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01.12.2005 | Zwangsvollstreckung

So vollstrecken Sie den Weiterbeschäftigungsanspruch korrekt

von Rechtsanwaltsfachangestellter Christian Noe, Gelsenkirchen

Wie Sie einen Weiterbeschäftigungsantrag erfolgreich formulieren, diesen mit einer effektiven Taktik gerichtlich durchsetzen und dabei natürlich auch Ihre entstehende Vergütung sichern, hat „Arbeitsrecht aktiv“ bereits dargestellt (Noe, AA 05, 149). Mit Hilfe dieses Beitrags erhalten Sie den vollständigen Überblick über die Kenntnisse, die Sie im Rahmen einer erfolgreichen Zwangsvollstreckung benötigen, wenn die Gegenseite die Weiterbeschäftigung Ihrer Mandantschaft verweigert.  

 

Beachten Sie die Zuständigkeiten

Die Zwangsvollstreckung eines Weiterbeschäftigungsanspruchs gehört zu den unvertretbaren Handlungen, da die Weiterbeschäftigung Ihres Mandanten nicht ersatzweise durch einen Dritten, sondern nur durch den ArbG selbst sichergestellt werden kann. Die Vollstreckung von unvertretbaren Handlungen geschieht nach den Richtlinien des § 888 ZPO. Einen entsprechenden Antrag (siehe folgende Musterformulierung) müssen Sie daher an das Prozessgericht der ersten Instanz richten (also in Ihrem Fall an das Arbeitsgericht, vor dem Sie das Urteil mit dem titulierten Weiterbeschäftigungsanspruch erstritten haben).  

 

Musterformulierung: Antrag auf Zwangsgeld / Zwangshaft gem. § 888 ZPO

In dem Rechtsstreit  

 

... ./. ...  

 

stellen wir als Prozessbevollmächtigte der Klägerin – und nunmehr Gläubigerin – im Zwangsvollstreckungsverfahren hiermit  

 

Antrag gemäß § 888 ZPO 

 

und beantragen,  

 

1. der Schuldnerin (Beklagten) ein Zwangsgeld in Höhe von 15.000 EUR, und für den Fall der Nichtbeitreibung desselben Zwangshaft aufzuerlegen mit der Aufforderung, der ihr durch Teil-Urteil des Arbeitsgerichts ... (Ort) vom ... (Datum) auferlegten Verpflichtung zu der Weiterbeschäftigung der Gläubigerin (Klägerin) zu den arbeitsvertraglich vereinbarten Bedingungen als ... (Titulierung einfügen) nachzukommen.

 

2. der Schuldnerin (Beklagten) die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

 

Begründung:  

Mit der beigefügten vollstreckbaren Ausfertigung des Teil-Urteils vom ... (Datum) hat das Arbeitsgericht ... (Ort) die Schuldnerin verurteilt, die Gläubigerin zu den bisherigen Bedingungen des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrags als ... (Titulierung einfügen) weiterzubeschäftigen. In dem Teil-Urteil wurde die Tätigkeitsbeschreibung der Gläubigerin präzise geschildert; diese entsprach den verkehrsüblichen und typischen Beschäftigungsinhalten des Berufsbilds der Gläubigerin.  

 

Die Schuldnerin ist dieser Verpflichtung trotz zweifacher schriftlicher Aufforderung durch die Prozeßbevollmächtigten der Gläubigerin nicht nachgekommen. Die Schuldnerin wurde mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom ... (Datum), das ihr per Einschreiben mit Rückschein zugestellt wurde, sowie erneut per Telefax vom ... (Datum) mit Fristsetzung zum ... (Datum) aufgefordert, die Gläubigerin in ihrem Betrieb weiterzubeschäftigen.  

 

Beweis:  

Schreiben vom ... (Datum), Kopie anbei;  

Unterzeichneter Rückschein Deutsche Post AG, im Original anbei;  

Telefax vom ... (Datum) einschließlich Sendebestätigung, Kopien anbei.  

 

Trotz dieser vorgenannten Aufforderungen ist die Schuldnerin ihrer Verpflichtung aus dem arbeitsgerichtlichen Teil-Urteil nicht nachgekommen. Sie hat die Gläubigerin bis zum heutigen Tage weder weiterbeschäftigt noch sich sonst in irgendeiner Form den Prozeßbevollmächtigten der Gläubigerin gegenüber geäußert.  

 

Insoweit sind Zwangsmaßnahmen gem. § 888 ZPO geboten. Die hieraus resultierende Kostenlast ist vollumfänglich der Schuldnerin aufzuerlegen.  

 

Mit diesem Antrag sind nachstehende Kosten nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) entstanden, die im Wege der Zwangsvollstreckung ebenfalls einzuziehen sind. Sie berechnen sich nach einem Streitwert von ... EUR:  

 

Wert: ... EUR  

 

0,3 Zwangsvollstreckungs-Verfahrensgebühr Nr. 3309 VV RVG  

... EUR  

Auslagenpauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen  

Nr. 7002 VV RVG  

... EUR  

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG, 16 %  

... EUR  

Summe  

... EUR  

 

 

Die Gläubigerin ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.  

 

gez. Rechtsanwältin  

 

Stellen Sie die Wirksamkeit der Zwangsvollstreckung sicher

Häufig kann eine erfolgreiche Zwangsvollstreckung im Sinne des § 888 ZPO daran scheitern, dass bereits dem der Vollstreckung zu Grunde liegenden Titel eine hinreichende Bestimmtheit fehlt. So kann die gegnerische Partei einen Antrag nach § 888 ZPO mit der sofortigen Beschwerde erfolgreich angreifen, wenn sich herauskristallisiert, dass im Urteil nicht explizit der Beschäftigungsinhalt dargestellt bzw. dieser aus sich heraus nicht eindeutig erkennbar ist.  

 

Praxishinweis: Formulieren Sie in Ihrer Antragsschrift den Passus „.. zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen weiterzubeschäftigen“, muss im Tenor oder den Urteilsgründen des Titels – soll Ihre nachfolgende Zwangsvollstreckung erfolgreich sein – die Art der zu leistenden Beschäftigung Ihres Mandanten nach Verkehrsüblichkeit und Herkommen typischerweise erkennbar sein (= hinreichende Bestimmtheit des Titels).  

 

Die Gegenseite kann sich erfolgreich mit der Begründung der mangelnden Bestimmtheit des Titels mit der sofortigen Beschwerde gegen einen Antrag gem. § 888 ZPO wenden (LAG Rheinland-Pfalz NZA-RR 05, 550).  

 

Beispiel

Sie haben für Ihre Mandantin vor dem Arbeitsgericht einen Weiterbeschäftigungsantrag gestellt, nachdem der Gütetermin gescheitert ist (Noe, AA 05, 150). Ihre Mandantin hatte eine „Leitungsfunktion“ in einer Firmenabteilung für Softwareversand inne. Es empfiehlt sich, in der Klageschrift/im Weiterbeschäftigungsantrag kurz zu skizzieren, wie sich diese „Leitungsfunktion“ im Einzelnen darstellte (Aufgaben, Weisungsbefugnisse und Nachweise, dass die Weisungsrechte von Ihrer Mandantin auch ausgeführt wurden). Die Notwendigkeit, den Beschäftigungsinhalt der Mandantschaft darzustellen, ist umso größer, je uneinheitlicher bzw. unklarer sich ein Berufsbild darstellt.  

 

Kommt es zu Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Beschäftigungsinhalte, können Sie sich ggf. die entsprechende schriftliche Darstellung des Berufsbilds einholen und einen Abgleich mit den Tätigkeiten Ihrer Mandantschaft durchführen (berufenet.arbeitsamt.de oder www.dihk.de. Auskünfte erteilen auch z.B. die zuständigen Gewerkschaften, die örtlichen Industrie- und Handelskammern oder Berufsfachverbände). Im Gegenzug kann der zur Weiterbeschäftigung verpflichtete Schuldner prüfen, ob eine sofortige Beschwerde Erfolg hat, indem er den Vollstreckungstitel unter dem Kriterium der hinreichenden Bestimmtheit studiert.  

 

Holen Sie die weitere Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung ein

Der Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geht die Einholung einer gesonderten Deckungszusage voran. Hier ist Vorsicht geboten: Auch bei Hinweis auf die Eilbedürftigkeit kann es bis zur Deckungszusage oft ein oder zwei Wochen dauern – soviel Zeit haben Sie oft nicht. Zeitdruck können Sie sich ersparen, wenn Sie Ihre Deckungsanfrage für den Weiterbeschäftigungsantrag auch auf die zwangsweise Durchsetzung der Weiterbeschäftigungsansprüche erstrecken. Ergänzen Sie einfach die Musterformulierung (Noe, AA 05, 150) vor der Grußformel um folgenden Absatz:  

 

Ergänzende Musterformulierung

Da mit der Verweigerung der Weiterbeschäftigung zu rechnen ist, wird gebeten, die Deckungszusage für den Weiterbeschäftigungsantrag auch auf die Zwangsvollstreckung der Weiterbeschäftigungsansprüche Ihres VN zu erstrecken. Der Unterzeichner wird die Gegenseite vor einer Vollstreckung erneut schriftsätzlich zur Weiterbeschäftigung auffordern und die Vollstreckung nur einleiten, wenn die gegnerische Partei nicht für die Weiterbeschäftigung sorgt. Aus anwaltlicher Vorsorge bitten wir daher bereits an dieser Stelle, Ihre Deckungszusage sowohl auf den Weiterbeschäftigungsanspruch als auch auf die sich ggf. anschließende Zwangsvollstreckung zu erstrecken.  

gez. Rechtsanwalt  

 

Sichern Sie Ihre ordnungsgemäße Vergütung

Bereits die Ankündigung der Zwangsvollstreckung bewirkt das Anfallen einer 0,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3309 VV RVG. Fordern Sie also den Schuldner bei Androhung eines Antrags nach § 888 ZPO schriftlich zur Weiterbeschäftigung auf, steht Ihnen die 0,3-Verfahrensgebühr zu. Schließt sich später Ihr Antrag nach § 888 ZPO an, wird die Gebühr angerechnet.  

 

Wählen Sie die richtigen Streitwerte in der Zwangsvollstreckung

Der Streitwert bemisst sich bei einem Weiterbeschäftigungsantrag auf zwei Bruttogehälter (LAG Köln MDR 02, 1441; ArbG Düsseldorf 9.1.04, 12 Ca 8425/03, Abruf-Nr. 053188; ArbG Paderborn 22.12.04, 2 Ca 1406/04, Abruf-Nr. 053189), während bei einem Arbeitszeugnis das einmalige Bruttogehalt des Gläubigers anzusetzen ist. Orientieren Sie sich in dem ausgefertigten Zwangsgeldbeschluss immer an der Formulierung „Als Streitwert wird ein Betrag in Höhe von ... EUR festgesetzt.“  

 

Checkliste: Zwangsvollstreckung bei Weiterbeschäftigungsanspruch

Folgende Punkte müssen Sie bei Ihrer Vollstreckungspraxis berücksichtigen:  

 

  • Stellen Sie eine hinreichende Bestimmtheit schon im Urteilsverfahren sicher: Der Tatbestand und die Entscheidungsgründe des Urteils müssen den exakten Beschäftigungsinhalt Ihres Mandanten wiedergeben (= Dokumentation des Beschäftigungsgegenstands).

 

  • Ziehen Sie schon im Urteilsverfahren Dokumente, Urkunden und Zeugenaussagen heran, die die Bestimmtheit des Vollstreckungstitels unterstützen (Arbeitsvertrag, nachträgliche Änderungen zum Arbeitsvertrag, Zwischenzeugnisse, Zeugenvernehmung von Arbeitskollegen etc.).

 

  • Die Zwangsgelder stehen der Staatskasse, nicht dem Mandanten zu. Zahlt der Gerichtsvollzieher das beigetriebene Zwangsgeld auf Ihr Kanzleikonto, müssen Sie dieses weiterleiten.

 

  • Bei Ihrem Antrag nach § 888 ZPO müssen Sie darauf achten, dass die Verhängung von Zwangsgeld nur bis zu einem Betrag in Höhe von maximal 25.000 EUR möglich ist.

 

  • Es kann vorkommen, dass die Gegenseite das Zwangsgeld zahlt und Ihren Mandanten dennoch nicht weiterbeschäftigt. Sofern Sie daraufhin erneut einen Antrag nach § 888 ZPO fertigen, verdienen Sie für diesen Antrag erneut eine 0,3 ZV-Verfahrensgebühr zzgl. Auslagen und MWSt. (jeder Antrag nach § 888 ZPO ist eine besondere Angelegenheit).

 

  • Auch wenn § 888 Abs. 2 ZPO eine Androhung von Zwangsgeld oder Zwangshaft durch das Gericht nicht mehr vorsieht, sollten Sie den Schuldner trotzdem mindestens einmal unter Fristsetzung zur Weiterbeschäftigung auffordern, so dass Sie danach ohne Risiko Ihren Antrag nach § 888 ZPO ausbringen können.

 

  • Verschenken Sie keine Gebühren! Wenn Sie für zwei Auftraggeber (z.B. ein Ehepaar) die Weiterbeschäftigung tituliert haben, erhalten Sie im Vollstreckungsverfahren auch eine 0,6 ZV-Verfahrensgebühr (zzgl. zweier Auslagenpauschalen und MWSt.).

 

  • Bei mehreren Vollstreckungsmaßnahmen nach § 888 ZPO ist es ratsam, Ihre Vergütung festsetzen lassen: Dies lässt sich mit einem Kostenfestsetzungsantrag sicherstellen, den Sie an das Prozessgericht der ersten Instanz richten müssen. Fügen Sie Ihrem Antrag Kopien der Vollstreckungsanträge und Gerichtsvollzieherliquidationen bei und vergessen Sie den Antrag auf Verzinsung nicht (5 Prozent-Punkte über Basiszinssatz).

 

  • Sofern Rechtsschutz vorliegt: Holen Sie vor Einleitung der Zwangsvollstreckung eine gesonderte Deckungszusage für die Vollstreckung des Weiterbeschäftigungsantrags ein.
 

Quelle: Seite 205 | ID 85513