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· Fachbeitrag · Leistungsfähigkeit

Versorgung minderjähriger Kinder: So wirkt sie sich bei Elternunterhaltsansprüchen aus

| Kinder werden im Regelfall erst auf Elternunterhalt in Anspruch genommen, wenn die eigenen Kinder wirtschaftlich selbstständig, zumindest aber volljährig sind. Auf der anderen Seite führen lange Ausbildungszeiten und anschließende Berufstätigkeit dazu, dass sich erst spät ein Kinderwunsch realisiert. Hier kann es passieren, dass die Unterhaltsansprüche von pflegebedürftigen Eltern in Konkurrenz zu denen der minderjährigen Kinder treten. Wie dann gerechnet werden muss, zeigt dieser Beitrag. |

1. BGH zur Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit

Kindesunterhalt wirkt sich auf die Leistungsfähigkeit für den Elternunterhalt aus. In diesem Zusammenhang fallen dem Unterhaltsrechtler die Stichworte: Barunterhalt, Betreuungsunterhalt und Naturalunterhalt sowie Betreuungsbonus und Kindergeld ein. Der BGH hat sich in einer Entscheidung vom 15.2.17 (XII ZB 201/16, Abruf-Nr. 192733) mit diesem Themenkomplex näher befasst. Der Hauptgegenstand der Entscheidung betrifft die Auswirkung der Betreuung und Versorgung eigener minderjähriger Kinder einschließlich ihres Unterhaltsbedarfs auf die Leistungsfähigkeit für den Elternunterhalt.

 

  • Der Fall des BGH

Der Sozialhilfeträger begehrt aus übergegangenem Recht (§ 94 Abs. 1 SGB XII) von der Tochter T Elternunterhalt für ihren für knapp 9 Monate in einem Heim untergebrachten Vater. Dieser hat in dieser Zeit Hilfe zur Pflege (§§ 61 ff. SGB XII) von insgesamt 5.000 EUR bezogen. T war vollschichtig erwerbstätig mit einem bereinigten Einkommen zwischen monatlich 2.685 EUR und 3.165 EUR. Daneben betreute sie ihren zunächst 11- und dann 12-jährigen Sohn S. T lebte von dem Kindesvater V getrennt. Dieser zahlte Barunterhalt für S von monatlich 235 EUR.

 

Das OLG hatte den von T für ihren Sohn geleisteten Betreuungsunterhalt für die Bestimmung ihrer Leistungsfähigkeit monetarisiert und vom unterhaltsrelevanten Einkommen der T in Abzug gebracht. Diesem Ansatz ist der BGH nicht gefolgt, sondern hat eine differenzierte Betrachtung vorgenommen.

 

2. Bar-, Betreuungs- und Naturalunterhalt

Im Ausgangspunkt seiner Entscheidung unterscheidet der BGH terminologisch zwischen Barunterhalt, Betreuungsunterhalt und Naturalunterhalt. Der Unterhaltsanspruch eines Kindes umfasst nach § 1610 Abs. 2 BGB seinen gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten für eine angemessene Ausbildung und ‒ bei einem minderjährigen Kind ‒ für die Erziehung. Dazu gehören insbesondere Wohnung, Verpflegung, Kleidung, Versorgung, Betreuung, Erziehung, Bildung, Ausbildung, Gesundheits- und Krankenversorgung sowie Gestaltung von Freizeit und Ferien. Erbringen die Eltern diese vielfältigen Leistungen nicht in Natur, werden die dafür erforderlichen Kosten dem Kind nach § 1612 Abs. 1 S. 1 BGB als sogenannter Barunterhalt in Form einer Geldrente geschuldet. Dies ist die Regel, wenn die Eltern nicht zusammen leben oder wenn das Kind das Elternhaus verlassen hat.

 

Nach dem Gesetz ist der Barunterhalt nur scheinbar die Regel. Üblicherweise wird minderjährigen und volljährigen Kindern, die das Elternhaus noch nicht verlassen haben, Naturalunterhalt gewährt, wenn sie mit den Eltern ‒ ob verheiratet oder nicht ‒ in einem Haushalt zusammenleben. In diesen Fällen ist der Unterhaltsanspruch des Kindes ‒ abgesehen vom Taschengeld ‒ nicht auf eine Geldzahlung gerichtet, sondern auf Gewährung von Wohnung, Nahrung, Kleidung und sonstige Leistungen in Form von Naturalien. Naturalunterhalt ist gesetzlich geschuldeter Unterhalt und in § 1612 Abs. 2 S. 1 BGB geregelt. Er tritt an die Stelle des Barunterhalts und erfolgt nicht kostenlos, da die erwähnten Naturalien alle etwas kosten.

 

Bei minderjährigen Kindern werden daneben auch noch die Versorgung, Betreuung und Erziehung geschuldet. Hierbei handelt es sich um einen reinen Leistungsaufwand, der Betreuungsunterhalt genannt wird. Er darf nicht mit dem Naturalunterhalt verwechselt werden. Der Naturalunterhalt deckt anstelle des vom Gesetz (§ 1612 Abs. 1 S. 1 BGB) als Regel vorgesehenen Barunterhalts die materiellen Bedürfnisse des Kindes. Demgegenüber deckt der Betreuungsunterhalt den Anspruch des Kindes auf Pflege und Erziehung, also auf persönliche Zuwendung und Versorgung. Der betreuende Elternteil kann sich hierbei auch der Hilfe Verwandter oder sonstiger Dritter bedienen.

3. Barunterhalt als Abzugspositionen vom Einkommen

Wäre der barunterhaltspflichtige V gegenüber einem Elternteil unterhaltsverpflichtet, wäre die Sache einfach. Da die eigenen Kinder den Eltern nach § 1609 Abs. 1 Nr. 1 und 4 BGB im Rang vorgehen, könnte V den für den minderjährigen S nach der Düsseldorfer Tabelle geschuldeten Kindesunterhalt von seinem Einkommen vorab abziehen. Bleibt allerdings der Zahlbetrag hinter dem geschuldeten Barunterhalt zurück, darf er auch nur in dieser tatsächlich gezahlten Höhe abgezogen werden.

 

Beachten Sie | Hier wächst der minderjährige S jedoch ‒ ungeachtet der Trennungssituation seiner Eltern ‒ in einem sog. Doppelverdienerhaushalt auf. Auch T erzielt ein eigenes Einkommen aus vollschichtiger Arbeit, was gerade Anlass für den Sozialhilfeträger war, sie auf Elternunterhalt für ihren hilfsbedürftigen Vater in Anspruch zu nehmen.

 

Es galt bisher aus unterhaltsrechtlicher Sicht im Fall des Getrenntlebens der Kindeseltern als unumstößlich, dass der eine Elternteil, bei dem das gemeinsame minderjährige Kind lebt, dieses betreut und der andere Elternteil den Barunterhalt für das Kind zahlt. Dem liegt eine traditionelle Rollenverteilung zugrunde, die die heutige gesellschaftliche Realität nicht mehr ausreichend abbildet. Nicht zuletzt wegen der früher und umfassender einsetzenden Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils verfügen plötzlich beide Eltern über Erwerbseinkommen, und es ist keineswegs sicher, dass der betreuende Elternteil immer das niedrigere oder ein für eine eigene Barunterhaltsleistung nicht ausreichendes Einkommen hat. Der BGH hat für den Fall, dass beide Eltern Erwerbseinkommen erzielen, eine wichtige Klarstellung für die Berechnung der Leistungsfähigkeit des auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen betreuenden Elternteils vorgenommen.

 

Wichtig | Die Überlegungen gelten dabei nicht nur für den besonderen Fall des Elternunterhalts, sondern auch für die in der Praxis wesentlich häufigeren Fälle des Ehegattenunterhalts.

4. Lösungsansatz des BGH bei getrennt lebenden Eltern

Einer Monetarisierung des Betreuungsunterhalts ‒ die teilweise in Rechtsprechung und Literatur vertreten wird und wie sie die Vorinstanz (anhand der Düsseldorfer Tabelle und auf Grundlage des eigenen Einkommens der T) vorgenommen hat ‒ hat der BGH eine ausdrückliche Absage erteilt.

 

a) Keine unmittelbar einkommensmindernde Auswirkung

Zur Begründung führt er aus, dass der von der T geschuldete Betreuungsunterhalt nicht auf eine Geldleistung gerichtet ist. Er wird in Natur erbracht durch tatsächliche Betreuung, Erziehung und Versorgung von S. Er kann deshalb nicht in einem Geldbetrag ausgedrückt (nicht monetarisiert) werden.

 

Der zum Elternunterhalt verpflichteten T ist auch kein pauschaler Betreuungsbonus zu belassen, um ihre neben der Kinderbetreuung ausgeübte Erwerbstätigkeit zu honorieren. Ebenso scheidet ein genereller pauschaler Abschlag von ihrem Einkommen zum Ausgleich von Erschwernissen, die sich für T als erwerbstätigem betreuendem Elternteil durch die Doppelbelastung ergeben, aus. Die persönliche Betreuung des eigenen minderjährigen Kindes wirkt sich also nicht unmittelbar einkommensmindernd aus und bleibt damit ohne unmittelbaren Einfluss auf die Leistungsfähigkeit der T.

 

PRAXISHINWEIS | Es ist dagegen nicht zu beanstanden und auch vom BGH in früheren Entscheidungen ausdrücklich gebilligt worden, wenn vom anrechenbaren Einkommen mindestens der Betrag abgesetzt wird, der für anderweitige Betreuungskosten wegen der Berufstätigkeit entsteht (sog. konkreter Betreuungsaufwand). Hierzu hätten etwa Hortkosten für S gehört.

 

b) Mittelbare Auswirkungen von Betreuungsleistungen

Die Betreuung des eigenen minderjährigen Kindes wirkt sich nach der Entscheidung des BGH zwar nicht unmittelbar einkommensmindernd aus. Sie bleibt aber bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit auch nicht generell unberücksichtigt. Denn: Für den betreuenden Elternteil kann eine (vollschichtige) Erwerbstätigkeit, bei gleichzeitiger Betreuung, Versorgung und Erziehung, zu einer überobligatorischen (unzumutbaren) Belastung führen.

 

Sowohl für die Frage, ob ein Erwerbseinkommen aus einer unterhaltsrechtlich als überobligationsmäßig zu bewertenden Tätigkeit stammt, als auch für die Frage, in welchem Umfang ein vom Unterhaltspflichtigen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit tatsächlich erzieltes Einkommen für den Unterhalt einzusetzen ist, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Über die Einkommensanrechnung ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu entscheiden. Eine pauschale Betrachtung und eine schematische Einkommenskorrektur anhand von Billigkeitskriterien scheiden aus.

 

MERKE | Relevante Kriterien in diesem Zusammenhang sind z. B.,

  • Alter, Krankheiten sowie sonstiger intensiver Betreuungsbedarf
  • außerschulische Freizeitaktivitäten verbunden mit weiten Fahrstrecken des betreuenden Elternteils
  • schwierige Betreuungssituationen
  • Art der Erwerbstätigkeit, Schichtdienste bzw. konkrete Arbeitszeiten und längerer Fahrzeiten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle
 

Nur der nach einer Billigkeitsabwägung festgestellte unterhaltsrelevante Teil der überobligationsmäßig erzielten Einkünfte ist anrechenbares Einkommen im Rahmen des Elternunterhalts. Der nicht unterhaltsrelevante Teil bleibt vollständig unberücksichtigt. In besonderen Fällen kann sogar das gesamte Einkommen überobligatorisch sein. Hierfür ist sorgfältiger und umfassender anwaltlicher Vortrag unverzichtbar. Auch im vorliegenden Fall wäre es nicht ausgeschlossen gewesen, die vollschichtige Erwerbstätigkeit der T neben der Betreuung des S als überobligationsmäßig zu beurteilen. Der BGH konnte sich jedoch insoweit auf die knappe Feststellung beschränken, dass in den Vorinstanzen hierfür nichts vorgetragen oder festgestellt worden ist.

 

PRAXISHINWEIS | Der Anwalt hätte größere Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Kindererziehung und Arbeit vortragen müssen. Dann wäre das von T aus unzumutbarer Arbeit erzielte Einkommen möglicherweise nur zu einem Anteil unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen gewesen. Wären bei einem Einkommen zwischen monatlich 2.685 EUR und 3.165 EUR nur zu 40 Prozent unterhaltsrechtlich anrechenbar gewesen, hätte unter Berücksichtigung des seinerzeit (Stand 1. 1.11) für den Elternunterhalt geltenden Selbstbehaltssatzes von 1.500 EUR von vornherein kein Einkommen der T mehr für den Elternunterhalt zur Verfügung gestanden. Vollständiger anwaltlicher Vortrag ist daher wichtig und lohnend.

 

c) Abzugsfähigkeit restlichen Barunterhalts in Form von Naturalunterhalt

Auch wenn T ihre Betreuungsleistungen nicht vom Einkommen abziehen darf, sind damit nicht sämtliche Abzüge ausgeschlossen. Vielmehr darf T von ihrem unterhaltsrelevanten Einkommen den Betrag absetzen, den sie neben ihren Betreuungsleistungen in Form von Naturalunterhalt erbringen muss, weil der von V ‒ hier mit monatlich 235 EUR ‒ gezahlte Barunterhalt den Unterhaltsbedarf des gemeinsamen Sohnes nicht vollständig abdeckt. Das wirft vorab die Frage nach der Höhe des Unterhaltsbedarfs des S auf.

 

Der Unterhaltsbedarf richtet sich beim Verwandtenunterhalt gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Bedürftigen. Minderjährige Kinder, die noch im Haushalt ihrer Eltern leben, leiten ihre Lebensstellung grundsätzlich von beiden Elternteilen ab. Da die Einkünfte beider Eltern den Lebensstandard der ganzen Familie prägen, wird auch der Unterhaltsbedarf des Kindes nach dem zusammengerechneten Einkommen beider Eltern bestimmt. Im Fall einer Trennung der Eltern gilt nichts anderes. Daher ist nach Auffassung des BGH auch für den Bedarf von minderjährigen Trennungs- oder Scheidungskindern auf die zusammengerechneten Einkünfte beider Eltern unter Heranziehung der Düsseldorfer Tabelle abzustellen

 

MERKE | In der Vergangenheit hat der BGH im Rahmen des Kindesunterhalts/Ehegattenunterhalts wiederholt entschieden, dass sich der Bedarf des minderjährigen Kindes allein von dem barunterhaltspflichtigen Elternteil ableitet. Dieser Grundsatz gilt allerdings nur vor dem Hintergrund, dass nur ein Elternteil als Alleinverdiener für den Barunterhalt des vom anderen (nicht verdienenden) Elternteil betreuten Kindes aufkommen muss. Er verliert seine Gültigkeit, wenn ‒ wie im vorliegenden Fall ‒ beide Eltern Erwerbseinkünfte erzielen.

 

Bei getrennt lebenden Eltern ist jedoch noch § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB zu beachten. Danach erfüllt der Elternteil, der ein minderjähriges Kind betreut, seine Unterhaltspflicht durch die Pflege und Erziehung. Er ist deshalb grundsätzlich von der Barunterhaltspflicht befreit. Diesen muss allein der nicht betreuende Elternteil leisten. Allerdings ist dessen Unterhaltspflicht auf den Betrag begrenzt, den der barunterhaltspflichtige Elternteil bei (hypothetischer) alleiniger Unterhaltshaftung auf der Grundlage nur seines eigenen Einkommens zu zahlen hätte. Maßgebend hierfür sind die Tabellensätze der Düsseldorfer Tabelle, die bei minderjährigen Kindern um das hälftige (auf den Barunterhalt) entfallende Kindergeld gemindert werden.

 

Für den berufstätigen kinderbetreuenden Elternteil ergeben sich durch die neuen Überlegungen des BGH zum Unterhaltsbedarf des Kindes bei Doppelverdienereltern erhebliche praktische Auswirkungen im Rahmen der Prüfung der Leistungsfähigkeit für den Elternunterhalt. Das soll an folgendem Berechnungsbeispiel deutlich gemacht werden:

 

  • Berechnung des Unterhaltsbedarfs des S

Bereinigtes Monatseinkommen des V

1.500 EUR

Bereinigtes Monatseinkommen der T

2.900 EUR

Unterhaltsbedarf des 11-jährigen S auf der Basis der Elterneinkünfte von 4.400 EUR nach der 9. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle (Stand 1.1.11)

 

554 EUR

Abzug hälftiges Kindergeld

./.

92 EUR

verbleibt ein Unterhaltsbedarf von

462 EUR

Barunterhaltspflicht des V nach der 1. Einkommensgruppe

364 EUR

abzüglich hälftiges Kindergeld

./.

92 EUR

zu zahlen

272 EUR

tatsächlich gezahlt

235 EUR

ergibt eine Unterdeckung von

272 EUR ‒ 235 EUR

=

37 EUR

 

T muss tatsächlich aber noch weitaus mehr für S aufbringen. Sein festgestellter Gesamtunterhaltsbedarf von 462 EUR wird durch die Barunterhaltszahlungen des V nur in Höhe von 235 EUR gedeckt. Damit muss T neben dem Betreuungsunterhalt für den gesamten noch offenen Barunterhalt von (462 EUR ‒ 235 EUR =) 127 EUR in Form von Naturalunterhalt (z. B. durch Unterkunfts- und Verpflegungsgewährung) aufkommen.

 

Dieser ungedeckte Barunterhaltsbedarf des S von monatlich 127 EUR ist bei der Berechnung des von T geschuldeten Elternunterhalts von ihren Erwerbseinkünften abzusetzen und verringert ihre Leistungsfähigkeit.

 

d) Keine weitere Kindergeldanrechnung

Die noch nicht verbrauchte andere Hälfte des Kindergelds (von damals 92 EUR) steht der betreuenden T anrechnungsfrei zu. Denn sie soll den betreuenden Elternteil bei seinen Betreuungsleistungen unterstützen, sowie als zweckgebundene existenzsichernde Leistung für das Kind verwendet werden. Das geschieht z. B., indem der Kindergeldanteil der T Ausgaben ermöglicht, die im Zusammenhang mit ihren Betreuungsleistungen stehen, jedoch nicht zum unterhaltsrelevanten Bedarf des S zählen. Das ist etwa der Fall bei eigenen Eintrittsgeldern der betreuenden T, wenn sie ihren Sohn zu einer Veranstaltung oder in eine Einrichtung begleitet. Folglich ist das der betreuenden T zustehende hälftige Kindergeld kein unterhaltsrelevantes Einkommen, das ihre Leistungsfähigkeit im Rahmen des Elternunterhalts (um 92 EUR) erhöhen würde.

 

PRAXISHINWEIS | Für zusammenlebende Eltern gilt nichts anderes, weil auch dann das minderjährige Kind Betreuungsbedarf hat, d. h. auch dann stellt die auf die Betreuungsleistung entfallende Kindergeldhälfte kein unterhaltsrelevantes Einkommen dar. Durch die Entscheidung des BGH dürfte damit für jeden Sozialhilfeträger klar geworden sein, dass entgegen einer weit verbreiteten Praxis im Rahmen des Elternunterhalts auch in Doppelverdienerehen das Kindergeld immer nur zur Hälfte auf den Unterhaltsbedarf des eigenen minderjährigen Kindes angerechnet werden darf.

 

FAZIT | Die Auswirkungen der BGH-Entscheidung auf den Elternunterhalt dürften auf der einen Seite nicht sehr hoch sein, weil die wenigsten zum Elternunterhalt verpflichteten Kinder noch eigene minderjährige Kinder zu betreuen und zu versorgen haben. Auf der anderen Seite kommen in der Praxis auch solche Fälle vor (insbesondere wenn ‒ wie hier ‒ Eltern schon frühzeitig hilfs- und pflegebedürftig werden). Der Praktiker muss also die damit verbundenen Problemkreise kennen, um sachgerecht argumentieren zu können.

 

Die in der Praxis ohnehin oft komplexe und schwierige Berechnung der Leistungsfähigkeit für den Elternunterhalt wird mit Fragen und Streitigkeiten über den Kindesunterhalt und über den Umfang der Erwerbsobliegenheit des zum Elternunterhalt verpflichteten Unterhaltsschuldners weiter belastet. Die Sache wird nicht einfacher, sondern sie kompliziert sich weiter. Damit erhöhen sich gleichzeitig die Anforderungen an den anwaltlichen Vortrag.

 
Quelle: Sonderausgabe 02 / 2017 | Seite 10 | ID 44963780