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· Fachbeitrag · Mandanten fragen

Was sind außergewöhnliche Belastungen?

von StB Christoph Wenhardt, Brühl

| Der Senior S, dem in 2020 verschiedene Kosten entstanden sind, die er als außergewöhnliche Belastungen geltend machen möchte, stellt an Sie als Rechtsanwalt die folgenden Fragen: |

 

Frage 1: Was versteht man unter außergewöhnlichen Belastungen?

 

Antwort: Was außergewöhnliche Belastungen sind, ergibt sich aus § 33 EStG. Hat ein Steuerpflichtiger zwangsläufig größere Aufwendungen als die überwiegende Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird die einkommensteuerliche Belastung dadurch ermäßigt, dass diese Aufwendungen ‒ unter Berücksichtigung einer zumutbaren Belastung ‒ bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens abziehbar sind.

 

Hierbei erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig Aufwendungen, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.

 

PRAXISTIPP | Voraussetzung ist ferner ein Antrag des Steuerpflichtigen. In der Einkommensteuererklärung erfolgt dies, indem die Anlage außergewöhnliche Belastungen ausgefüllt wird (Formular für 2020). Dieses gliedert sich in:

 

  • a) den Behinderten-Pauschbetrag (Zeilen 4‒9)
  • b) den Hinterbliebenen-Pauschbetrag (Zeile 10)
  • c) den Pflege-Pauschbetrag (Zeilen 11‒12)
  • d) andere Aufwendungen (Zeilen 13‒21).
 

Frage 2: Was ist, wenn der Steuerpflichtige Ersatz für die Aufwendungen erhält?

 

Antwort: Ersatz und Unterstützungen von dritter Seite zum Ausgleich der Belastung sind von den berücksichtigungsfähigen Aufwendungen abzusetzen.

 

PRAXISTIPP | Dies gilt auch dann, wenn sie erst in einem späteren Kalenderjahr gezahlt werden, der Steuerpflichtige aber bereits in dem Kalenderjahr, in dem die Belastung eingetreten ist, mit der Zahlung rechnen konnte.

 
  • Beispiel

Dem Senior S sind in 2020 außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 8.500 EUR entstanden. Durch eine Versicherung kann er in 2021 mit einem Ersatz in Höhe von 1.800 EUR rechnen.

 

Lösung

S kann in 2020 außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 6.700 EUR geltend machen (8.500 EUR abzüglich 1.800 EUR). Obwohl er die Erstattung erst in 2021 erhalten wird, ist diese schon in 2020 zu berücksichtigen.

 

Abwandlung

S konnte in 2020 nicht mit der Erstattung in 2021 rechnen.

 

Lösung

In diesem Fall ist die Erstattung nicht mit den Kosten in 2020 zu verrechnen. Entstehen dem S aber in 2021 gleichartige außergewöhnliche Belastungen, dann ist die Erstattung mit diesen zu verrechnen.

 

Frage 3: Was versteht man unter der zumutbaren Belastung?

 

Antwort: Die außergewöhnlichen Belastungen sind nur abziehbar, wenn sie eine sogenannte zumutbare Belastung übersteigen. Diese ist in § 33 Abs. 3 EStG festgelegt. Die zumutbare Belastung beträgt in Abhängigkeit vom Gesamtbetrag der Einkünfte der Steuerpflichtigen und in Abhängigkeit davon, ob bei den Steuerpflichtigen der Grundtarif oder das Splittingverfahren zur Anwendung kommt sowie ob mehr oder weniger als drei Kinder zu berücksichtigen sind, zwischen 1 Prozent und 7 Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte. § 33 Abs. 3 EStG enthält hierbei eine Tabelle, aus der der anzuwendende Prozentsatz entnommen werden kann.

 

  • Beispiel 1

Für den seit mehreren Jahren verwitweten Senior S errechnet sich ein Gesamtbetrag in Höhe von 14.500 EUR. Berücksichtigungsfähige Kinder hat S keine. Außergewöhnliche Belastungen sind dem S in Höhe von 600 EUR entstanden.

 

Lösung

Für S ist, da er seit mehreren Jahren verwitwet ist, der Grundtarif (§ 32a Abs. 1 EStG) anzuwenden. Bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 14.500 EUR ist somit ein Prozentsatz von 5 Prozent aus der Tabelle zu § 33 Abs. 3 EStG zu entnehmen. Dieser ist auf den Gesamtbetrag der Einkünfte von S anzuwenden und ergibt eine zumutbare Belastung von 725 EUR (5 Prozent von 14.500 EUR). Da die außergewöhnlichen Belastungen niedriger als die zumutbare Belastung sind, werden diese nicht berücksichtigt.

 

Abwandlung

Wie vordem, aber dem S sind außergewöhnliche Belastungen i. H. v. 1.300 EUR entstanden.

 

In diesem Falle sind die angefallenen Aufwendungen höher als die zumutbare Belastung und wirken sich somit in Höhe des übersteigenden Betrags i. H. v. 575 EUR (1.300 EUR abzüglich 725 EUR) bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens aus.

 

GESTALTUNGSTIPP | Unter Umständen kann es sinnvoll sein, anstehende Aufwendungen in ein späteres Jahr zu verschieben oder Aufwendungen noch im alten Jahr zu zahlen, um so die zumutbare Belastung zu übersteigen und die Abzugsfähigkeit zu erreichen.

 

Bei der Berechnung der zumutbaren Belastung ist weiterhin zu beachten, dass diese gestaffelt ermittelt wird. Nur der Teil der Gesamteinkünfte, der die jeweilige Betragsstufe übersteigt, wird mit dem jeweils höheren Prozentsatz belastet.

 
  • Beispiel 2

Beim verheirateten Senior S errechnet sich in 2020 ein Gesamtbetrag der Einkünfte (GdE) i. H. v. 58.130 EUR. Berücksichtigungsfähige Kinder sind keine vorhanden. Außergewöhnliche Belastungen sind i. H. v. 4.400,10 EUR entstanden.

 

Lösung

Die zumutbare Belastung ermittelt sich wie folgt:

Gesamtbetrag bis Betragsstufe 15.340 EUR x 4 % =

613,60 EUR

Gesamtbetrag von Betragsstufe 15.340 bis 51.130 EUR

= 35.790 x 5 % =

1.789,50 EUR

Gesamtbetrag über Betragsstufe 51.130 EUR,

d. h. 58.130 EUR ./. 51.130 EUR = 7.000 EUR x 6 % =

420 EUR

In der Addition ergibt sich eine zumutbare Belastung von

2.823,10 EUR

 

Die außergewöhnlichen Belastungen übersteigen die zumutbare Belastung um 1.577,00 EUR (4.400,10 EUR ./. 2.823,10 EUR) und werden somit in dieser Höhe bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens abgezogen.

 

Frage 4: Welche oft in der Praxis vorkommenden Kosten sind als allgemeine außergewöhnliche Belastungen abziehbar und was ist hierbei zu beachten?

 

Antwort: Folgende Aufwendungen werden u. a. als allgemeine außergewöhnliche Belastungen anerkannt:

 

  • a) Bestattungskosten: Fallen Bestattungskosten für einen nahen Angehörigen an, sind sie regelmäßig als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Voraussetzung ist jedoch, dass sie nicht aus dem Nachlass bestritten werden können und auch nicht durch Ersatzleistungen gedeckt sind.
  •  
  • Abziehbar sind nur solche Aufwendungen, die unmittelbar mit der eigentlichen Bestattung zusammenhängen. Hierzu zählen bspw. Aufwendungen für den Sarg, die Aufbewahrung oder die Überführung.

 

  • b) Zinsen für ein Darlehen können ebenfalls zu den außergewöhnlichen Belastungen zählen, soweit die Darlehensaufnahme selbst zwangsläufig erfolgt ist.

 

  • c) Krankheitskosten einschließlich Zuzahlungen

 

  • d) Kosten für eine Kurreise können als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden. Voraussetzung ist aber, dass die Kurreise zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig ist und eine andere Behandlung nicht oder kaum Erfolg versprechend erscheint.

 

Frage 5: Welche häufig anfallenden Kosten werden vom Finanzamt nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt?

 

Antwort: Folgende Aufwendungen werden nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Hierbei soll nur eine Auswahl aufgeführt werden.

 

  • a) Mittelbare Kosten einer Bestattung: Hierzu zählen bspw. Aufwendungen für die Bewirtung von Trauergästen oder für die Trauerkleidung.

 

  • b) Medizinische Fachliteratur: Aufwendungen für medizinische Fachliteratur sind auch dann nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn die Literatur dazu dient, die Entscheidung für eine bestimmte Therapie oder für die Behandlung durch einen bestimmten Arzt zu treffen.

 

  • c) Aufwendungen eines Elternteils für Besuche seiner bei dem anderen Elternteil lebenden Kinder können nicht als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden.

 

Quelle: Ausgabe 01 / 2022 | Seite 7 | ID 47844790