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· Fachbeitrag · Elternunterhalt in der Praxis (Teil 2)

Auskunftspflichten rund um den Elternunterhalt:Einkommensverbesserung und -verschlechterung

von RAin Dagny Liceni-Kierstein, RiOLG a.D., Berlin

| Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind nie statisch. Nach einer durch den Sozialhilfeträger getroffenen Feststellung zur Leistungsfähigkeit oder auch zur Leistungsunfähigkeit können sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des unterhaltspflichtigen Kindes verändern. Dieser Beitrag behandelt die Offenbarungspflicht bei Einkommensverbesserungen und was bei Einkommensverschlechterungen gilt. |

 

  • Beispiel 1: Offenbarungspflicht bei Einkommensverbesserungen

S soll auf Elternunterhalt für seine in einem Pflegeheim untergebrachte hilfsbedürftige Mutter in Anspruch genommen werden. Aufgrund eines bereinigten Nettoeinkommens von 2.000 EUR und abzugsfähigen monatlichen Kreditraten von 200 EUR für einen vor längerer Zeit aufgenommenen Konsumkredit, der noch 12 Monate läuft und unterhaltsrechtlich anerkannt wurde, stellt der Sozialhilfeträger nach einer Auskunftserteilung des S am 02.07.2018 mit schriftlichem Bescheid vom 23.07.2018 fest, dass S gegenwärtig nicht leistungsfähig ist.

 

Nachdem S am 2.7.18 Auskunft erteilt hat und der Sozialhilfeträger noch mit der Prüfung seiner unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit beschäftigt ist, wird S unerwartet mit Wirkung zum 1.9.18 befördert. Diese Beförderung wird zu einer monatlichen Einkommenserhöhung um 250 EUR netto führen.

 

Frage: Muss S diese Einkommensverbesserung gegenüber dem Sozialhilfeträger von sich aus nachträglich mitteilen?

 

Antwort: Eine Offenbarungspflicht besteht, wenn die bevorstehende Einkommensveränderung die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des S in dem in Rede stehenden Unterhaltszeitraum beeinflusst. Das ist häufig nicht der Fall. Denn der Sozialhilfeträger macht in der Regel nur zögerlich von seinem Recht Gebrauch, den laufenden Unterhalt geltend zu machen.

 

§ 94 Abs. 4 S. 2 SGB XII sieht diese Möglichkeit zwar vor, wenn die Leistung voraussichtlich auf längere Zeit erbracht werden muss. In den meisten Fällen wird der Unterhalt vom Sozialhilfeträger jedoch nur für einen abgeschlossenen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum geltend gemacht.

 

  • Macht der Sozialhilfeträger Elternunterhalt für die Mutter des S nur für das zurückliegende Kalenderjahr 2017 geltend und erstreckt auch den Auskunftsanspruch auf diesen Zeitraum, muss S nachträgliche Einkommensverbesserungen, die außerhalb dieses fraglichen Zeitraums liegen, nicht offenbaren. Die Einkommensverhältnisse 2018 sind dann irrelevant für die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des S im Kalenderjahr 2017.

 

  • Macht der Sozialhilfeträger dagegen nicht nur den Unterhalt für die Vergangenheit sondern auch für die Zukunft gelten (§ 94 Abs. 4 S. 2 SGB XII), so müsste S seine Angaben korrigieren. Der Sozialhilfeträger muss dann ggf. bei seinen Berechnungen nach Zeitabschnitten differenzieren, d. h. bis zum Tag vor der Beförderung (31.8.18) und für die Zeit danach (ab 1.9.18).

 

Für die Zukunft (ab 1.9.18) wird der Sozialhilfeträger die Leistungsfähigkeit des allein lebenden S wie folgt berechnen: (2.000 EUR [bisheriges Nettoeinkommen] + 250 EUR [dauerhafte Nettogehaltserhöhung] ‒ 200 EUR [Kreditzahlung] =) 2.050 EUR ‒ 1.800 EUR (Sockelselbstbehalt) = 250 EUR. Von diesem Betrag muss die Hälfte für den Elternunterhalt eingesetzt werden. Das ergibt eine zukünftige Unterhaltsverpflichtung des S von 125 EUR monatlich.

 
  • Beispiel 2: Einkommensverschlechterungen

Weitere Abwandlung: Der Sozialhilfeträger hat mit Blick auf die sicher eintretende Einkommensverbesserung mit Bescheid vom 23.7.18 für die Zeit ab 1.9.18 eine teilweise Unterhaltsverpflichtung des S in Höhe von monatlich 125 EUR festgestellt. Nachträglich ändert sich jedoch seine Belastungssituation. Die Lebensgefährtin des S erwartet von ihm ein Kind und S möchte noch vor der Geburt in eine neue gemeinsame Wohnung umziehen, wodurch höhere Kosten anfallen (z. B. Umzug, Renovierungen, Neuanschaffungen), die S durch einen über 48 Monate laufenden Kredit abdecken will.

 

Frage: Was ist zu tun?

 

Antwort: Die von S beabsichtigte Neuverschuldung hat einen sachlichen Grund. Sie ist daher im Rahmen des wirtschaftlich Vernünftigen unterhaltsrechtlich anzuerkennen. Hinzu kommt die Barunterhaltsverpflichtung des S gegenüber seinem Kind, wenn sich die beiden Lebenspartner auf eine regelmäßige Betreuung durch die Mutter verständigen. Daran würden auch das Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt sowie ein fehlender Titel über Kindesunterhalt nichts ändern.

 

Die erhöhte finanzielle Belastung hat unmittelbar Auswirkungen auf die Höhe der festgestellten Leistungsfähigkeit des S. Es ist Aufgabe des unterhaltspflichtigen S und liegt auch in seinem eigenen Interesse, diese Veränderungen seiner Einkommenssituation dem Sozialhilfeträger möglichst frühzeitig mitzuteilen und auf Anforderung zu belegen. Wurde die bisherige Unterhaltsverpflichtung des S durch eine Vereinbarung oder einseitig durch den Sozialhilfeträger aufgrund eines Bescheids festgelegt, hat S zusätzlich die Möglichkeit, mit dem Eintritt der Einkommensverschlechterung seine Unterhaltszahlungen für seine Mutter einzustellen oder zu vermindern.

 

Sofern der Elternunterhalt dagegen durch einen Beschluss oder einen gerichtlichen Vergleich festgelegt wurde, ist ein solches einseitiges Vorgehen ‒ wegen der bestehenden Pfändungsmöglichkeiten des Sozialhilfeträgers ‒ nicht ratsam. In einem solchen Fall müsste S grundsätzlich einen Abänderungsantrag beim AG einreichen. Einfacher und billiger ist es allerdings, mit dem Sozialhilfeträger eine privatschriftliche Absenkungsvereinbarung oder eine vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung abzuschließen, wozu dieser im Regelfall auch bereit ist.

 

Frage: Der Bescheid des Sozialhilfeträgers vom 23.07.2018 über die zukünftige Verpflichtung des S zur Zahlung von Elternunterhalt ab 01.09.2018 enthält den Zusatz, dass nach Entstehung der Unterhaltspflicht neue Kreditverbindlichkeiten des S „nicht mehr ohne vorherige Zustimmung des Sozialhilfeträgers einkommensmindernd anerkannt“ werden. Wie muss S sich verhalten?

 

Antwort: S muss weder auf „Sparflamme“ leben und jede Neuverschuldung vermeiden noch die vorherige Zustimmung des Sozialhilfeträgers hierfür einholen. Selbstverständlich können auch nach Entstehen der Unterhaltspflicht Kredite berücksichtigt werden, wenn ihre Aufnahme auch unterhaltsrechtlich zu akzeptieren ist. Das ist unter den hier gegebenen Umständen ohne Weiteres ‒ im Rahmen des wirtschaftlich Angemessenen ‒ zu bejahen. Aber auch ein defektes Auto o. Ä. darf (und muss) von S ggf. unter Kreditaufnahme repariert oder ersetzt werden, wenn kein entsprechendes Vermögen vorhanden ist.

 

 

Weiterführende Hinweise

  • Elternunterhalt: Regelmäßiger Rechtsmittelausschluss bei Verurteilungen zur Auskunftserteilung, SR 16, 120
  • Elternunterhalt: Schwiegersohn muss Einkommen und Vermögen offenlegen, SR 16, 75
  • Sozialhilferegress: Verwirkung als wichtige Verteidigungsstrategie gegenüber Elternunterhaltsansprüchen, SR 15, 187
  • Unterhaltsberechnung: Geschwisterhaftung bei Elternunterhalt, SR 15, 8
Quelle: Ausgabe 10 / 2018 | Seite 172 | ID 45463759