Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Sonderausgaben

Vorauszahlungen zur Krankenversicherung: Das ist für „mindestens 62-Jährige“ jetzt veranlasst

| Habt Ihr Mandant Geld auf dem Sparkonto, das kaum Zinsen bringt und das er derzeit auch nicht dringend benötigt? Dann prüfen Sie, ob er mit seinen Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung noch mehr Steuern sparen kann, indem er Vorauszahlungen tätigt. Das gilt vor allem, wenn er mindestens 62 Jahre alt sind. Dann kann er dieses veritable Steuersparmodell in diesem Jahr nämlich zum letzten Mal in vollem Umfang ausschöpfen. Der Beitrag stellt Ihnen das Modell vor und erklärt, was sich ab 2020 ändert. |

1. Sinn und Zweck einer Vorauszahlung der Beiträge

Seit 2010 sind die Beiträge zur Kranken- und Pflegepflichtversicherung zusammen mit anderen Vorsorgeaufwendungen in einem größeren Umfang als Sonderausgaben abziehbar. Beihilfeberechtigte und Arbeitnehmer, die einen steuerfreien Zuschuss zur Krankenversicherung erhalten, können seitdem maximal 1.900 EUR als Sonderausgaben abziehen. Steuerzahler, die ihre Krankenversicherung allein finanzieren, 2.800 EUR. Bei zusammen veranlagten Ehegatten ist zunächst für jeden Ehegatten nach dessen persönlichen Verhältnissen der Höchstbetrag zu bestimmen. Die Summe der beiden Höchstbeträge ist der gemeinsame Höchstbetrag.

 

a) Höchstbetragsabzugsgrenze gilt nicht für Basiskrankenversicherung

Werden für die Basiskranken- und Pflegepflichtversicherung mehr als die Höchstbeträge aufgewendet, können die tatsächlichen Ausgaben angesetzt und die Höchstbeträge überschritten werden. Das gilt aber nicht für sonstige Vorsorgeaufwendungen, wie z. B. für die Arbeitslosen-, Haftpflicht-, Unfall- und bestimmte Lebensversicherungen sowie für Beitragsanteile, die einen Anspruch auf Krankengeld oder Komfortleistungen begründen. Das hat zur Folge, dass die Zahlungen zu den sonstigen Vorsorgeaufwendungen steuerlich ungenutzt verpuffen, wenn die Zahlungen für die Basiskranken- und Pflegepflichtversicherung über den Höchstbeträgen liegen.

 

b) Mit Vorauszahlungen Sonderausgabenabzugsvolumen erhöhen

Um diesen Effekt zu vermeiden und in späteren Jahren einen höheren Sonderausgabenabzug zu erreichen, bietet § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG die Möglichkeit, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für mehrere Jahre im Voraus zu zahlen.

 

Dieser Sonderausgabenabzug ist normalerweise auf das Zweieinhalbfache der Beiträge des Veranlagungszeitraums beschränkt. Übersteigen die Vorauszahlungen das Zweieinhalbfache, sind übersteigende Beiträge erst in den Jahren abziehbar, für die sie geleistet wurden (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 4 EStG).

2. Die Sonderregelung für „mindestens 62-Jährige“

Für Steuerzahler, die zum Zeitpunkt der Vorauszahlung mindestens das 62. Lebensjahr vollendet haben, gilt (noch) eine Sonderregelung. Sie sind von der Begrenzung der Vorauszahlung auf den zweieinhalbfachen Jahresbetrag nicht betroffen (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 4 EStG).

 

  • Beispiel

A ist 62 Jahre alt und selbstständig. Sein Krankenversicherungsbeitrag beträgt 6.000 EUR im Jahr. Die Geschäfte laufen gut. Im Jahr 2019 wird er einen hohen Gewinn machen ‒ und dementsprechend viel Steuern zahlen. Da er sich mit dem Gedanken tragen, sein Architekturbüro in drei oder vier Jahren zu verkaufen, kann es sich lohnen, Krankenversicherungsbeiträge vorauszuzahlen.

 

Da er bereits 62 Jahre alt ist, gilt die Begrenzung der Vorauszahlungsbeiträge auf das Zweieinhalbfache für ihn nicht. Er kann unbegrenzt vorauszahlen und diese Beträge in der Steuererklärung 2019 voll als Sonderausgaben geltend machen. Er könnte also z. B. Beiträge für fünf Jahre vorauszahlen und 30.000 EUR an Sonderausgaben für seine Steuererklärung 2019 „produzieren“.

 

3. Gesetzgeber regelt Vorauszahlungsmodell ab 2020 neu

Weil anscheinend viele Steuerzahler die „62-Jährigen-Regelung“ genutzt und entsprechende ‒ progressionsbedingte ‒ Steuerersparnisse mittels hoher Vorauszahlungen rekrutiert haben, steuert der Gesetzgeber ab 2020 gegen. Das „Vorauszahlungsprivileg“ der „mindestens 62-Jährigen“ soll entfallen. So steht es im Jahressteuergesetz 2019 (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 5 EStG 2020).

 

Zum Ausgleich wird der im Veranlagungszeitraum der Zahlung abzugsfähige Betrag von derzeit dem Zweieinhalbfachen der im Veranlagungszeitraum der Zahlung geschuldeten Beiträge zur Basiskranken- und gesetzlichen Pflegeversicherung auf das Dreifache angehoben.

 

PRAXISTIPP | Die Möglichkeit, nach eigenem Gusto (unbegrenzt) vorauszuzahlen, besteht also in diesem Jahr das letzte Mal. Besprechen Sie das mit Ihrem Mandanten.

 

4. Was sonst noch wichtig ist

Vier Dinge sollten Sie zum Vorauszahlungsmodell noch wissen:

 

a) Wer profitiert vom Vorauszahlungsmodell?

Vom Vorauszahlungsmodell profitieren vor allem Steuerzahler, die privat krankenversichert sind und keine Zuschüsse zur Krankenversicherung vom Arbeitgeber bekommen. Es lohnt sich folglich vor allem für

  • privat krankenversicherte Selbstständige und
  • privat krankenversicherte Beamte, da Beamte auch keinen Zuschuss von ihrem Dienstherren bekommen.

 

Gesetzlich Krankenversicherte profitieren vom Vorauszahlungsmodell leider nicht, weil der Arbeitgeber die Beiträge monatlich abführen muss. Auch Gutverdiener, die privat krankenversichert sind, und vom Arbeitgeber einen monatlichen Zuschuss erhalten, profitieren kaum oder gar nicht vom Vorauszahlungsmodell. Das liegt daran, dass die Zuschüsse des Arbeitgebers in den Folgejahren als steuerpflichtige Einkünfte erfasst werden (§ 10 Abs. 4b EStG).

 

Das Vorauszahlungsmodell kann sich dennoch auch für Steuerzahler lohnen, die sich freiwillig privat versichern und Anspruch auf Zuschüsse des Arbeitgebers haben. Nämlich dann, wenn der Arbeitnehmer in einem Jahr einem besonders hohen Steuersatz unterliegt und in den Folgejahren nicht mehr.

 

  • Beispiel

Ein Arbeitnehmer ist privat krankenversichert. Er zahlt pro Jahr 3.000 EUR Beiträge für die Basis-KV. Zuschüsse vom Arbeitgeber stehen ihm in Höhe von 2.050 EUR pro Jahr zu. Der Arbeitnehmer hat im Jahr 2019 einen Steuersatz von 42 Prozent. In den Jahren 2020 bis 2022 beträgt der Steuersatz wegen voraussichtlicher Vermietungsverluste nur 25 Prozent. Er plant im Jahr 2019 die Vorauszahlung für 2,5 Beitragsjahre (= Vorauszahlungsbetrag 7.500 EUR).

Ohne Voraus-zahlung 2019

Mit Voraus-zahlung 2019

Steuerersparnis 2019 aus Vorauszahlungen

0 EUR

3.150 EUR

Steuerersparnis aus Beitrags-zahlungen 2020 bis 2022

1.875 EUR

0 EUR

Steuervorteil durch Vorauszahlung

1.275 EUR

 

b) Spielt die Krankenversicherung mit?

Man muss vorher mit der Krankenversicherung die Möglichkeit der Vorauszahlung von Beiträgen geklärt haben. Dies ist bei privaten Krankenversicherungen immer möglich. In der gesetzlichen Krankenversicherung wird dies bei freiwillig Versicherten von den meisten Krankenkassen akzeptiert. Bei einer Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse ist dies in der Regel nicht möglich.

 

PRAXISTIPP | Die Vorauszahlung hat noch einen anderen Effekt. Die meisten Krankenversicherungen geben bei der Umstellung von monatliche auf jährliche Zahlung einen Rabatt. Dieser liegt in der Regel bei drei Prozent.

 

c) Liquidität muss trotz Vorauszahlung gegeben sein

Eine Rahmenbedingung ist, dass der Mandant dauerhaft auf die Liquidität für die vorausgezahlten Krankenversicherungsbeiträge verzichten kann, denn in dieser Höhe geht er in Vorleistung. Da bei Eheleuten die Beiträge im selben Jahr vorausgezahlt werden müssen, betrifft dies die Liquidität für beide Beiträge.

 

d) Insolvenzfestigkeit der Krankenversicherung prüfen

Es liegt in Ihrer Verantwortung zu prüfen, ob Ihre Krankenversicherung nicht insolvenzgefährdet ist. Im Insolvenzfall wären vorausgezahlte Beiträge verloren.

 

e) Ausreichend andere sonstige Vorsorgeaufwendungen vorhanden?

Es müssen ausreichend andere sonstige Vorsorgeaufwendungen vorhanden sein, damit der Steuereffekt überhaupt entstehen kann. Dazu gehören z. B. Beiträge zu

  • Alt-Kapital-Lebensversicherungen mit Abschlussdatum vor 2005,
  • Berufsunfähigkeitsversicherungen,
  • private Haftpflichtversicherungen,
  • Unfallversicherungen,
  • Risiko-Lebensversicherungen.

 

f) Vorauszahlung vor dem 22.12.19 leisten

Damit das Finanzamt das Modell akzeptiert, müssen Sie die Vorauszahlungen vor dem 22.12.19 leisten. Denn bei Vorauszahlung zwischen dem 22.12.19 und dem 31.12.19 greift für regelmäßig wiederkehrende Zahlungen ‒ und dazu rechnen die Basis-KV- und PV-Beiträge ‒ die Sondervorschrift des § 11 Abs. 2 S. 2 in Verbindung mit Abs. 1 S. 2 EStG (BMF, Schreiben vom 24.5.17, Az. IV C 3 ‒ S 2221/16/10001:004, Abruf-Nr. 194291; Rn. 153).

5. Was spart man effektiv an Steuern?

Die effektive Steuerersparnis hängt natürlich immer vom Einzelfall ab (s. a. Beispiel oben). Ebenfalls einen guten Überblick liefert Ihnen ein Musterfall, den StB Dipl.-Kfm. Dirk Klinkenberg von der CURATOR GmbH aus Bergisch-Gladbach für PFB Praxis Freiberufler-Beratung durchgerechnet hat.

 

Unter den Annahmen KV-Beitrag von rd. 14.000 EUR im Jahr, 4.000 EUR sonstige Versicherungsbeiträge, Grenzsteuersatz 44 Prozent, Vorauszahlung zwei Jahre hat er über einen Zeitraum von zehn Jahren eine Steuerersparnis von um die 8.500 EUR ermittelt.

 

FAZIT | Das Vorauszahlungsmodell ist gerade für Selbstständige attraktiv, die privat krankenversichert sind und einen hohen Grenzsteuersatz haben. Das gilt vor allem, wenn sie 62 Jahre alt sind und demnächst kürzer treten wollen. Dann sollten sie ‒ die Neuregelung ab 2020 vor Augen ‒ noch genauer überlegen, ob höhere Vorauszahlungen im Jahr 2019 sinnvoll sind.

 
Quelle: Ausgabe 12 / 2019 | Seite 213 | ID 46252674