Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Steuererklärung

Aufwendungen für die eigene Pflege: So mindern Senioren ihre Steuerlast

von Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage, www.steuer-webinar.de

| In einer immer älter werdenden Gesellschaft stehen Pflegeleistungen auf der Tagesordnung. So stellt sich für Mandanten für den Fall, dass sie selbst gepflegt werden müssen, die Frage: Welche der Kosten, die sie selbst tragen müssen, können sie steuermindernd geltend machen? Der folgende Beitrag zeigt, was bei der Steuererklärung beachtet werden muss. |

1. Eigene Pflegekosten als außergewöhnliche Belastung

Müssen Senioren Pflegeleistungen in Anspruch nehmen, können sie die Aufwendungen nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung abziehen. Es ist unerheblich, um welche Pflegeleistung es sich konkret handelt. Begünstigt sind sowohl die Kosten für die Beschäftigung einer ambulanten Pflegekraft als auch die Inanspruchnahme von Pflegediensten, Einrichtungen der Tages- oder Nachtpflege, die Kurzzeitpflege oder von nach Landesrecht anerkannten niedrigschwelligen Betreuungsangeboten. Auch die Aufwendungen zur Unterbringung in einem Heim werden von § 33 EStG erfasst.

 

Wichtig | Von § 33 EStG sind nur Aufwendungen für Pflege und Betreuung begünstigt. Beschäftigen Mandanten eine Kraft, die neben Pflegeleistungen auch andere Leistungen erbringt (z. B. kochen und putzen), sind die Pflegeleistungen von § 33 EStG und die übrigen Leistungen von § 35a EStG begünstigt.

 

a) Voraussetzungen und Nachweise für den Steuerabzug

Wie meist üblich im Steuerrecht, geht steuerlich nichts, ohne dass gewisse Voraussetzungen erfüllt und Nachweise erbracht werden. So ist es auch mit den Pflegekosten. Da es sich bei § 33 EStG um die außergewöhnlichen Belastungen handelt, muss eine gewisse Zwangsläufigkeit für die Aufwendungen gegeben sein. Mit anderen Worten: Lassen Mandanten sich pflegen, ohne es eigentlich nötig zu haben, können sie keine Pflegekosten nach § 33 EStG geltend machen. Der Abzug setzt voraus, dass die Person pflegebedürftig ist.

 

Das ist der Fall, wenn bei dem Mandanten mindestens der Pflegegrad 1 im Sinne der §§ 14, 15 SGB XI festgestellt wurde. Den Nachweis über die Pflegebedürftigkeit erbringt er durch Bescheinigung (z. B. Leistungsbescheid oder -mitteilung) der Pflegekasse, des privaten Versicherungsunternehmens, das die private Pflegepflichtversicherung durchführt oder nach § 65 Abs. 2 EStDV.

 

PRAXISTIPPS |

  • 1. Erfüllt der Mandant die Voraussetzungen nicht und wird er ambulant durch einen anerkannten Pflegedienst im Sinne des § 89 SGB XI gepflegt, kann er die in Rechnung gestellten Pflegekosten dennoch als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG geltend machen (R 33.3 Abs. 3 EStR).
  • 2. Auch bei einem durch Krankheit veranlassten Aufenthalt in einem Seniorenheim oder -wohnstift sind die Kosten für die Unterbringung nach Maßgabe der für Krankheitskosten geltenden Grundsätze abzugsfähig (BFH 14.11.13, VI R 20/12, Abruf-Nr. 141043).
  • 3. Ob die Pflegebedürftigkeit bereits vor Beginn des Heimaufenthalts oder erst später eingetreten ist, ist ohne Bedeutung. Ab Feststellung eines Pflegegrads von mindestens 1 sind die entstandenen Aufwendungen zu berücksichtigen.
 

b) Aufwendungen abzüglich Erstattungen sind begünstigt

Erfüllt der Senior die Voraussetzungen, sind sämtliche Pflegekosten als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Der Begriff „Aufwendungen“ beinhaltet jedoch auch die Voraussetzung, dass er wirtschaftlich belastet sein muss. Erhält der Mandant daher Ersatzleistungen oder Unterstützungen von dritter Seite, muss er diese von seinen Aufwendungen abziehen. Das gilt z. B. für Leistungen der Pflegeversicherung (H 33.1 ‒ 33.4 „Ersatz von dritter Seite“ EStH) und solche aus einer privaten Pflegezusatzversicherung (BFH, Beschluss 14.4.11, VI R 8/10, Abruf-Nr. 111942). Nur wenn die Erstattungen im Ausnahmefall zu steuerpflichtigen Einnahmen führen, sind diese nicht abzuziehen.

 

Wichtig | Unerheblich ist, ob die Erstattungen erst in einem anderen Jahr geleistet werden. Konnte der Mandant bereits in dem Jahr, in dem die Belastung eingetreten ist, mit einer Erstattung rechnen, ist die Erstattung auch bei späterer Zahlung von den Aufwendungen abzuziehen (BFH 21.8.74, VI R 236/71). Der Abzug von Aufwendungen ist ebenfalls ausgeschlossen, wenn eine allgemein zugängliche und übliche Versicherungsmöglichkeit nicht wahrgenommen wurde (BFH 6.5.94, III R 27/92).

 

c) Heimunterbringung ‒ Haushaltsersparnis abziehen

Ist der Mandant so pflegebedürftig geworden, dass er seinen Haushalt auflösen und in ein Pflegeheim umziehen musste, muss er von den Aufwendungen für die Heimunterbringung (inkl. Unterkunft und Verpflegung) eine Haushaltsersparnis abziehen. Dies liegt daran, dass er Verpflegungs- und Unterbringungskosten in seinem bisherigen Haushalt einspart. Diese Haushaltsersparnis ist mit dem in § 33a Abs. 1 S. 1 EStG genannten Höchstbetrag der abziehbaren Aufwendungen für Unterhaltsleistungen anzusetzen (9.408 EUR im Jahr 2020 bzw. 9.744 EUR im Jahr 2021).

 

Liegt eine Haushaltsersparnis nur während eines Teils des Jahres vor, sind die anteiligen Beträge anzusetzen (1/360 pro Tag bzw. 1/12 pro Monat). Sind sowohl Mandant als auch Ehegatte krankheits- oder pflegebedingt in einem Alten- und Pflegeheim untergebracht, ist für beide eine Haushaltsersparnis anzusetzen (BFH 4.10.17, VI R 22/16, Abruf-Nr. 198133).

 

PRAXISTIPP | Behalten Mandanten ihren privaten Haushalt neben der Heimunterbringung bei, ist keine Haushaltsersparnis gegenzurechnen. Gleichermaßen sind Kosten für die Unterbringung in einem Krankenhaus ohne Kürzung um eine Haushaltsersparnis abzugsfähig (BFH 22.6.79, VI R 43/76).

 

d) Zumutbare (Eigen-)Belastung mindert Abzugsbetrag

Die so ermittelten außergewöhnlichen Belastungen wirken sich steuerlich jedoch nur aus, wenn sie die zumutbare (Eigen-)Belastung im Sinne des § 33 Abs. 3 EStG übersteigen. Die zumutbare Belastung richtet sich nach dem Familienstand, der Anzahl der zu berücksichtigenden Kinder und der Höhe des Gesamtbetrags der Einkünfte. Die zumutbare Belastung ist stufenweise zu berechnen (BFH 19.1.17, VI R 75/14, Abruf-Nr. 192930).

  • Beispiel

Alfred ist ledig und hat für ein Kind Anspruch auf Kindergeld bzw. -freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG. Sein Gesamtbetrag der Einkünfte beträgt 60.000 EUR. Die zumutbare Belastung berechnet sich wie folgt:

 

Stufe 1

15.340 x 2 Prozent

306,80 EUR

Stufe 2

51.130 ./. 15.340 x 3 Prozent

1.073,70 EUR

Stufe 3

60.000 ./. 51.130 x 4 Prozent

354,80 EUR

Zumutbare Belastung

1.735,30 EUR

 

 

2. Eigene Pflegekosten als haushaltsnahe Dienstleistungen

Stellen die Pflegekosten keine außergewöhnliche Belastung dar, können Mandanten dennoch von einer Steuerermäßigung profitieren. Die in den Aufwendungen enthaltenen Lohnkosten inkl. Umsatzsteuer können sie als haushaltsnahe Dienstleistung nach § 35a Abs. 1 bis 3 EStG geltend machen. Hier beträgt die Steuerermäßigung pauschal 20 Prozent der Bruttolohnkosten, gedeckelt auf Höchstbeträge (geringfügige Beschäftigungen 510 EUR, übrige haushaltsnahe Dienstleistungen 4.000 EUR, Handwerkerleistungen 1.200 EUR) pro Jahr.

 

Wichtig | Wohnt der Senior in einem Altenheim, einem Altenwohnheim, einem Pflegeheim oder einem Wohnstift, muss er über einen eigenen Haushalt verfügen. Dieser ist gegeben, wenn die Räumlichkeiten nach der Ausstattung für eine Haushaltsführung geeignet sind (Bad, Küche, Wohn- und Schlafbereich), individuell genutzt werden können (Abschließbarkeit) und der Mandant eine eigene Wirtschaftsführung nachweisen oder glaubhaft machen kann.

 

a) Kombination § 35a EStG mit § 33 EStG zulässig

Sind Aufwendungen nach § 33 EStG zu berücksichtigen, wirkt sich ein Teil davon wegen der zumutbaren Belastung nicht aus. Dieser Teil ist steuerlich nicht ganz verloren (mehr dazu unten).

 

In dem Fall kann der Mandant für den Teil der Aufwendungen, der unter § 33 EStG fällt und sich aufgrund der zumutbaren Belastung oder wegen der Gegenrechnung von Pflegegeld oder Pflegetagegeld nicht als außergewöhnliche Belastung steuerlich auswirkt, die Steuerermäßigung nach § 35a EStG in Anspruch nehmen. Vorteil: Es ist pauschal davon auszugehen, dass die zumutbare Belastung vorrangig auf sowohl unter § 33 EStG als auch unter § 35a EStG fallende Aufwendungen entfällt. Damit müssen die Aufwendungen, die unter beide Vorschriften fallen, nicht prozentual aufgeteilt werden. Es wird vielmehr die Höhe der Aufwendungen ermittelt, die sowohl unter § 33 als auch unter § 35a EStG fällt. Sie wird mit der zumutbaren Belastung verglichen. Der niedrigere Betrag wird für die Steuerermäßigung nach § 35a EStG berücksichtigt (BMF, Schreiben vom 9.11.16, IV C 8 ‒ S 2296-b/07/10003:008, Abruf-Nr. 190166, Rz. 32).

 

PRAXISTIPP | Leistungen der Pflegeversicherung sowie Leistungen im Rahmen des persönlichen Budgets im Sinne des § 17 SGB IX sind wie auch bei § 33 EStG auf die begünstigen Aufwendungen anzurechnen, soweit sie ausschließlich und zweckgebunden für Pflege- und Betreuungsleistungen sowie für haushaltsnahe Dienstleistungen gewährt werden. Die Aufwendungen sind deshalb um erhaltene Pflegesachleistungen nach § 36 SGB XI und dem Kostenersatz für zusätzliche Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI zu kürzen. Leistungen der Pflegeversicherung im Sinne des § 37 SGB XI (Pflegegeld) sind dagegen nicht anzurechnen, weil sie nicht zweckgebunden für professionelle Pflegedienste bestimmt sind, die die Voraussetzungen des § 35a Abs. 5 EStG erfüllen (Ausstellung einer Rechnung, Überweisung auf ein Konto des Empfängers). Erhält der Mandant ein Pflegegeld nach § 37 SGB XI, mindert dieses folglich den Abzug nach § 33 EStG, nicht jedoch die Steuerermäßigung nach § 35a EStG.

 

b) Wahlrecht zwischen § 33 und § 35a EStG

Wirken sich bei dem Mandanten die außergewöhnlichen Belastungen nur geringfügig aus und wäre ein kompletter Abzug nach § 35a EStG lukrativer, sollte er auf die Geltendmachung von außergewöhnlichen Belastungen verzichten. Dann können sämtliche von § 35a EStG begünstigte Aufwendungen berücksichtigt werden (und nicht lediglich in Höhe der zumutbaren Belastung). Es besteht nämlich ein Wahlrecht, ob man außergewöhnliche Belastungen oder die vollständige Steuerermäßigung nach § 35a EStG beantragt (BMF, Schreiben vom 9.11.16, IV C 8 ‒ S 2296-b/07/10003:008, Abruf-Nr. 190166, Rz. 32 und Wortlaut des § 35a Abs. 5 S. 1 EStG).

3. Zusammenfassendes Beispiel

Das Beispiel zeigt, wie man den Abzug nach § 33 EStG und § 35a EStG optimal ausnutzt.

 

  • Beispiel

Anna Maurer hat zum 1.5.20 ihren Haushalt aufgelöst und ist in ein Pflegeheim gezogen. Zum 1.8.20 ist bei ihr ein Pflegegrad 2 festgestellt worden. Die Kosten des Pflegeheims betragen monatlich 3.000 EUR. Leistungen aus der Pflegeversicherung erhält sie ab August 2020 von monatlich 316 EUR (Pflegegeld ‒ § 37 SGB XI). Ihre zumutbare Belastung beträgt 4.000 EUR (§ 33 Abs. 3 EStG). Ihr individueller Steuersatz liegt bei 35 Prozent. In den Kosten des Pflegeheims sind von § 35a Abs. 2 EStG begünstigte Leistungen (haushaltsnahe Dienstleistungen) in Höhe von 4.000 EUR enthalten.

Lösung: Frau Maurer erfüllt ab August die Voraussetzungen zum Abzug der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung. Die Aufwendungen betragen:

 

Pflegeheim 5 Monate x 3.000 EUR =

15.000 EUR

./. Pflegegeld (5 x 316 EUR)

1.580 EUR

./. Haushaltsersparnis (9.408 / 12 x 5 Monate)

3.920 EUR

Zwischensumme: Aufwendungen im Sinne des § 33 EStG

9.500 EUR

Davon ist die zumutbare Belastung abzuziehen

./. 4.000 EUR

= Steuermindernder Abzug nach § 33 EStG

5.500 EUR

Steuervorteil (5.500 EUR x 35 Prozent)

1.925 EUR

 

 

Folge: Für die Inanspruchnahme der Pflege- und Betreuungsleistungen ist neben den außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 EStG die Steuerermäßigung nach § 35a EStG zu gewähren. Das Pflegegeld nach § 37 SGB XI ist nicht gegenzurechnen. Da die begünstigten Aufwendungen von 4.000 EUR unterhalb der zumutbaren Eigenbelastung liegen, sind sie voll nach § 35a EStG zu berücksichtigen. Die Steuerermäßigung beträgt 800 EUR (4.000 EUR x 20 Prozent). Insgesamt haben sich die Aufwendungen mit einem Steuervorteil von 2.725 EUR ausgewirkt.

 

4. So erfolgt der Eintrag in der Steuererklärung

Die Kosten der pflegebedingten Heimunterbringung oder allgemeine Pflegekosten tragen Mandanten für das Jahr 2020 in der „Anlage außergewöhnliche Belastung“ in der Zeile 14 ein. Eine etwaige Haushaltsersparnis ist abzuziehen. In dieser Zeile ist auch der Anspruch auf zu erwartende oder bereits erhaltene Erstattungen (z. B. Pflegegeld, Beihilfe, Versicherungsleistungen) einzutragen. Weiterhin einzutragen sind in den Zeilen 19 bis 21 dieser Anlage die sowohl unter § 33 EStG fallenden als auch von § 35a EStG begünstigten Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse bzw. Dienstleistungen oder Handwerkerleistungen.

 

Diese Angaben werden benötigt, um für die unter der zumutbaren Belastung liegenden Aufwendungen die Steuerermäßigung nach § 35a EStG zu gewähren. Deshalb müssen Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse bzw. Dienstleistungen oder Handwerkerleistungen in Fällen des zeitgleichen Abzugs von Pflegeaufwendungen nach § 33 EStG nicht zusätzlich in der „Anlage haushaltsnahe Aufwendungen“ eingetragen werden. Dies würde sonst zu einem doppelten Abzug führen. Nur wenn die Pflegeaufwendungen allein unter § 35a EStG und nicht zusätzlich unter § 33 EStG fallen, sind die Aufwendungen in der „Anlage haushaltsnahe Aufwendungen“ einzutragen.

 

Weiterführender Hinweis

  • Beitrag „Unterbringung in privater Pflege-WG: Kostenabzug zu bejahen?“, SSP 4/2021, Seite 3, Abruf-Nr. 47279893
Quelle: Ausgabe 11 / 2021 | Seite 192 | ID 47734087