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· Fachbeitrag · Mandanten fragen

Welche Möglichkeiten ergeben sich bei größerem Erhaltungsaufwand? (Teil 2)

von StB Christoph Wenhardt, Brühl

| Der Senior S, dem im Rahmen seiner Grundstücksvermietung Reparaturkosten für sein bebautes Grundstück angefallen sind, stellt an Sie als Rechtsanwalt die folgenden Fragen: |

 

Frage: Was ist, wenn ein Steuerpflichtiger innerhalb des Verteilungszeitraums des Erhaltungsaufwands verstirbt?

 

Antwort: Hat ein Steuerpflichtiger Erhaltungsaufwand für seine Vermietung auf mehrere Jahre verteilt und verstirbt der Steuerpflichtige, stellt sich die Frage, ob die noch nicht verbrauchten Erhaltungsaufwendungen noch beim Steuerpflichtigen bzw. Erblasser zu berücksichtigen sind oder bei dem bzw. den Erben.

 

  • Beispiel

Der Senior S hat seit zwölf Jahren ein Sechsfamilienhaus, welches er vermietet hat. In 2018 entstehen ihm Reparaturkosten in Höhe von 25.000 EUR. S hat eine Verteilung der Erhaltungsaufwendungen auf fünf Jahre vorgenommen. Am 31.1.20 verstirbt S und wird von seiner Ehefrau EF und seiner Tochter T beerbt. S und EF werden in 2020 noch zusammenveranlagt. Hinsichtlich des vermieteten Grundstücks entsteht ab Februar 2020 eine Erbengemeinschaft. EF setzt in der Einkommensteuererklärung 2020 den bis zum Tod des S noch nicht berücksichtigten Teil der Erhaltungsaufwendungen an. Dies sind 15.000 EUR.

Lösung

  • 1. Nach Auffassung der Finanzverwaltung (siehe auch R 21.1 Abs. 6 S. 2 und 3 EStR 2012): Der noch nicht berücksichtigte Teil der Erhaltungsaufwendungen ist wie folgt zu berücksichtigen:
  •  
    • a) Bei der Veranlagung der EF werden Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 416,66 EUR abgezogen. Dies entspricht dem auf den Monat Januar entfallenden Anteil der an sich für 2020 angefallenen Jahresbeträge (5.000 EUR).
    •  
    • b) Bei der Ermittlung der Vermietungseinkünfte für die Erbengemeinschaft in 2020 werden Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 4.583,34 EUR abgezogen. Dies entspricht dem auf die Monate Februar bis Dezember entfallenden Anteil der an sich für 2020 angefallenen Jahresbeträge (5.000 EUR). Die Verteilung der Erhaltungsaufwendungen nach § 82b StDV ist bei der Erbengemeinschaft fortzuführen.
    •  
    • c) Bei der Ermittlung der Vermietungseinkünfte für die Erbengemeinschaft in 2021 und 2022 sind dementsprechend Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 5.000 EUR abzuziehen.
  • 2. Nach Auffassung des BFH (10.11.20, IX R 31/9): Der noch nicht berücksichtigte Teil der Erhaltungsaufwendungen ist wie folgt zu berücksichtigen:
    • a) Bei der Veranlagung der EF wird der gesamte Teil der noch nicht berücksichtigten Erhaltungsaufwendungen abgezogen ‒ entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung. Dies sind im Beispielsfall 15.000 EUR.
    • b) Bei der Ermittlung der Vermietungseinkünfte für die Erbengemeinschaft in 2020 werden somit keine verteilten Erhaltungsaufwendungen abgezogen. Das gleiche gilt naturgemäß für die folgenden Jahre.
 

Frage: Ist die neue Rechtsprechung vorteilhaft oder nachteilig?

 

Antwort: Im Beispiel zur Frage 1 ist die neue Rechtsprechung für den Steuerpflichtigen günstiger, als wenn die Auffassung der Finanzverwaltung zur Geltung kommen würde.

 

MERKE | Dies muss aber nicht immer so sein. Vielmehr ist es auch denkbar, dass die Lösung aufgrund der Auffassung der Finanzverwaltung günstiger für den Steuerpflichtigen ist.

 
  • Beispiel

Der verwitwete Senior S hat seit zwölf Jahren ein Sechsfamilienhaus, welches er vermietet hat. In 2018 entstehen ihm Reparaturkosten in Höhe von 22.000 EUR. S hat eine Verteilung der Erhaltungsaufwendungen auf fünf Jahre vorgenommen, d. h. jährlich 4.400 EUR. Am 31.3.20 verstirbt S und wird von seinen Kindern S und T beerbt. Hinsichtlich des vermieteten Grundstücks entsteht ab April 2020 eine Erbengemeinschaft. S und T haben hohe Einkünfte sowohl in 2020 als auch in den folgenden Jahren. S hat demgegenüber aus 2019 noch einen Verlustvortrag, sodass sich in 2020 keine steuerliche Belastung ergibt.

Lösung

  • 1. Nach Auffassung der Finanzverwaltung (siehe auch R 21.1 Abs. 6 S. 2 EStR 2012): Der noch nicht berücksichtigte Teil der Erhaltungsaufwendungen ist wie folgt zu berücksichtigen:
  •  
    • a) Für S ist für 2020 noch eine Veranlagung durchzuführen. Hierbei werden bei der Ermittlung der Vermietungseinkünfte Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 1.100 EUR abgezogen. Dies entspricht dem auf die Monate Januar bis März entfallenden Anteil des an sich für 2020 angefallenen Jahresbetrags (4.400 EUR).
    •  
    • b) Bei der Ermittlung der Vermietungseinkünfte für die Erbengemeinschaft in 2020 werden Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 3.300 EUR abgezogen. Dies entspricht dem auf die Monate April bis Dezember entfallenden Anteil des an sich für 2020 angefallenen Jahresbetrags (4.400 EUR). Die Verteilung der Erhaltungsaufwendungen nach § 82b EStDV ist bei der Erbengemeinschaft fortzuführen.
    •  
    • c) Bei der Ermittlung der Vermietungseinkünfte für die Erbengemeinschaft in 2021 und 2022 sind dementsprechend Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 4.400 EUR abzuziehen.
  • 2. Nach Auffassung des BFH (10.11.20 ‒ IX R 31/9) ist der noch nicht berücksichtigte Teil der Erhaltungsaufwendungen wie folgt anzusetzen:
    • a) Bei der Veranlagung 2020 des Erblassers S wird der gesamte Teil der noch nicht berücksichtigten Erhaltungsaufwendungen abgezogen. Dies sind im Beispielsfall 13.200 EUR (2020‒2022).
    • b) Bei der Ermittlung der Vermietungseinkünfte für die Erbengemeinschaft in 2020 werden somit keine verteilten Erhaltungsaufwendungen abgezogen. Das gleiche gilt naturgemäß für die folgenden Jahre.
 

Konsequenz ist also, dass die noch nicht berücksichtigten Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 13.200 EUR in voller Höhe verloren gehen. Denn bei der Veranlagung des S wirken sie sich nicht aus ‒ aufgrund seiner Verlustvorträge ‒ und die Erbengemeinschaft kann sie nicht geltend machen.

 

Beachten Sie | Hier zeigt sich, dass die neue Rechtsprechung des BFH im Beispielsfall nachteilig ist.

 

Frage: Was gilt im Falle des Todes eines Nießbrauchers, wenn durch diesen Erhaltungsaufwendungen auf mehrere Jahre verteilt wurden?

 

Antwort:

 

MERKE | Hat ein Nießbraucher, der Mieteinkünfte erzielt, größere Erhaltungsaufwendungen nach § 82b EStDV auf mehrere Jahre verteilt und wird der Nießbrauch durch den Tod des Nießbrauchers innerhalb des Verteilungszeitraums beendet, dann kann der Eigentümer den verbliebenen Teil der Erhaltungsaufwendungen nicht als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machen (so BFH, Beschluss 25.9.17, IX S 17/17).

 

Der verbliebene Teil der Erhaltungsaufwendungen ist bei den Einkünften des Nießbrauchers aus Vermietung und Verpachtung im Veranlagungszeitraum der Beendigung des Nießbrauchs abzuziehen.

 

  • Beispiel

Die verwitwete Mutter M überträgt in 2017 ein Mehrfamilienhaus, das sie vermietet, auf den Sohn S. Im Übertragungsvertrag wird ein Nießbrauch zugunsten der Mutter (sogenannter Vorbehaltsnießbrauch) vereinbart. In 2018 entstehen größere Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 35.000 EUR, die gem. § 82b EStDV auf fünf Jahre verteilt wurden. Am 30.6.21 verstirbt die Mutter. S möchte die noch nicht berücksichtigten Erhaltungsaufwendungen bei seinen Mieteinkünften abziehen, da dies für ihn steuerlich günstiger ist.

 

Lösung

Nach Auffassung des BFH (siehe vorstehend): Aufgrund des Vorbehaltsnießbrauchs erzielt M weiterhin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Mit dem Tod der M am 30.6.21 erlischt der Nießbrauch und der Sohn erzielt nun ab dem 1.7.21 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die bis zum 30.6.21 nicht verbrauchten Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 14.000 EUR (für 2021 und 2022) werden jedoch nur bei der Veranlagung für M berücksichtigt. S kann dagegen die noch nicht verbrauchten Erhaltungsaufwendungen nicht als Werbungskosten geltend machen.

 
Quelle: Ausgabe 08 / 2021 | Seite 134 | ID 47506237