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· Fachbeitrag · Letztwillige Verfügung

Testament mit mehreren Teilen und nur einer Unterschrift

| Häufig kommt es vor, dass ein Testament korrigiert, geändert oder ergänzt wird. Dies kann dazu führen, dass eine letztwillige Verfügung aus mehreren Teilen besteht. Doch welche Anforderungen müssen diese Schriftstücke erfüllen, damit das so zusammengesetzte Testament wirksam ist? Mit diesen Fragen musste sich das OLG Köln befassen, weil eine Beteiligte sich aufgrund einer Testamentsänderung als Alleinerbin sah. |

Sachverhalt

Der Erblasser verstarb im Januar 2019. Seinen Bruder hatte er mit zwei Verfügungen aus dem Jahr 2015 zum Alleinerben eingesetzt. Allerdings verfügte der Erblasser letztwillig durch handschriftliches Testament vom 23.4.17 oder 18, dass sein Bruder doch nichts mehr erhalten sollte. Diese letztwillige Verfügung hatte er auf die Rückseite einer der Verfügungen aus dem Jahr 2015 geschrieben.

 

Die Schriftstücke wurden nach dem Tod des Erblassers auf einem Holztisch gefunden. Auf die Tischplatte hatte er mit Filzstift Folgendes geschrieben:

 

„Testament D 22. April 2017: E F, geb. 12. März 1979 in Columbia, ist meine alleinige Erbin meines ganzen Vermögens. Telefon xxxxxx“

 

Auf der Tischplatte befand sich keine Unterschrift.

 

Die E. F. beantragte im Februar 2019 aufgrund dieses „Tischtestamentes“ einen Erbschein als Alleinerbin. Das Nachlassgericht wies den Antrag zurück. Ein engerer Zusammenhang zwischen dem Tischtestament vom 22.4.17 und dem Testament vom 23.4.17/18 bestehe nicht. Das Testament entspreche nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form und sei daher nichtig. Ebenso hat das Nachlassgericht die hiergegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen und die Sache dem OLG Köln zur Entscheidung vorgelegt.

 

  • Leitsätze der Redaktion zu OLG Köln 23.9.20, 2 Wx 189/20
  • 1. Ein Testament, das aus mehreren Schriftstücken errichtet wird, ist nur dann wirksam, wenn die Texte eine einheitliche Willenserklärung enthalten und diese durch Unterschrift abgeschlossen wird.
  • 2. Ein solcher Zusammenhang der verschiedenen Texte besteht nicht, wenn auf einem Tisch eine nicht unterzeichnete letztwillige Verfügung geschrieben wurde und auf dem Tisch weitere letztwillige Verfügungen liegen, die vom Erblasser zwar unterschrieben, aber voneinander unabhängig formuliert sind.
 

Entscheidungsgründe

Die letztwillige Verfügung vom April 2017 entspricht nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form und ist daher nach § 125 BGB nichtig.

 

Testament auf Tischplatte

Ein Testament kann gemäß § 2231 Nr. 2, § 2247 Abs. 1 BGB durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichtet werden. Dabei ist es auch unerheblich, worauf der Erblasser die Erklärung schreibt, solange der Text stofflich manifestiert ist. Es spricht also nichts dagegen, dass sich die letztwillige Verfügung hier ‒ statt wie üblich auf Papier ‒ auf einer Tischplatte befand.

 

Unterschrift ist Gültigkeitserfordernis

Allerdings fehlte hier die Unterschrift. Diese muss grundsätzlich am Schluss der Urkunde erfolgen.

 

MERKE | Die Unterschrift soll ein Testament räumlich abschließen, um spätere Zusätze auszuschließen. Sie garantiert die Ernsthaftigkeit der letztwilligen Verfügung und ist zwingendes Gültigkeitserfordernis. Davon kann aus Gründen der Rechtssicherheit nicht abgewichen werden.

 

Die zwei letztwilligen Verfügungen hat das OLG Köln auch nicht als zusammengehörig anerkannt, sodass die einzelne Unterschrift auf dem Schriftstück vom April 2017 bzw. 2018 nicht auch für den handgeschriebenen Text auf der Tischplatte gelten kann.

 

Beachten Sie | Grundsätzlich ist es durchaus möglich, dass ein Testament auf mehreren, miteinander nicht verbundenen Blättern errichtet wird. Erforderlich ist hierfür aber, dass die Texte einen inneren Zusammenhang haben.

 

MERKE | Die Papiere müssen inhaltlich eine Einheit ergeben (beispielsweise durch Nummerierung und fortlaufenden Text, LG München I FamRZ 04, 1905). Sie müssen eine einheitliche Willenserklärung enthalten. Dabei können sie auch widersprüchliche Regelungsinhalte enthalten, sofern nur der Zusammenhang der Texte unzweifelhaft ist (BGH NJW 74, 1083; BayObLG FamRZ 91, 371; 98, 581; OLG Karlsruhe ZNotP 03, 194, 196; Palandt/Weidlich, BGB, 79. Aufl. 2020, § 2247 Rn. 11). Besteht ein solcher inhaltlicher Zusammenhang, dann genügt auch eine einmalige Unterschrift. Diese muss sich auf dem letzten Blatt der Verfügung befinden.

 

Im vorliegenden Fall fehlt es aber bereits an dem inhaltlichen Zusammenhang der beiden Texte. Die Dokumente sind inhaltlich kein Ganzes; sie sind weder nummeriert noch enthalten sie einen fortlaufenden Text. Vielmehr sind es jeweils in sich abgeschlossene, vollständige Testamente. Aus diesen Texten ist auch in keiner Weise ersichtlich, dass die Testamente sich inhaltlich ergänzen oder Bezug aufeinander nehmen, z. B. ergänzt, konkretisiert oder fortgeführt werden. Dies gilt ebenso für die weiteren Testamente, die sich in Papierform auf der Tischplatte befunden haben.

 

Auch die äußere Form spricht gegen Zusammenhang

Gegen ein einheitliches Testament spricht auch das äußere Erscheinungsbild der Dokumente: Die Texte befinden sich auf unterschiedlichem Material. Zudem besteht keine Verbindung dieser unterschiedlichen Materialien. Es fehlt an jeglichem Anzeichen dafür, dass ein Zusammenhang zwischen der Unterschrift auf dem Papier und dem Tischtestament hergestellt werden sollte. Die einzige Gemeinsamkeit ist, dass es sich jeweils um Verfügungen von Todes wegen handelt. Hieraus ergibt sich aus Sicht des OLG Köln aber kein weiterer enger Zusammenhang dieser Verfügungen.

 

Nach dem OLG Köln sprechen die Gesamtumstände vielmehr dafür, dass die auf Papier gefertigten Testamente Tage nach dem Tod des Erblassers nur deshalb auf dem besagten Schreibtisch vorgefunden wurden, weil Testamente üblicherweise an einem (Schreib-)Tisch geschrieben und dort auch vorübergehend abgelegt werden. Dass die Testamente auf dem Schreibtisch lagen, dürfe daher entweder auf einem Zufall beruhen. Oder weil der Erblasser wollte, dass die Testamente auf Papier auch gefunden werden. Denn er habe davon ausgehen müssen, dass ein etwaiges „Arrangement“ aller Testamente auf dem Schreibtisch jederzeit ‒ sei es durch einen Windstoß bei Durchzug in der Wohnung oder das bloße Aufnehmen und Lesen durch irgendeine Person ‒ hätte zerstört werden können. Der Erblasser habe auch nicht ahnen können, dass die Wohnung nach seinem Tod von einem Polizisten betreten und ihr Zustand (auch durch Fotos) dokumentiert würde.

 

Das OLG Köln stellt daher fest: Hätte der Erblasser das Tischtestament wirklich gewollt, hätte er nicht andere unterschriebene Schriftstücke neben den Text auf die Tischplatte gelegt ‒ sondern diesen Text unterschrieben.

Relevant für die Praxis

Besteht ein Testament aus mehreren Teilen ‒ sei es auf Papier oder auf einem anderen Material ‒ muss die Zusammengehörigkeit dieser Bestandteile zweifelsfrei vorliegen, um von einer Gesamturkunde ausgehen zu können.

 

Beachten Sie | Ein Testament auf einem ungewöhnlichen Material, wie hier auf einem Tisch, ist nicht per se unwirksam. Vielmehr wäre das Tischtestament hier wirksam geworden, wenn der Erblasser es unterzeichnet hätte. Gleichwohl ist Mandanten eher davon abzuraten, bei der Wahl des Materials für eine letztwillige Verfügung zu experimentieren. Zudem müssen Testamente bei Gericht eröffnet und auch aufbewahrt werden können.

 

PRAXISTIPP | Bei mehrteiligen Testamenten sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass schon nach dem äußeren Erscheinungsbild der inhaltliche Zusammenhang zweifelsfrei erkennbar wird, z. B. durch Nummerierungen, fortlaufenden Text, gleichförmige Schrift und gleiches Schreibmaterial.

 
Quelle: Ausgabe 07 / 2021 | Seite 118 | ID 47469606