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· Fachbeitrag · Steuererklärung

Pflege von Angehörigen und Bekannten: So beteiligt sich das Finanzamt ‒ Teil 2

von Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage, www.steuer-webinar.de

| In der letzten Ausgabe haben Sie schon einige der steuerlichen Abzüge kennengelernt, die Mandanten für die Pflege von Angehörigen oder Bekannten geltend machen können. In diesem Teil 2 des Beitrags geht es um die Pflegekosten als Unterhaltsleistung und den Pflege-Pauschbetrag. |

1. Pflegekosten als Unterhaltsleistung nach § 33a EStG

Unterstützen Mandanten eine zu pflegende Person finanziell durch Unterhaltsleistungen oder sind übernommene Kosten für ein Pflege- bzw. Altenheim entsprechend der schon dargestellten Abgrenzung nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG, sondern als Unterhaltsleistung einzuordnen (z. B. eine etwaige Haushaltsersparnis), können sie Zahlungen nach § 33a Abs. 1 EStG abziehen.

 

a) Die Voraussetzungen für den Abzug

Voraussetzung ist neben den erfolgten Zahlungen, dass die Mandanten

  • der begünstigten Person gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet sind,
  • einen Antrag stellen (Abgabe Steuererklärung mit Anlage „Unterhalt“),
  • die Identifikationsnummer der unterhaltenen Person angeben,
  • keinen Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder einen Anspruch auf Kindergeld für die unterhaltene Person haben und
  • die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt. Als geringfügig gilt ein Vermögen bis zu einem Verkehrswert von 15.500 EUR. Vermögensgegenstände bleiben außer Betracht, deren Veräußerung eine Verschleuderung bedeuten würde, die einen besonderen persönlichen Wert für den Unterhaltsempfänger haben, der Hausrat sowie ein angemessenes Hausgrundstück (R 33a.1 Abs. 2 EStR).

 

PRAXISTIPP | Die gesetzliche Unterhaltsverpflichtung richtet sich nach dem BGB oder dem LPartG. Somit müssen die zivilrechtlichen Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch vorliegen und die Unterhaltskonkurrenzen beachtet werden. Eine Prüfung der tatsächlichen Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers (sog. konkrete Betrachtungsweise) ist für Mandanten aufgrund einer Verwaltungsvereinfachung der Finanzverwaltung nicht erforderlich (R 33a.1 Abs. 1 S. 4 EStR). Entscheidend ist allein, dass die unterstützte Person unbeschränkt steuerpflichtig sowie dem Grunde nach (potenziell) unterhaltsberechtigt ist, tatsächlich Unterhalt erhält und alle übrigen Voraussetzungen des § 33a Abs. 1 EStG vorliegen; insoweit wird die Bedürftigkeit der unterstützten Person typisierend unterstellt (abstrakte Betrachtungsweise).

 

Folge: Wer nahe Verwandte unterstützt, erfüllt die Voraussetzung regelmäßig. Wer einen Freund oder einen Bekannten außerhalb des eigenen Haushalts unterstützt, kann nicht von § 33a EStG profitieren. Es mangelt dann an einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung.

 

b) Der abzugsfähige Höchstbetrag

Liegen diese Voraussetzungen vor, können Mandanten Unterhaltsleistungen bis zu einem Höchstbetrag von 9.408 EUR im Jahr 2020 bzw. 9.744 EUR im Jahr 2021 dem Grunde nach absetzen. Der Höchstbetrag erhöht sich um von den Mandanten übernommene Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG („Basisabsicherung“), sofern diese nicht bereits als Sonderausgaben zu berücksichtigen sind.

 

PRAXISTIPP | Die Mandanten müssen ihre Unterhaltsleistungen gegenüber dem Finanzamt nachweisen bzw. glaubhaft machen. Hierzu sollten sie vorsorglich Zahlungsnachweise aufbewahren. Gehört die unterhaltsberechtigte Person zum Haushalt, geht das Finanzamt ohne weitere Nachweise regelmäßig davon aus, dass Unterhaltsaufwendungen in Höhe des Höchstbetrags erwachsen sind (R 33a.1 Abs. 1 S. 5 EStR). Nachweise brauchen dann nicht vorgelegt werden.

 

c) Eigene Einkünfte und Bezüge mindern Abzugsbetrag

Allerdings mindert sich dieser Höchstbetrag nach § 33a Abs. 1 S. 5 EStG um eigene Einkünfte und Bezüge der unterstützten Person, soweit diese den Betrag von 624 EUR jährlich übersteigen. Von den Bezügen sind entsprechend R 33a.1 Abs. 3 S. 5 EStR vorab jährlich 180 EUR als Kostenpauschale in Abzug zu bringen. Ein höherer Einzelnachweis von Aufwendungen ist möglich.

 

Bezieht die unterstützte und gepflegte Person z. B. eine Rente, ist der Jahresbetrag der Rente zunächst um den Werbungskosten-Pauschbetrag von 102 EUR und um die Kostenpauschale von 180 EUR zu mindern. Vom verbleibenden Betrag ist der Freibetrag von 624 EUR abzuziehen. Danach verbleibende Einkünfte und Bezüge sind vom Höchstbetrag abzuziehen. Nur den Betrag, der noch verbleibt, können Mandanten nach § 33a EStG abziehen ‒ sofern sie in dieser Höhe Unterhalt geleistet haben.

 

PRAXISTIPP | Ein ausführliches Berechnungsbeispiel zur Anrechnung eigener Einkünfte und Bezüge finden Sie in SSP 3/2020, Seite 8, Abruf-Nr. 46348259.

 

2. Der unbürokratische Pflege-Pauschbetrag ‒ ab 2021

Außergewöhnliche Belastungen, die den Mandanten wegen der Pflege einer anderen pflegebedürftigen Person entstehen, können sie grundsätzlich über § 33 EStG geltend machen (s. o.). Sie können aber ‒ unter den Voraussetzungen des § 33b Abs. 6 EStG ‒ auch einen Pflege-Pauschbetrag ansetzen. Dieser bietet den Vorteil, dass sie keine Nachweise über die Aufwendungen erbringen und sich keine zumutbare Belastung abziehen lassen müssen. Der Pflege-Pauschbetrag mindert damit sofort und in voller Höhe die Steuerlast der Mandanten zum individuellen Spitzensteuersatz.

 

a) Die Voraussetzungen

Allerdings ist auch dieser unkomplizierte Pauschbetrag an einige Voraussetzungen gebunden:

 

  • 1. Die Mandanten dürfen für ihre Pflegeleistungen keine Einnahmen erhalten. Wird ihnen z. B. aus der Pflegeversicherung ein Pflegegeld gezahlt, können sie keinen Pflege-Pauschbetrag beanspruchen. Dies gilt auch, wenn die gepflegte Person ein etwaiges Pflegegeld an sie weiterleitet. Ausnahme: Wenn die Mandanten das Geld treuhänderisch verwalten und damit ausschließlich Aufwendungen des Pflegebedürftigen bestreiten.
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  • 2. Die Mandanten müssen die Pflegeleistungen entweder in ihrer Wohnung oder in der Wohnung des Pflegebedürftigen persönlich erbringen. Beauftragen sie mit der vollständigen Pflegeleistung einen Pflegedienst und werden nicht selbst tätig, scheidet der Pauschbetrag aus. Beauftragen sie dagegen zeitweise einen ambulanten Pflegedienst und erbringen die übrigen Pflegeleistungen selbst, erfüllen sie diese Voraussetzung für den Pauschbetrag.
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  • 3. Die Wohnung, in der die Pflegeleistungen erbracht werden, muss sich in einem Mitgliedsstaat der EU oder dem EWR befinden.
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  • 4. Die Mandanten müssen in ihrer Einkommensteuererklärung den Pflege-Pauschbetrag beantragen und die steuerliche Identifikationsnummer der gepflegten Person angeben (§ 33b Abs. 6 S. 8 EStG).

 

PRAXISTIPPS |

  • 1. Nicht zu den schädlichen Einnahmen, die den Pflege-Pauschbetrag ausschließen, zählt Pflegegeld, das Eltern eines behinderten Kindes für das Kind bekommen (§ 33b Abs. 6 S. 2 EStG). Egal, wofür die Eltern das Geld verwenden.
  • 2. Pflege-Pauschbetrag und außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG schließen sich gegenseitig aus. Möglich ist aber eine Kombination von Pflege-Pauschbetrag und Unterhaltsleistung nach § 33a EStG.
  • 3. Auch die Pflege des pflegebedürftigen Ehegatten berechtigt zur Geltendmachung des Pflege-Pauschbetrags.
 

b) Höhe des Pflege-Pauschbetrags

Liegen die genannten Voraussetzungen vor, beträgt der Pflege-Pauschbetrag

  • 600 EUR bei Pflegegrad 2,
  • 1.100 EUR bei Pflegegrad 3,
  • 1.800 EUR bei Pflegegrad 4,
  • 1.800 EUR bei Pflegegrad 5 und
  • ebenfalls 1.800 EUR bei hilflosen Personen.

 

Um einen Pflege-Pauschbetrag beanspruchen zu können, ist es seit 2021 also erforderlich, dass der gepflegten Person ein Pflegegrad von mindestens „2“ zugewiesen wurde oder diese „hilflos“ ist. Ändert sich im Laufe eines Jahres der Pflegegrad oder wird erstmals ein Pflegegrad festgestellt, ist der Pflege-Pauschbetrag nach dem höchsten im Jahr festgestellten Pflegegrad zu gewähren. Gleiches gilt, wenn Hilflosigkeit festgestellt wird.

 

Der Pauschbetrag ist im Übrigen ein Jahresbetrag, der nicht zeitanteilig gekürzt wird. Wird also z. B. erstmals im Dezember ein Pflegegrad von 2 oder mehr festgestellt, wird bereits für dieses Jahr der ungekürzte Pauschbetrag gewährt. Ebenfalls steht Mandanten der volle Pauschbetrag zu, wenn sie die Pflege im Laufe des Jahres beendet haben (z. B. weil die gepflegte Person verstorben ist).

 

Wichtig | „Hilflosigkeit“ ist in § 33b Abs. 3 S. 4 EStG näher definiert. Sie ist durch einen Ausweis nach SGB IX nachzuweisen (Merkzeichen „H“).

 

c) Pflege durch mehrere Personen

Teilen Mandanten sich die Pflege mit anderen Personen, vervielfacht sich der Pflege-Pauschbetrag nicht. Er wird auf alle Pflegenden verteilt, die die allgemeinen Voraussetzungen für den Abzug erfüllen (§ 33b Abs. 6 S. 9 EStG). Aus diesem Grund müssen sie in der Steuererklärung zwingend angeben, ob und, wenn ja, wie viele weitere Personen ebenfalls für diese Person Pflegeleistungen erbracht haben. Dabei ist es nicht erforderlich, dass jede dieser Personen auch den Pflege-Pauschbetrag in der eigenen Steuererklärung beantragt. Es kommt rein darauf an, dass mehrere Personen an der Pflege mitgewirkt haben und ihrerseits die Voraussetzungen erfüllen.

 

  • Beispiel

Anton, Berta, Christa und Diana pflegen gemeinsam ihre Mutter (Pflegegrad 4). Anton, Berta und Christa erhalten für die Pflege keine Einnahmen. Diana erhält hingegen eine monatliche Zahlung in Höhe von 250 EUR. Anton und Berta beantragen einen Pflege-Pauschbetrag. Christa beantragt keinen Pflege-Pauschbetrag, da sich dieser bei ihr steuerlich nicht auswirkt.

 

Lösung: Da die Pflege von mehreren Personen durchgeführt wird, ist der Pflege-Pauschbetrag von 1.800 EUR auf Anton, Berta und Christa zu verteilen (jeweils 600 EUR). Diana wird bei der Verteilung nicht berücksichtigt, da sie die Voraussetzungen für den Pflege-Pauschbetrag nicht erfüllt. Dass Christa den ihr zustehenden Anteil von 600 EUR nicht beantragt, ist für die Verteilung unerheblich.

 

PRAXISTIPP | Der Pflege-Pauschbetrag wird je gepflegter Person nur einmal gewährt. Pflegen Mandanten alleine jedoch mehrere Personen, können sie für jede gepflegte Person einen Pauschbetrag beantragen und mehrfach profitieren.

 

d) Das gilt beim Pflege-Pauschbetrag für die Pflege Angehöriger bis 2020

Bis einschließlich 2020 konnte der Pflege-Pauschbetrag noch unter leicht anderen Voraussetzungen beantragt werden. Hier war erforderlich, dass die zu pflegende Person nicht nur vorübergehend hilflos ist. Zudem war eine Angabe der Identifikationsnummer noch nicht erforderlich und der Pauschbetrag belief sich lediglich auf jährlich 924 EUR. Auf einen speziellen Pflegegrad kam es nicht an. Der Pflege-Pauschbetrag für 2020 wird in der „Anlage außergewöhnliche Belastung“ in den Zeilen 11 und 12 beantragt.

Quelle: Ausgabe 01 / 2022 | Seite 11 | ID 47894127