenzüberschreitende (in den meisten Fällen innergemeinschaftliche) Lieferung.
    • Die - insbesondere in der Kfz-Handelsbranche durch die Finanzverwaltung noch intensiver als üblich geprüften - Buch- und Belegnachweise sind folglich durch den Exportdienstleister zu dokumentieren.
     

    Diese Sachverhaltskonstellationen sind der Finanzverwaltung ein Dorn im Auge. So hat der „Fall Baumer“ die gesamte Branche lange beschäftigt. Dabei hat die Finanzverwaltung diese Abwicklung von grenzüberschreitenden Lieferungen in der Vergangenheit aus folgenden Erwägungen nicht akzeptiert:

     

    • Die Sicht der Finanzverwaltung
    • Die Finanzverwaltung vertrat die Auffassung, dass der Exportdienstleister lediglich als Vermittler aufgetreten sei.
    • Eine Fahrzeuglieferung vom deutschen Autohaus an den Exportdienstleister hätte nicht vorgelegen. Folglich ließ die Finanzverwaltung den Vorsteuerabzug auf Ebene des Exportdienstleisters nicht zu.
    • Für das deutsche Autohaus verbleibt es zunächst bei der Steuerschuld aus der vermeintlich falschen Rechnungsstellung (§ 14c UStG).
    • Darüber hinaus versucht die Finanzverwaltung in solchen Fällen, die Umsatzsteuer auf Ebene des deutschen Autohauses ein zweites Mal zu erheben, weil sie keine steuerfreie „Direktlieferung“ des Autohauses an den Endkunden zulässt.
     

    Mit dieser Argumentation hat die Finanzverwaltung bereits die „Firma Baumer“ in die Insolvenz getrieben. Am Markt sind jedoch aktuell immer noch eine ganze Reihe von Exportdienstleistern aktiv. Zwischenzeitlich sind viele von diesen in den Fokus der Finanzverwaltung gerückt.

     

    Diese E- für den Umsatzsteuerrechtler nicht nachvollziehbare - Argumentation der Finanzverwaltung birgt für jedes deutsche Autohaus ein unkalkulierbares Risiko. Häufig ist es nämlich so, dass sich der Exportdienstleister nicht direkt als solcher zu erkennen gibt. Vielmehr geht das deutsche Autohaus von einer „üblichen“ Fahrzeuglieferung an ein deutsches Unternehmen aus. Erst kurz vor Abholung des Fahrzeugs - wenn überhaupt - wird für das deutsche Autohaus ersichtlich, dass das Fahrzeug ins Ausland gelangen soll.

     

    Für Maßnahmen zur Risikosteuerung ist es in vielen Fällen dann bereits zu spät. Damit schwebt über diesen Autohäusern ein Damoklesschwert, dass die Finanzverwaltung bei einer Außenprüfung einen „beliebigen“ Kunden als Exportdienstleister einstuft und folglich ein zweites Mal Umsatzsteuer fordert. Die Marge ist im Regelfall damit (wohl mehrfach) aufgebraucht.

     

    FAZIT | Es wäre wünschenswert, wenn die Finanzverwaltung den deutschen Autohäusern klare Richtlinien an die Hand geben würde, wann sie davon ausgehen können, dass ihr Abnehmer als Eigenhändler auftritt und wann dieser lediglich als Vermittler tätig ist.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Beitrag „Preisnachlässe bei der Vermittlung - neue Regeln gelten bald“, ASR 4/2015, Seite 1
    • Beitrag „Preisnachlässe bei der Vermittlung von Neufahrzeugen: Antworten auf zwei Praxisfragen“, ASR 10/2014, Seite 5
    • Beitrag „Preisnachlässe bei der Vermittlung von Neufahrzeugen“, ASR 7/2014, Seite 1
    Quelle: Ausgabe 03 / 2016 | Seite 4 | ID 43845739