· Fachbeitrag · Verhaltensbedingte Kündigung
Betriebsratsanhörung muss sich auf bisherigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses erstrecken
Ist eine Kündigung wegen Diebstahls oder des Verdachts des Diebstahls beabsichtigt, muss der ArbG den in seinem Betrieb gebildeten Betriebsrat auch über den Verlauf des Arbeitsverhältnisses und die von ihm vorgenommene Interessenabwägung unterrichten (LAG Schleswig-Holstein 10.1.12, 2 Sa 305/11, Abruf-Nr. 120832). |
Sachverhalt
Die ArbN - eine Mitarbeiterin eines Schwimmbads - wurde beschuldigt, im Februar 2011 Fundsachen der Badegäste gestohlen zu haben. Daher sprach der ArbG Ende Februar 2011 eine fristlose Kündigung und Anfang März eine ordentliche Kündigung aus. Nachdem die ArbN im März zu den Vorwürfen angehört worden war, folgten Ende März zwei weitere Kündigungen - eine fristlose Verdachtskündigung sowie eine ordentliche Verdachtskündigung.
Vor jeder Kündigung wurde der Betriebsrat angehört, doch informierte der ArbG den Betriebsrat nicht über den bisherigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses. Die ArbN stellte dieses als „störungsfrei“ dar, während der ArbG der Ansicht war, das Arbeitsverhältnis sei durch einige Abmahnungen belastet gewesen. Zudem standen die Vorwürfe des Diebstahls im Streit.
Das Arbeitsgericht Neumünster gab der Kündigungsschutzklage statt. Die Berufung des ArbG blieb erfolglos.
Entscheidungsgründe
Das LAG nahm an, dass die Anhörung des Betriebsrats nicht korrekt verlaufen sei. Wenn ein ArbG plane, ein Arbeitsverhältnis wegen Diebstahls oder eines Diebstahlverdachts zu kündigen, habe er den Betriebsrat auch über den bisherigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses und über die arbeitgeberseitig vorgenommene Interessenabwägung zu unterrichten. Das LAG nimmt dabei auf die Emmely-Entscheidung des BAG (10.6.10, 2 AZR 541/09, Abruf-Nr. 101854) Bezug. Hier hatte das BAG klargestellt, dass Eigentumsdelikte den ArbG ausnahmsweise nicht zu einer fristlosen Kündigung berechtigen, wenn das Arbeitsverhältnis von langer Dauer war und das Eigentumsdelikt den Charakter eines einmaligen Ausrutschers hatte. Daher müsse der Betriebsrat bei Anhörung über diese wichtigen Punkte informiert werden.
Praxishinweis
Plant ein ArbG eine Kündigung wegen Diebstahls oder -verdachts, muss er den Betriebsrat auch über den bisherigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses und die Kriterien seiner Interessenabwägung unterrichten. Eine Betriebsratsanhörung bei einer verhaltensbedingten Kündigung ist nur wirksam, wenn alle rechtlich relevanten Umstände zusammengestellt, bewertet und dem Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung zur Verfügung gestellt werden. Aus Gründen der Beweisbarkeit sollte diese Zusammenstellung schriftlich erfolgen und dem Betriebsrat auch in Schriftform überreicht werden.