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· Fachbeitrag · Elternunterhalt in der Praxis (Teil 1)

Auskunftspflichten rund um den Elternunterhalt

von RAin Dagny Liceni-Kierstein, RiOLG a.D., Berlin

| Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind nie statisch. Nach einer durch den Sozialhilfeträger getroffenen Feststellung zur Leistungsfähigkeit oder auch zur Leistungsunfähigkeit können sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des unterhaltspflichtigen Kindes verändern. Die Betroffenen sind oft unsicher, welche Pflichten bestehen und wie sie sich in solchen Fällen verhalten sollen. Dazu Fallkonstellationen aus der Praxis in Frage- und Antwortform. |

 

  • Beispiel 1: Reguläre Auskunftspflichten ‒ die Zweijahresfrist

S soll auf Elternunterhalt für seine in einem Pflegeheim untergebrachte hilfsbedürftige Mutter in Anspruch genommen werden. Aufgrund eines bereinigten Nettoeinkommens von 2.000 EUR und abzugsfähigen monatlichen Kreditraten von 200 EUR für einen vor längerer Zeit aufgenommenen Konsumkredit, der noch 12 Monate läuft und unterhaltsrechtlich anerkannt wurde, stellt der Sozialhilfeträger nach einer Auskunftserteilung des S am 2.7.18 mit schriftlichem Bescheid vom 23.7.18 fest, dass S gegenwärtig nicht leistungsfähig ist.

 

Frage: Muss S in einem Jahr mit einem neuen Auskunftsverlangen des Sozialhilfeträgers rechnen?

 

Antwort: Nach § 1605 Abs. 2 BGB kann der Sozialhilfeträger eine erneute Auskunft erst nach Ablauf von 2 Jahren verlangen. Dieser sog. Sperrfrist liegt die Annahme zugrunde, dass sich innerhalb dieser Frist in der Regel die Lebenshaltungskosten einerseits und die Lohn- und Gehaltsentwicklung andererseits nicht so wesentlich ändern, wie es in §§ 238, 239 FamFG für einen Abänderungsantrag vorausgesetzt wird.

 

Frage: Wie wird die Zweijahresfrist berechnet?

 

Antwort: Der Beginn dieser Frist ist umstritten. Der BGH hat diese Frage noch nicht entschieden. 1. Variante: Im Anschluss an die erteilte Auskunft ist ein gerichtlicher Beschluss über den Unterhalt ergangen oder ein gerichtlich protokollierte Unterhaltsvergleich abgeschlossen worden. Hier ist auf den Tag der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen oder auf den entsprechenden Zeitpunkt im schriftlichen Verfahren. 2. Variante: Es ist ‒ wie hier ‒ bei der isolierten Auskunft geblieben, ohne dass danach eine gerichtliche Entscheidung zum Unterhalt erlassen oder ein Unterhaltsvergleich geschlossen wurde. In diesem Fall ist auf die Auskunft selbst und den Zeitpunkt ihrer Erteilung abzustellen.

 

Sofern der Sozialhilfeträger den S am 2.7.19 erneut zu einer Auskunftserteilung auffordern würde, so ist das weniger als 2 Jahre her seit der von ihm erteilten letzten Auskunft. S kann dann das Auskunftsverlangen zu diesem Zeitpunkt zurückweisen.

 
  • Beispiel 2: Vorzeitige Auskunftspflichten

Frage: Gibt es Ausnahmen von der 2-jährigen Sperrfrist?

 

Antwort: Vor Ablauf von 2 Jahren nach einer erteilten Auskunft kann der Sozialhilfeträger gemäß § 1605 Abs. 2 BGB nur dann Auskunft verlangen, wenn von ihm glaubhaft gemacht wird, dass S nachträglich wesentlich höhere Einkünfte erzielt oder dass er weiteres Vermögen erworben hat.

Frage: Ist der Wegfall der Kreditrate des S aufgrund seiner bevorstehenden Kredittilgung mit einem Vermögenserwerb gleichzusetzen, der ggf. eine vorzeitige neue Auskunftspflicht des S auslöst?

 

Antwort: Der Wegfall einer laufenden Kreditverbindlichkeit, der sich bereits aus einer kürzlich erteilten Auskunft ergibt, rechtfertigt kein erneutes Unterhaltsverlangen des Sozialhilfeträgers vor Ablauf der 2-jährigen Sperrfrist. Aufgrund der Auskunftserteilung des S vom 02.07.2018 war hier die in 12 Monaten bevorstehende reguläre Kredittilgung vorhersehbar. Der Sozialhilfeträger hätte sie daher schon einkalkulieren können und auch müssen; er hätte in seinem schriftlichen Bescheid vom 23.07.2018 eine Unterhaltspflicht des S ab dem Monat nach dem zukünftigen Wegfall seiner monatlichen Kreditzahlungen festsetzen können (aufschiebende Bedingung entsprechend § 158 Abs. 1 BGB).

 

 

  • Beispiel 3: Informationspflichten

Frage: Ist die etwaige Nichtbedienung seines Kredits oder umgekehrt eine vorzeitige Kredittilgung, die bei S tatsächlich zu einer erhöhten Liquidität führen würde, anzeigepflichtig?

 

Antwort: Neben den Auskunftspflichten spielen Informationspflichten im Unterhaltsrecht eine besondere Rolle. Eine Pflicht zur ungefragten Information ist gesetzlich nicht normiert. Die zur Offenbarungspflicht eines Unterhaltsberechtigten entwickelten Rechtsprechung setzt besondere Umstände voraus, die das Unterbleiben von Informationen des Unterhaltsberechtigten zur teilweisen eigenen Bedarfsdeckung oder sogar zum Wegfall des Unterhaltsanspruchs als evident unredlich erscheinen lassen (dazu reicht allerdings noch nicht aus, dass die Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse einen Abänderungsantrag gemäß §§ 238, 239 FamFG rechtfertigen könnte). Diese Rechtsprechung lässt sich nicht ohne weiteres auf den Unterhaltspflichtigen übertragen. Für ihn besteht keine allgemeine Pflicht zur Selbstoffenbarung. Das unterhaltspflichtige Kind ist deshalb nicht gehalten, den Sozialhilfeträger oder den unterhaltsberechtigten Elternteil von sich aus über eine Verbesserung seiner Leistungsfähigkeit zu informieren.

 

Unter den hier gegebenen Umständen wäre S deshalb nicht verpflichtet, dem Sozialhilfeträger die Nichtbedienung seines Kredits oder umgekehrt eine (z. B. durch sparsame Lebensführung) vorzeitige Kredittilgung mitzuteilen. Etwas anderes wäre nur denkbar, wenn das Schweigen über eine günstige Entwicklung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse als „evident unredlich“ erscheint (z. B. bei einem unerwarteten und hohen Vermögenserwerb aufgrund einer Erbschaft oder eines Lottogewinns). S ist unterhaltsrechtlich so zu behandeln, als hätte er seine bestehende restliche Kreditverpflichtung weiterhin durch 12 monatliche Ratenzahlungen getilgt. Weder kann S wegen der Unterbrechung seiner Tilgungsleistungen seine Kreditschulden auch über den 30.6.19 hinaus in Abzug bringen noch kann der Sozialhilfeträger wegen der vorzeitigen Zurückführung des Kredits vor dem regulären Kreditende die Zahlung von Elternunterhalt verlangen.

 

Frage: Der Bescheid des Sozialhilfeträgers vom 23.7.18 enthält den Zusatz, dass S „verpflichtet“ ist, eine Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse sofort mitzuteilen. Würde das zu einer Änderung der vorstehenden rechtlichen Beurteilung seiner Informationspflichten führen?

 

Antwort: Solche Hinweise in (Formular-) Schreiben der Sozialhilfeträger sind zwar häufig zu finden. Sie sind aber nicht geeignet, einseitig eine nicht bestehende Verpflichtung zur Erteilung von ungefragten Informationen zu begründen. Erst dann, wenn der Sozialhilfeträger unter Einhaltung der Sperrfrist des § 1605 Abs. 2 BGB erneut regulär Auskunft über die Einkommensverhältnisse des S (Anfang Juli 2020) begehren kann, sind wirtschaftliche Veränderungen von S anzugeben.

 

Weiterführender Hinweis

  • Die Reihe mit kurzen Praxisfragen zum Elternunterhalt wird fortgesetzt
Quelle: Ausgabe 09 / 2018 | Seite 159 | ID 45461990