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· Fachbeitrag · Mandanten fragen

Welche Veranlagungsmöglichkeiten gibt es für Ehegatten und was ist Witwensplitting?

von StB Christoph Wenhardt, Brühl

| Der Senior S, dessen Frau in 2020 verstorben ist, stellt an Sie als Rechtsanwalt die folgenden Fragen: |

 

Frage: Welche Veranlagungsmöglichkeiten haben Ehegatten?

 

Antwort: Ehegatten haben die Möglichkeit, sich zwischen der Einzelveranlagung und der Zusammenveranlagung zu entscheiden (§ 26 EStG). Wollen die Ehegatten die Zusammenveranlagung, dann müssen sie diese wählen.

 

PRAXISTIPP | In der Einkommensteuererklärung erfolgt dies, indem im Hauptvordruck in der Zeile 28 (Formular für 2020) an der Stelle zur Zusammenveranlagung ein Kreuz gesetzt wird.

 

Haben die Ehegatten dagegen keinen Gebrauch von dem Wahlrecht gemacht bzw. dieses nicht wirksam ausgeübt, dann kommt es zur Zusammenveranlagung. Wollen die Ehegatten hingegen die Einzelveranlagung, dann muss einer der Ehegatten die Einzelveranlagung wählen.

 

PRAXISTIPP | In der Einkommensteuererklärung erfolgt dies, indem im Hauptvordruck in der Zeile 28 (Formular für 2020) an der Stelle zur Einzelveranlagung ein Kreuz gesetzt wird.

 
  • Beispiel

Der verheiratete Senior S hat sich steuerlichen Rat eingeholt und will die Einzelveranlagung. Aus diesem Grunde gibt er nur für sich selbst eine Einkommensteuererklärung ab und kreuzt das entsprechende Feld für die Einzelveranlagung an.

 

Lösung

Senior S wird aufgrund seines ausgeübten Wahlrechts einzeln veranlagt. Das gleiche gilt auch für seine Ehefrau.

 

Frage: Was setzt das Wahlrecht bei Ehegatten zwischen den Veranlagungsarten voraus?

 

Antwort: Damit die Ehegatten das Wahlrecht ausüben können, müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:

 

  • a) Die Ehegatten müssen unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sein.
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  • b) Sie dürfen nicht dauernd getrennt leben. Hierbei ist ein dauerndes Getrenntleben anzunehmen, wenn die zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft nach dem Gesamtbild der Verhältnisse auf die Dauer nicht mehr besteht. Dabei ist unter Lebensgemeinschaft die räumliche, persönliche und geistige Gemeinschaft der Ehegatten, unter Wirtschaftsgemeinschaft die gemeinsame Erledigung der die Ehegatten gemeinsam berührenden wirtschaftlichen Fragen ihres Zusammenlebens zu verstehen. In der Regel wird das Finanzamt die Angaben der Ehegatten, sie lebten nicht dauernd getrennt, anerkennen.
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  • PRAXISTIPP | Dies gilt aber nicht, wenn die äußeren Umstände das Bestehen einer ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft fraglich erscheinen lassen.

     
  • c) Die vorgenannten Voraussetzungen müssen zum 1.1. des Jahres vorgelegen haben oder im Laufe des Jahres eingetreten sein.

 

Frage: Wie funktioniert die Zusammenveranlagung?

 

Antwort: Bei der Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) werden die Einkünfte der Ehegatten getrennt ermittelt und anschließend zusammengerechnet und die Ehegatten dann als ein Steuerpflichtiger behandelt.

 

Bei Ehegatten kommt dabei das sogenannte Splitting-Verfahren zur Anwendung (§ 32a Abs. 5 EStG). Bei diesem Verfahren beträgt die tarifliche Einkommensteuer das Zweifache des Steuerbetrags, der sich für die Hälfte ihres gemeinsam zu versteuernden Einkommens nach § 32a Abs. 1 EStG (Grundtarif) ergibt.

 

  • Beispiel

Die Ehegatten M und F haben für die Einkommensteuererklärung 2020 den Antrag auf Zusammenveranlagung gestellt. Das zu versteuernde Einkommen beträgt in diesem Kalenderjahr 87.000 EUR (auf den Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer soll hier nicht eingegangen werden).

 

Lösung

Aufgrund des Antrags auf Zusammenveranlagung kommt das Splitting-Verfahren zur Anwendung. Dabei berechnet sich die tarifliche Einkommensteuer, in dem das zu versteuernde Einkommen von 87.000 EUR halbiert wird = 43.500 EUR.

 

Die tarifliche Einkommensteuer (ermittelt nach der Grundtabelle 2020) für 43.500  EUR beträgt hierbei 9.695 EUR. Wenn man diesen Betrag verdoppelt, ergibt sich für die Ehegatten M und F eine Einkommensteuer in Höhe von 19.390 EUR.

 

Ohne das Splitting-Verfahren würde die Einkommensteuer hingegen 27.576 EUR betragen.

 

PRAXISTIPP | Der größte Splittingvorteil ist dann gegeben, wenn nur einer der Ehegatten Einkünfte in dem jeweiligen Jahr bezogen hat. Haben beide Ehegatten gleich hohe Einkünfte, dann ergibt sich kein Splittingvorteil.

 

Frage: Wie funktioniert die Einzelveranlagung?

 

Antwort: Bei der Einzelveranlagung (§ 26a EStG) werden jedem Ehegatten die von ihm bezogenen Einkünfte zugerechnet. Um die Einkommensteuer bei der Einzelveranlagung zu ermitteln, kommt der sogenannte Grundtarif zur Anwendung (§ 32a Abs. 1 EStG).

 

Beachten Sie | Sind Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen oder auch Steuerermäßigungen nach § 35a EStG (z. B. Handwerkerleistungen) angefallen, dann werden sie bei dem Ehegatten berücksichtigt, der sie wirtschaftlich getragen hat. Die Ehegatten können jedoch auch beantragen, dass die vorgenannten Kosten bei jedem Ehegatten jeweils zur Hälfte abgezogen werden.

 

Frage: Was versteht man unter dem Witwensplitting?

 

Antwort: Verstirbt ein Ehegatte, dann gilt Folgendes:

 

  • Jahr des Todes des Ehegatten:
  • Hier besteht weiterhin die Möglichkeit, zwischen der Einzelveranlagung und der Zusammenveranlagung zu wählen. An die Stelle des Verstorbenen treten dann dessen Erben.
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  • PRAXISTIPP | Sollten jedoch die zur Wahl erforderlichen Erklärungen nicht abgegeben werden, wird von Gesetzes wegen (§ 26 Abs. 3 EStG) unterstellt, dass eine Zusammenveranlagung gewählt wird, wenn der Erbe Kenntnis von seiner Erbenstellung und den steuerlichen Vorgängen des Erblassers hat. Bis zur Ermittlung des Erben ist grundsätzlich einzeln zu veranlagen (BFH 21.6.07, BStBl. 2007 S. 770).

     
  • Jahr nach dem Tod des Ehegatten:
  • Ein Wahlrecht zur Zusammenveranlagung oder Einzelveranlagung gibt es nicht mehr. Es kommt aber das sogenannte Witwensplitting zur Anwendung (§ 32a Abs. 6 S. 1 Nr. 1 EStG). Dies bedeutet, dass das Splittingverfahren nach § 32a Abs. 5 EStG greift. Voraussetzung ist aber, dass der Steuerpflichtige und sein verstorbener Ehegatte im Zeitpunkt seines Todes die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 S. 1 EStG erfüllt haben (siehe Frage 2).
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  • Beachten Sie | Haben sich die Ehegatten aber kurz vor dem Tod eines Ehegatten getrennt, dann wird das Witwensplitting nicht gewährt.
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    • Beispiel

    Die Ehegatten F und M haben sich am 31.8.19 getrennt. Am 15.9. verstirbt M.

    F ist Alleinerbin des M.

     

    Lösung

    • a) Da die entsprechenden Voraussetzungen vorgelegen haben, kann F das Wahlrecht zwischen Zusammenveranlagung und Einzelveranlagung in Anspruch nehmen.

     

    • b) Jahr nach dem Tod des Ehegatten: F kann das Witwensplitting nicht beanspruchen, denn die Ehegatten waren im Zeitpunkt des Todes von M dauernd getrennt.

     

    Darüber hinaus ist noch Folgendes zu beachten: § 26b EStG sieht einen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende vor. Dieser ist aber Ehegatten, die im Veranlagungszeitraum nicht dauernd getrennt gelebt haben, verwehrt. Anders sieht es indes aus, wenn ein Ehegatte verstorben ist. Hier kann der überlebende Ehegatte dann ab dem Zeitpunkt des Todes des anderen Ehegatten den Entlastungsbetrag in Anspruch nehmen (siehe auch BMF, 23.10.17, IV C 8 - S 2265 - a/14/10005, BStBl. I 2017 S. 1432).

     
  • Nachfolgende Jahre nach dem Tod des Ehegatten:
  • Ab dem zweiten Jahr nach dem Tod des Ehegatten findet nur noch der Grundtarif nach § 32a Abs. 1 EStG Anwendung.

 

Frage: Was gilt für eingetragene Lebenspartner?

 

Antwort: Für eingetragene Lebenspartner finden die dargestellten Regelungen gleichermaßen Anwendung. Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 8 EStG.

 

Quelle: Ausgabe 10 / 2021 | Seite 177 | ID 47599426