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· Fachbeitrag · Tod des Heimbewohners

Beerdigungskosten mittelloser Heimbewohner: Heim hat Anspruch auf Kostenübernahme

von RAin Leonie Eich, Duisburg

| Wenn ein mittelloser Heimbewohner stirbt, ist das Pflegeheim dazu verpflichtet, für eine Bestattung zu sorgen. Dies gilt für den Fall, dass keine Angehörigen verpflichtet werden können. Die Kosten für die Bestattung kann das Heim dann vom Sozialhilfeträger zurückverlangen. |

1. Ausgangssituation und Sachverhalt

Immer mehr alte Menschen leben in Heimen. Doch was muss der Heimbetreiber und was müssen die Erben bezüglich der Bestattung und deren Kosten beachten, wenn ein mittelloser Heimbewohner verstirbt?

  • Unmittelbar nach Eintritt des Todes muss ein Arzt gerufen werden.
  • Ist der Totenschein ausgestellt, wird ein Bestatter beauftragt. Je nach Bundesland verbleiben bis zu 36 Stunden Zeit, bis dies erfolgen muss.
  • Ist ein Bestatter beauftragt, kann die Überführung veranlasst werden.

 

Eine Entscheidung des SG Gießen (17.1.17, S 18 SO 183/14) gibt Anlass, Fragen zu diesem Bereich noch einmal genauer zu betrachten. Das SG hatte entschieden, dass dem Heimbetreiber die von ihm verauslagten Kosten für die Bestattung einer Heimbewohnerin zu erstatten sind. Der Heimleiter hatte ein Bestattungsunternehmen beauftragt. Dieses stellte dem Heim 2.857,69 EUR in Rechnung. Der beklagte Landeswohlfahrtsverband lehnte eine Kostenübernahme ab. Er verwies auf vorrangig in Anspruch zu nehmende Angehörige. Dagegen klagte der Heimbetreiber. Er begründete seinen Anspruch damit, dass er nach § 13 Abs. 3 des Hessischen Friedhofs- und Bestattungsgesetzes dazu verpflichtet gewesen sei, die Bestattung in Auftrag zu geben. Es sei ihm jedoch nicht zuzumuten, diese Kosten zu tragen.

2. Totenfürsorgeberechtigung und Bestattungspflicht

Totenfürsorge ist das gewohnheitsrechtlich verbürgte Recht und zugleich die Pflicht, sich um den Leichnam eines Verstorbenen zu kümmern. Für die zivilrechtliche Totensorge ist primär der Wille des Verstorbenen maßgebend. Nur wenn ein solcher nicht erkennbar ist, sind die nächsten Angehörigen berechtigt und verpflichtet, die Bestattung zu regeln (BGH NJW-RR 92, 834).

 

Die Bestattungspflicht ist die Pflicht, nach dem Tod einer Person dafür zu sorgen, dass deren Leiche einer ordnungsgemäßen Bestattung zugeführt wird. Hierbei handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, die in den entsprechenden Bestattungsgesetzen der Bundesländer geregelt ist. Damit ist ein Teil der gewohnheitsrechtlichen Totenfürsorgepflicht ordnungsrechtlich geregelt. Die Reihenfolge der Bestattungspflichtigen lautet regelmäßig wie folgt (z. B. § 8 Abs. 1 des Bestattungsgesetzes NRW):

 

  • 1. Ehegatten, Lebenspartner bei eingetragener Lebenspartnerschaft
  • 2. Volljährige Kinder
  • 3. Eltern
  • 4. Volljährige Geschwister
  • 5. Großeltern
  • 6. Volljährige Enkelkinder
  •  

Sollte die Bestattungspflicht auf mehrere Personen zutreffen, wird üblicherweise die älteste Person in die Pflicht genommen. Hat die verstorbene Person im Zeitpunkt ihres Todes in einem Heim, einer Pflegeanstalt, einem Krankenhaus oder einer ähnlichen Einrichtung gelebt und sind Angehörige innerhalb der für die Bestattung bestimmten Zeit nicht aufzufinden, sind auch je nach Landesgesetz die Leiter dieser Einrichtung zur Bestattung verpflichtet (z. B. § 13 Abs. 3 des Hessischen Friedhofs- und Bestattungsgesetzes). Sind keine Verpflichteten vorhanden oder feststellbar oder sorgen nicht rechtzeitig für die Einäscherung oder Beisetzung, ist die Ordnungsbehörde zuständig (in NRW: §§ 8 Abs. 1 S. 2 ,13 Abs. 3 des Bestattungsgesetzes NRW).

3. Kostentragungspflicht

Die Pflicht zur Übernahme der Beerdigungskosten ist nicht mit der Bestattungspflicht zu verwechseln. An erster Stelle tragen Personen, die sich vertraglich (z. B. als Gegenleistung für eine Grundstücksübereignung) verpflichtet haben die Bestattungskosten. Einer solchen vertraglichen Zusage kann man sich später nicht zulasten des Sozialhilfeträgers entziehen.

 

Danach haften die Erbe für die Kosten der Beerdigung (§ 1968 BGB). Da es sich um gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeiten handelt, nach § 2058 BGB als Gesamtschuldner. Der Kostentragungspflicht kann sich jeder Erbe entziehen, indem er innerhalb der gesetzlichen Frist (sechs Wochen nach Bekanntwerden des Erbfalles gemäß §§ 1943, 1944 BGB ) das Erbe ausschlägt. An seine Stelle tritt dann der jeweilige nachfolgende Erbe.

 

Ist der Erbe nicht in der Lage, die Beerdigungskosten zu tragen, muss dies - so vorhanden - ein Unterhaltsverpflichteter (§ 1615 Abs. 2 BGB).

 

Darüber hinaus ist § 74 SGB XII zu beachten. Hiernach sind die Kosten vom Sozialhilfeträger zu übernehmen, soweit dem Verpflichteten die Kostentragung nicht zugemutet werden kann. Anspruchsberechtigter Verpflichteter i. S. v. § 74 SGB XII ist nicht der Totenfürsorgeberechtigte, sondern derjenige, der nach zivilrechtlichen Bestimmungen die Bestattungskosten tragen muss, also insbesondere der Erbe. Unerheblich ist zunächst, wer zur Vornahme der Bestattung berechtigt oder verpflichtet ist oder wer die Bestattung in Auftrag gegeben hat. Reihenfolge der regelmäßigen Kostentragungspflicht:

 

  • 1. Vertraglich verpflichtete Personen
  • 2. Personen, die durch Testament zu Erben ernannt werden
  • 3. Gesetzliche Erben
  • 4. Unterhaltspflichtige
  • 5. Öffentlich-rechtlich verpflichtete Personen

 

Personen, die nur aus einer sittlichen Verpflichtung oder aufgrund eines Gefälligkeitsverhältnisses (z. B. Lebensgefährte einer nicht eingetragenen Lebensgemeinschaft, Nachbarn, Freunde) die Bestattung veranlassen und ggf. die Kosten bereits übernommen haben, sind keine Verpflichteten i. S. d. § 74 SGB XII. Die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht des Ehegatten endet mit Rechtskraft des Scheidungsurteils. Die Ordnungsbehörde ist berechtigt, die Kosten einer Bestattung im Wege der Ersatzvornahme geltend zu machen.

4. Entscheidung des SG Gießen

Im Ausgangsfall hatte die Klage auf Erstattung der Aufwendungen für die Bestattung Erfolg. Das Gericht nahm zunächst auf § 74 SGB XII Bezug. Danach sind im Rahmen der Sozialhilfe die erforderlichen Kosten einer Bestattung zu übernehmen, soweit dem hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Dem Heim stünde ein solcher Anspruch zu, denn grundsätzlich könne ein Anspruch auf Kostenübernahme aus § 74 SGB XII auch einer juristischen Person zuzubilligen sein. Die Heimbetreiber als Klägerin sei „Verpflichtete“ i. S. d. § 74 SGB XII gewesen. Die Verpflichtung ergebe sich aus der landesrechtlichen Bestattungspflicht (hier: § 13 Abs. 3 Alt. 2 Friedhofs- und Bestattungsgesetz Hessen). Der Klägerin könne aber nicht zugemutet werden, die Kosten zu tragen.

 

Der Begriff der Zumutbarkeit i. S. v. § 74 SGB XII sei nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls ausfüllungsbedürftig. Dabei könnten auch Maßstäbe und Umstände eine Rolle spielen, die als solche im Allgemeinen sozialhilferechtlich unbeachtet seien, denen aber vor dem Hintergrund des Zwecks des § 74 SGB XII Rechnung getragen werden müsse. Dabei sei zum einen an die persönliche und rechtliche Nähe zur Verstorbenen anzuknüpfen und zum anderen daran, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang es dem Verpflichteten möglich sei, selbst für eine anderweitige Entlastung zu sorgen. Im Übrigen dürfe der Sozialhilfeträger dem Bestattungspflichtigen nicht Ausgleichsansprüche gegenüber Angehörigen entgegenhalten, wenn diese selbst hilfebedürftig seien und eine Betreuung bestünde.

5. Ausnahmen der Kostentragungspflicht

Zu einem anderen Ergebnis kam das LSG Hessen (28.4.10, L 6 SO 135/08). Hier musste der Heimträger die Bestattungskosten einer mittellosen Person tragen, da die Person fast 45 Jahre in seiner Einrichtung verbracht hatte.

 

  • Diese Verpflichtung ergebe sich daher zum einen aus der hier zu bejahenden Zumutbarkeit, denn die Bestattungspflicht sei wegen des zeitlichen Faktors nicht zufällig oder bei Gelegenheit eingetreten.

 

  • Zum anderen lag die Besonderheit darin, dass der Heimträger nicht nur diese Aufgabe wahrnahm, sondern zugleich den überörtlichen Träger der Sozialhilfe darstellte (vgl. § 2 Hessisches Ausführungsgesetz zum BSHG). Zwar sei die Aufgabenwahrnehmung der Heimträgerschaft in einem Eigenbetrieb von der Aufgabenwahrnehmung als überörtlicher Sozialhilfeträger zu trennen, bei der Prüfung der Zumutbarkeit dem Kriterium der Nähe indes besonders Rechnung zu tragen und hier auf die personale und sachliche Nähe zu beziehen, die nach dem Normzweck der Bestimmung von Risiko- und Verantwortungssphären diene.

6. Sozialbestattung

In den Fällen, in denen die Kostenübernahme tatsächlich unzumutbar ist, kann eine Sozialbestattung beantragt werden. Der Bestatter muss seine Leistungen in diesem Fall nach einer Kostenordnung abrechnen. Diese Kosten werden dann von dem für den Sterbeort zuständigen Sozialamt übernommen (§ 74 SGB XII). Gemäß § 98 SGB XII ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der bis zum Tod der leistungsberechtigten Person Sozialhilfe leistete. Bei Antragstellung auf Kostenübernahme wird das Vermögen überprüft. Die Sozialbestattung hat einen begrenzten Zahlungsumfang, da das Sozialamt nur einen gewissen Satz für die Ausrichtung der Sozialbestattung bewilligt. Vorstellungen und Wünsche des Verstorbenen werden nur in begrenztem Umfang berücksichtigt. Ein Antrag auf Kostenübernahme kann auch gestellt werden, wenn die Bestattung bereits in Auftrag gegeben oder bereits durchgeführt wurde. Zu beachten ist, dass die Differenz einer zu teuren Bestattung von demjenigen, der die Bestattung in Auftrag gegeben hat, selber zu zahlen ist.

 

Eine Sozialbestattung kann nur von dem beantragt werden, der verpflichtet wäre, für die Bestattung aufzukommen. Eine bloße sittliche Mitverpflichtung des Antragstellers reicht nicht aus (SG Karlsruhe 31.8.12, S 1 SO 1200/12). Dabei darf der Sozialhilfeträger einem bedürftigen Bestattungspflichtigen, nicht Ausgleichsansprüche gegenüber Dritten entgegenhalten, wenn deren Durchsetzung ein gerichtliches Verfahren mit unsicherem Ausgang erfordert (BSG 29.9.09, B 8 SO 23/08).

7. Rückforderung von Beerdigungskosten

Bei zu Unrecht übernommenen Kosten können diese gegenüber dem Pflichtigen geltend gemacht werden. Ansprüche auf Ersatz der Bestattungskosten können gegen den Erben und den Totenfürsorgeberechtigten gemäß § 1968 BGB bestehen. Ein Anspruch scheitert aber, wenn der Erbe seine Haftung auf den Nachlass beschränkt und dieser dürftig ist, oder alle Erben ihr Erbe ausschlagen, sodass gemäß § 1936 BGB der Staat erbt.

 

Neben dem Anspruch gemäß § 1968 BGB kommt ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht. Dieser setzt voraus, dass ein fremdes Geschäft geführt wird, d. h., ein Geschäft für den zivilrechtlich zur Totenfürsorge Berechtigten und Verpflichteten. Sofern ein solches Geschäft vorliegt, kommt es grundsätzlich auf einen entgegenstehenden Willen des Totenfürsorgeverpflichteten gemäß § 679 BGB nicht an (BGH NJW 12, 1648).

 

Im Fall des Todes eines Unterhaltsberechtigten muss der Unterhaltsverpflichtete gemäß § 1615 Abs. 2 BGB die Beerdigungskosten tragen, wenn der Erbe hierzu nicht in der Lage ist. Hat der Unterhaltspflichtige die Kosten gezahlt, obwohl der Erbe sie hätte zahlen können, kann er von ihm Kostenersatz nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag oder nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen verlangen. Da es sich bei dem Anspruch aus § 1615 Abs. 2 BGB um einen Unterhaltsanspruch handelt, setzt dieser Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten voraus. Gemäß § 1360a Abs. 3 BGB ist § 1615 BGB auch unter Eheleuten anwendbar, laut § 1361 Abs. 4 S. 4 BGB auch bei Getrenntlebenden. Das Gleiche gilt bei eingetragenen Lebenspartnern (§§ 5, 12 S. 2 LPartG).

 

Ferner ist § 74 SGB XII zu beachten. Hiernach sind die erforderlichen Kosten vom zuständigen Sozialhilfeträger zu übernehmen, soweit dem Verpflichteten die Kostentragung nicht zugemutet werden kann. Zudem kann ein Anspruch gegeben sein, wenn dem Bestattungspflichtigen zwar Ansprüche gegenüber anderen Personen zustehen, diese aber wirtschaftlich wertlos sind (BVerwG NVwZ 01, 927).

8. Bestattungskosten steuerlich absetzen

Die Beerdigungskosten können in der Steuererklärung als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG geltend gemacht werden, sofern diese nicht aus dem Nachlass beglichen werden können. Die Aufwendungen, die berücksichtigt werden sollen, müssen im direkten Zusammenhang mit der Bestattung stehen. Ihre Höhe muss angemessen sein. Maßstab ist der Lebensstil des Verstorbenen.

 

PRAXISHINWEISE |

 

  • Heime sollten beachten, dass die Leiter der Einrichtungen je nach Landesgesetz dazu verpflichtete sein können, eine Beerdigung mittelloser Heimbewohner zu beauftragen und zumindest zunächst auch die dafür anfallenden Kosten zu tragen.

 

  • Die Kostentragung kann sich im Einzelfall aus einer besonderen persönlichen und rechtlichen Nähe zum Verstorbenen ergeben, in der Regel besteht jedoch die Möglichkeit etwaig verauslagte Kosten von den Kostentragungsverpflichteten zurückzufordern.

 

  • Zum anderen sollte beachtet werden, dass im Zuge einer Sozialbestattung nur eine günstige Bestattung ersetzt wird.

 

  • Empfehlenswert ist gegenüber dem Bestatter mit offenen Karten zu spielen und klarzumachen, dass er sich nur in diesem Rahmen bewegt, denn die Differenz einer zu teuren Bestattung, wird jedenfalls nicht erstattet.

 

  • Sollte der Bestatter zu hoch abrechnen, trotz Kenntnis einer im Raum stehenden Sozialbestattung, sind Regressansprüche gegen das Bestattungsunternehmen denkbar.

 

  • Insgesamt sollten Heime sich in solchen Situationen vor finanziellen Risiken schützen, indem sie zum einen ihre Heimbewohner aufklären, damit diese eine Kostentragung ggf. frühzeitig regeln. Hierzu bieten die Sozialämter teilweise eine Vorsprache an.
 
Quelle: Sonderausgabe 01 / 2017 | Seite 9 | ID 44722129