01.12.2005 | Zwangsvollstreckung
So vollstrecken Sie den Weiterbeschäftigungsanspruch korrekt
Wie Sie einen Weiterbeschäftigungsantrag erfolgreich formulieren, diesen mit einer effektiven Taktik gerichtlich durchsetzen und dabei natürlich auch Ihre entstehende Vergütung sichern, hat „Arbeitsrecht aktiv“ bereits dargestellt (Noe, AA 05, 149). Mit Hilfe dieses Beitrags erhalten Sie den vollständigen Überblick über die Kenntnisse, die Sie im Rahmen einer erfolgreichen Zwangsvollstreckung benötigen, wenn die Gegenseite die Weiterbeschäftigung Ihrer Mandantschaft verweigert.
Beachten Sie die Zuständigkeiten
Die Zwangsvollstreckung eines Weiterbeschäftigungsanspruchs gehört zu den unvertretbaren Handlungen, da die Weiterbeschäftigung Ihres Mandanten nicht ersatzweise durch einen Dritten, sondern nur durch den ArbG selbst sichergestellt werden kann. Die Vollstreckung von unvertretbaren Handlungen geschieht nach den Richtlinien des § 888 ZPO. Einen entsprechenden Antrag (siehe folgende Musterformulierung) müssen Sie daher an das Prozessgericht der ersten Instanz richten (also in Ihrem Fall an das Arbeitsgericht, vor dem Sie das Urteil mit dem titulierten Weiterbeschäftigungsanspruch erstritten haben).
Musterformulierung: Antrag auf Zwangsgeld / Zwangshaft gem. § 888 ZPO | ||||||||
In dem Rechtsstreit
... ./. ...
stellen wir als Prozessbevollmächtigte der Klägerin – und nunmehr Gläubigerin – im Zwangsvollstreckungsverfahren hiermit
Antrag gemäß § 888 ZPO
und beantragen,
1. der Schuldnerin (Beklagten) ein Zwangsgeld in Höhe von 15.000 EUR, und für den Fall der Nichtbeitreibung desselben Zwangshaft aufzuerlegen mit der Aufforderung, der ihr durch Teil-Urteil des Arbeitsgerichts ... (Ort) vom ... (Datum) auferlegten Verpflichtung zu der Weiterbeschäftigung der Gläubigerin (Klägerin) zu den arbeitsvertraglich vereinbarten Bedingungen als ... (Titulierung einfügen) nachzukommen.
2. der Schuldnerin (Beklagten) die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Begründung: Mit der beigefügten vollstreckbaren Ausfertigung des Teil-Urteils vom ... (Datum) hat das Arbeitsgericht ... (Ort) die Schuldnerin verurteilt, die Gläubigerin zu den bisherigen Bedingungen des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrags als ... (Titulierung einfügen) weiterzubeschäftigen. In dem Teil-Urteil wurde die Tätigkeitsbeschreibung der Gläubigerin präzise geschildert; diese entsprach den verkehrsüblichen und typischen Beschäftigungsinhalten des Berufsbilds der Gläubigerin.
Die Schuldnerin ist dieser Verpflichtung trotz zweifacher schriftlicher Aufforderung durch die Prozeßbevollmächtigten der Gläubigerin nicht nachgekommen. Die Schuldnerin wurde mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom ... (Datum), das ihr per Einschreiben mit Rückschein zugestellt wurde, sowie erneut per Telefax vom ... (Datum) mit Fristsetzung zum ... (Datum) aufgefordert, die Gläubigerin in ihrem Betrieb weiterzubeschäftigen.
Beweis: Schreiben vom ... (Datum), Kopie anbei; Unterzeichneter Rückschein Deutsche Post AG, im Original anbei; Telefax vom ... (Datum) einschließlich Sendebestätigung, Kopien anbei.
Trotz dieser vorgenannten Aufforderungen ist die Schuldnerin ihrer Verpflichtung aus dem arbeitsgerichtlichen Teil-Urteil nicht nachgekommen. Sie hat die Gläubigerin bis zum heutigen Tage weder weiterbeschäftigt noch sich sonst in irgendeiner Form den Prozeßbevollmächtigten der Gläubigerin gegenüber geäußert.
Insoweit sind Zwangsmaßnahmen gem. § 888 ZPO geboten. Die hieraus resultierende Kostenlast ist vollumfänglich der Schuldnerin aufzuerlegen.
Mit diesem Antrag sind nachstehende Kosten nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) entstanden, die im Wege der Zwangsvollstreckung ebenfalls einzuziehen sind. Sie berechnen sich nach einem Streitwert von ... EUR:
Wert: ... EUR
Die Gläubigerin ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
gez. Rechtsanwältin |
Stellen Sie die Wirksamkeit der Zwangsvollstreckung sicher
Häufig kann eine erfolgreiche Zwangsvollstreckung im Sinne des § 888 ZPO daran scheitern, dass bereits dem der Vollstreckung zu Grunde liegenden Titel eine hinreichende Bestimmtheit fehlt. So kann die gegnerische Partei einen Antrag nach § 888 ZPO mit der sofortigen Beschwerde erfolgreich angreifen, wenn sich herauskristallisiert, dass im Urteil nicht explizit der Beschäftigungsinhalt dargestellt bzw. dieser aus sich heraus nicht eindeutig erkennbar ist.
Praxishinweis: Formulieren Sie in Ihrer Antragsschrift den Passus „.. zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen weiterzubeschäftigen“, muss im Tenor oder den Urteilsgründen des Titels – soll Ihre nachfolgende Zwangsvollstreckung erfolgreich sein – die Art der zu leistenden Beschäftigung Ihres Mandanten nach Verkehrsüblichkeit und Herkommen typischerweise erkennbar sein (= hinreichende Bestimmtheit des Titels).
Die Gegenseite kann sich erfolgreich mit der Begründung der mangelnden Bestimmtheit des Titels mit der sofortigen Beschwerde gegen einen Antrag gem. § 888 ZPO wenden (LAG Rheinland-Pfalz NZA-RR 05, 550).
Beispiel |
Sie haben für Ihre Mandantin vor dem Arbeitsgericht einen Weiterbeschäftigungsantrag gestellt, nachdem der Gütetermin gescheitert ist (Noe, AA 05, 150). Ihre Mandantin hatte eine „Leitungsfunktion“ in einer Firmenabteilung für Softwareversand inne. Es empfiehlt sich, in der Klageschrift/im Weiterbeschäftigungsantrag kurz zu skizzieren, wie sich diese „Leitungsfunktion“ im Einzelnen darstellte (Aufgaben, Weisungsbefugnisse und Nachweise, dass die Weisungsrechte von Ihrer Mandantin auch ausgeführt wurden). Die Notwendigkeit, den Beschäftigungsinhalt der Mandantschaft darzustellen, ist umso größer, je uneinheitlicher bzw. unklarer sich ein Berufsbild darstellt. |
Kommt es zu Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Beschäftigungsinhalte, können Sie sich ggf. die entsprechende schriftliche Darstellung des Berufsbilds einholen und einen Abgleich mit den Tätigkeiten Ihrer Mandantschaft durchführen (berufenet.arbeitsamt.de oder www.dihk.de. Auskünfte erteilen auch z.B. die zuständigen Gewerkschaften, die örtlichen Industrie- und Handelskammern oder Berufsfachverbände). Im Gegenzug kann der zur Weiterbeschäftigung verpflichtete Schuldner prüfen, ob eine sofortige Beschwerde Erfolg hat, indem er den Vollstreckungstitel unter dem Kriterium der hinreichenden Bestimmtheit studiert.
Holen Sie die weitere Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung ein
Der Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geht die Einholung einer gesonderten Deckungszusage voran. Hier ist Vorsicht geboten: Auch bei Hinweis auf die Eilbedürftigkeit kann es bis zur Deckungszusage oft ein oder zwei Wochen dauern – soviel Zeit haben Sie oft nicht. Zeitdruck können Sie sich ersparen, wenn Sie Ihre Deckungsanfrage für den Weiterbeschäftigungsantrag auch auf die zwangsweise Durchsetzung der Weiterbeschäftigungsansprüche erstrecken. Ergänzen Sie einfach die Musterformulierung (Noe, AA 05, 150) vor der Grußformel um folgenden Absatz:
Ergänzende Musterformulierung |
Da mit der Verweigerung der Weiterbeschäftigung zu rechnen ist, wird gebeten, die Deckungszusage für den Weiterbeschäftigungsantrag auch auf die Zwangsvollstreckung der Weiterbeschäftigungsansprüche Ihres VN zu erstrecken. Der Unterzeichner wird die Gegenseite vor einer Vollstreckung erneut schriftsätzlich zur Weiterbeschäftigung auffordern und die Vollstreckung nur einleiten, wenn die gegnerische Partei nicht für die Weiterbeschäftigung sorgt. Aus anwaltlicher Vorsorge bitten wir daher bereits an dieser Stelle, Ihre Deckungszusage sowohl auf den Weiterbeschäftigungsanspruch als auch auf die sich ggf. anschließende Zwangsvollstreckung zu erstrecken. gez. Rechtsanwalt |
Sichern Sie Ihre ordnungsgemäße Vergütung
Bereits die Ankündigung der Zwangsvollstreckung bewirkt das Anfallen einer 0,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3309 VV RVG. Fordern Sie also den Schuldner bei Androhung eines Antrags nach § 888 ZPO schriftlich zur Weiterbeschäftigung auf, steht Ihnen die 0,3-Verfahrensgebühr zu. Schließt sich später Ihr Antrag nach § 888 ZPO an, wird die Gebühr angerechnet.
Wählen Sie die richtigen Streitwerte in der Zwangsvollstreckung
Der Streitwert bemisst sich bei einem Weiterbeschäftigungsantrag auf zwei Bruttogehälter (LAG Köln MDR 02, 1441; ArbG Düsseldorf 9.1.04, 12 Ca 8425/03, Abruf-Nr. 053188; ArbG Paderborn 22.12.04, 2 Ca 1406/04, Abruf-Nr. 053189), während bei einem Arbeitszeugnis das einmalige Bruttogehalt des Gläubigers anzusetzen ist. Orientieren Sie sich in dem ausgefertigten Zwangsgeldbeschluss immer an der Formulierung „Als Streitwert wird ein Betrag in Höhe von ... EUR festgesetzt.“
Checkliste: Zwangsvollstreckung bei Weiterbeschäftigungsanspruch |
Folgende Punkte müssen Sie bei Ihrer Vollstreckungspraxis berücksichtigen:
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