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· Fachbeitrag · Patientenfixierung

Kein Schmerzensgeld bei berechtigter Fixierung

| War eine Fixierung eines Patienten erforderlich und war die Art der Fixierung nicht zu beanstanden, kann kein Schmerzensgeld verlangt werden. |

 

Sachverhalt

Während des Nachtdiensts kam es in einem Krankenhaus zu einer selbstgefährdenden Situation eines psychisch auffälligen Patienten. Deshalb wurde er vom Krankenhauspersonal auf der Intensivstation durch eine 5-Punkt-Fixierung ruhiggestellt. Der Patient zog sich während seiner Befreiungsversuche durch Fußtritte nach dem Personal, einen Muskelfaserriss zu. Er warf dem Krankenhaus später vor, ihn unzulässig fixiert und damit in seiner Freiheit beraubt zu haben. Er forderte Schmerzensgeld von 2.500 EUR.

 

Entscheidungsgründe

Seine Klage blieb auch vor dem OLG Koblenz ohne Erfolg (22.12.14, 5 U 1132/14, Abruf-Nr. 186246). Nach Auffassung des Gerichts hafte ein Krankenhausträger in derartigen Fixierungsfällen nicht, sofern die Gesamtschau aller maßgeblichen medizinischen Fakten und sonstige Umstände der konkreten Behandlungssituation ergibt, dass Ärzte und Pflegepersonal situationsangemessen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorgegangen sind. Das Gericht entschied, dass das Krankenhaus richtig vorgegangen ist. Deshalb ist die Fixierung - die zweifelsfrei notwendig war, um zu verhindern, dass sich der Kläger in einer Phase der vorübergehenden Orientierungslosigkeit einen Schaden zufügt - nach § 34 StGB gerechtfertigt gewesen.

 

Einen Patienten davor zu bewahren, sich selbst zu schädigen, gehört nicht nur auf einer psychiatrischen Station, sondern auch im Rahmen einer intensivmedizinischen Versorgung zum Behandlungs- und Pflegestandard. Von den Pflegekräften wird erwartet, dass sie bei einem auffälligen Patientenverhalten die Gefährdungslage erkennen und hierauf unverzüglich und innerhalb der Bandbreite angemessener mechanischer Sicherungsvorkehrungen (wie etwa Bettgitter, Bauchgurt, Fixierung etc.) sachgemäß und situationskonform reagieren.

 

Sie unterliegen damit einer weitreichenden Sicherungspflicht. Missachten sie diese, können sie im Schadensfall schon bei geringfügiger Nachlässigkeit selbst deliktisch haften. Dies kann bis hin zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit gehen. Das OLG führte weiter aus, dass diese Garantenstellung umgekehrt auch voraussetzt, dass dem Pflegepersonal einer Intensivstation auch eine entsprechende fachliche Kompetenz bei der Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgaben zugebilligt wird.

 

  • Diesen Vorgaben hätten die Pflegekräfte im zu entscheidenden Fall Rechnung getragen, indem sie nicht nur die Fixierung veranlasst, sondern auch alsbald ärztlichen Beistand hinzugezogen hätten, um ihre Entscheidung unverzüglich fachmedizinisch überprüfen zu lassen.

 

  • Unstreitig habe der hier hinzugezogene Arzt eine dem medizinischen Standard in der maßgeblichen Situation entsprechende 5-Punkte-Fixierung angeordnet. Deren Fortdauer sei auch erforderlich gewesen, da die Beklagte während der Nachtschicht auf der Intensivstation keine ständige Überwachung gewährleisten konnte und auch nicht musste.

 

  • Das OLG entschied weiter, dass auch eine Teilfixierung im Falle des Klägers nicht ausreichend gewesen sei, da diese keine hinreichende Sicherheit dafür geboten hätte, dass sich der Kläger nicht in anderer Weise verletzt und seine medizinische Behandlung beeinträchtigt hätte.

 

Relevanz für die Praxis

Eine Fixierungsmaßnahme muss stets verhältnismäßig sein! Das bedeutet, dass sie

  • die ansonsten drohende Gefahr (z. B. Selbstverletzung) sofort beenden muss, wobei
  • die Art der Fixierung die jeweils schonendste sein muss.
Quelle: Ausgabe 06 / 2016 | Seite 96 | ID 43846607