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· Fachbeitrag · Finanzen

Mandanten fragen: Was ist offenzulegen

| Mandant S fragt, ob er im Hinblick auf die seinem Schwiegervater gewährten Sozialhilfeleistungen zu der vom Sozialhilfeträger (SHT) geforderten vollständigen Offenlegung seiner Finanzen verpflichtet ist. |

 

  • S schildert diesen Sachverhalt: Auskunftsverlangen an Schwiegersohn

Sein 1948 geborener und gehbehinderter Schwiegervater V bezieht wegen geringer Rente seit 5 Monaten Leistungen der Grundsicherung im Alter sowie ambulante Eingliederungshilfe nach dem SGB XII. Ein zivilrechtliches Auskunftsverlangen habe seine (S) Ehefrau E mit Blick auf ihre nur ganz geringen Einkünfte abgelehnt und dem SHT ferner mitgeteilt, dass ihr Ehemann (S) sich weigere, Angaben zu seinen Einkünften zu machen. Daraufhin habe der SHT beim FamG einen Stufenantrag gegen die E eingereicht. Trotzdem verlange der SHT jetzt auch noch von ihm (S) Auskunft nach § 117 SGB XII über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie die Vorlage entsprechender Nachweise. Er habe sogar ein Zwangsgeld von 250 EUR angedroht sowie die sofortige Vollziehung des Auskunftsersuchens angeordnet. S ist empört und will dagegen vorgehen.

 

1. Auskunftsersuchen an beide Eheleute

In Fällen des Elternunterhalts ist die Schwiegerkindhaftung vielfach ein psychologisches und tatsächliches Problem. Schwiegerkinder sträuben sich nicht nur gegen Unterhaltszahlungen für die Schwiegereltern, sondern lehnen vielfach bereits im Vorfeld eine Auskunftserteilung über ihre Einkommensverhältnisse strikt ab. Die Empörung wird meistens auch von den eventuell unterhaltspflichtigen Kindern geteilt und unterstützt.

 

a) Auskunftspflicht des unterhaltspflichtigen Kindes

Nach der Rechtsprechung des BGH ist das unterhaltspflichtige Kind nach § 1605 BGB nicht nur verpflichtet, Auskünfte über die eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen. Vielmehr umfasst diese zivilrechtliche Auskunftsverpflichtung auch Angaben über die Einkommensverhältnisse seines Ehegatten. Diese sind erforderlich, um die Höhe des Anspruchs auf Familienunterhalt (§§ 1360, 1360a BGB) und auf Taschengeld bestimmen zu können.

 

MERKE | Der aus der Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 Abs. 1 S. 2 BGB) folgende Auskunftsanspruch besteht wechselseitig. Die Ehegatten schulden sich dabei die Auskunftserteilung über ihre finanziellen Verhältnisse in einer Weise, wie sie zur Feststellung des Unterhaltsanspruchs erforderlich ist. Die Vorlage von Belegen oder einer eidesstattlichen Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben kann dagegen nicht verlangt werden.

 

Frage: Könnte der SHT von E verlangen, dass sie gegen ihren Ehemann auf Auskunft klagt, wenn er eine freiwillige Erteilung ablehnt?

 

Antwort: Das ist i. d. R. unzumutbar, zumal dem SHT ein einfacherer Weg zur Informationsbeschaffung über § 117 SGB XII (s. u.) zur Verfügung steht.

 

Die in Internetforen bis heute anzutreffende „Empfehlung“ an das unterhaltspflichtige Kind, sich gegenüber dem SHT auf eine strikte Auskunftsverweigerung durch seinen Ehegatten zu berufen, führt nicht zum gewünschten Ziel, sondern nur zu Verzögerungen. Diese stellen jedoch für die Beteiligten erfahrungsgemäß i. d. R. eine Belastung dar; sie wünschen eine rasche Klärung.

 

b) Auskunftspflichten des Schwiegerkindes

Vorliegend hat der SHT gegenüber E zu Recht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen Stufenantrag beim FamG einzureichen. Dies ist ihm jedoch gegenüber S verwehrt, da er selbst seinem Schwiegervater V keinen Unterhalt schuldet. Schwiegerkinder sind nicht nach § 1605 BGB zur Auskunftserteilung über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse verpflichtet. Auch aus § 242 BGB lässt sich dies nicht herleiten. Eine Weigerung des S, überhaupt oder vollständig Auskunft zu erteilen, führt ihn jedoch für die Frage des von seiner Ehefrau geschuldeten Elternunterhalts letztlich nicht weiter.

 

Nach der Regelung des § 117 Abs. 1 S. 1 SGB XII, die Ausdruck des Grundsatzes des Nachrangs der Sozialhilfe ist (§ 2 SGB XII), kann der SHT u. a. von den Unterhaltspflichtigen und ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse verlangen, soweit die Durchführung des SGB XII dies erfordert. Diese sozialhilferechtliche Auskunftsverpflichtung wird in der Praxis vielfach übersehen.

 

MERKE | Der SHT ist nach § 117 Abs. 4 SGB XII auch berechtigt, am Schwiegerkind vorbei bei dessen Arbeitgeber Auskünfte über das Arbeitsentgelt einzuholen. Dafür müssen dem SHT natürlich Name und die Adresse des Arbeitgebers bekannt sein. Ein durchsetzbarer Anspruch gegenüber dem unterhaltspflichtigen Kind, hierzu Angaben zu machen, besteht allerdings nicht.

 

Vorliegend durfte der SHT daher den S unmittelbar auf Auskunftserteilung in Anspruch nehmen. Seine Verpflichtung erstreckt sich dabei auch auf die Vorlage von Beweisurkunden oder die Zustimmung zu ihrer Vorlage.

 

Beachten Sie | § 117 Abs. 1 SGB XII ermächtigt hier den SHT, seinen Auskunftsanspruch durch VA gegenüber S geltend zu machen und bei einer Auskunftsverweigerung sogar im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen. Dies durfte hier durch den Bescheid über das Auskunftsverlangen sowie die Androhung eines Zwangsgelds von 250 EUR und die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Auskunftsersuchens (§ 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG) geschehen.

 

Frage: Würde einer von S nach erfolglosem Widerspruch eingereichten Anfechtungsklage die Sperrwirkung des vom SHT vor dem Familiengericht gegen E eingereichten Stufenantrag entgegenstehen (§§ 202 SGG, 70 Abs. 1 S. 2 GVG)?

 

Antwort: Das ist nicht der Fall, denn es handelt sich nicht um identische Streitsachen. Das Auskunftsersuchen gegen den Schwiegersohn des Hilfeempfängers V ist auf die öffentlich-rechtliche Norm des § 117 SGB XII gestützt, gegen die Tochter E hat es dagegen einen übergegangenen (§ 94 SGB XII) bürgerlich-rechtlichen Anspruch nach § 1605 BGB zum Inhalt.

2. Sozialhilferechtliches Auskunftsverlangen rechtmäßig?

§ 117 Abs. 1 S. 1 SGB XII liegt tatbestandlich vor, wenn der bürgerlich-rechtliche Unterhaltsanspruch des hilfsbedürftigen Schwiegervaters V gegen seine Tochter E weder offensichtlich noch aus Härtegründen (§ 94 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII) ausgeschlossen oder entfallen (§ 1611 BGB) ist (sog. Negativevidenz). „Offensichtlich“ bedeutet hier: ohne nähere Prüfung, ohne Beweiserhebung und ohne eingehende rechtliche Überlegungen. Die Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens gegenüber S setzt nicht voraus, dass dem Hilfeempfänger V ein Unterhaltsanspruch nach BGB tatsächlich und nachweisbar zusteht. Nur wenn ein solcher Elternunterhaltsanspruch nach materiellem Recht offensichtlich ausgeschlossen ist, ist ein erkennbar sinnloses Auskunftsersuchen des SHT rechtswidrig und aufzuheben. In der Praxis sind diese Fälle selten.

 

Frage: Wäre die Auskunftspflicht des S ausgeschlossen, wenn er geltend macht, seine Ehefrau arbeite wegen der gemeinsamen minderjährigen Kinder nur stundenweise mit einem geringen monatlichen Nettoeinkommen von nur 200 EUR?

 

Antwort: Der unterhaltspflichtige Ehegatte ist nicht bereits deshalb leistungsunfähig (§ 1603 BGB), weil er nicht über Einkünfte verfügt, die den ihm im Rahmen des Elternunterhalts zu belassenden Selbstbehalt übersteigen. Denn bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt ist danach zu fragen, ob das unterhaltspflichtige Kind durch den ihm von seinem Ehegatten geschuldeten Familienunterhalt sein Auskommen hat. Die Höhe eines solchen Anspruchs der E richtet sich nach den beiderseitigen unterhaltsrelevanten Nettoeinkünften der Eheleute S und E. Ferner steht E gegebenenfalls ein Taschengeldanspruch gegen ihren besser verdienenden Ehemann zu, den sie grundsätzlich (teilweise) für den Elternunterhalt einzusetzen hat.

 

Frage: Könnte S einwenden, sein Schwiegervater habe die Familie früh verlassen und diese vernachlässigt, insbesondere keinen Unterhalt für seine minderjährige Tochter E gezahlt, sodass mit Blick auf § 1611 BGB mangels Elternunterhaltsanspruchs von vornherein auch kein Auskunftsanspruch gegen ihn bestehe?

 

Antwort: Die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob ein Anspruch auf Elternunterhalt gegen die E nach § 1611 BGB ausgeschlossen sein könnte, ist nicht im sozialgerichtlichen Verfahren über das Auskunftsverlangen des SHT nach § 117 SGB XII zu klären. Dies hat ‒ gegebenenfalls nach einer Beweisaufnahme ‒ im Rahmen des beim Amtsgericht anhängigen familiengerichtlichen Verfahrens zu geschehen. Das gilt umso mehr, als § 1611 BGB neben dem Wegfall auch eine Beschränkung des Unterhaltsanspruchs erlaubt.

 

Im Ergebnis verspricht es vorliegend keine Aussicht auf Erfolg, wenn sich S gegen das nicht offensichtlich rechtswidrige Auskunftsersuchen des SHT zur Wehr setzt. Dagegen sollte ein etwaiges künftiges Zahlungsverlangen des SHT gegenüber der E einer kritischen Prüfung unterzogen werden.

Quelle: Ausgabe 11 / 2018 | Seite 192 | ID 45543914