· Fachbeitrag · Unternehmertestament
Harmonisierung von Gesellschaftsvertrag und letztwilliger Verfügung
von RA Reiner Hollender, FA StR, Lehrbeauftragter der Hochschule Niederrhein, Mönchengladbach
| Die Regelungen in Gesellschaftsverträgen einerseits und letztwilligen Verfügungen andererseits müssen fein abgestimmt werden. Entsprechende Diskrepanzen können zu vermeidbaren Steuerlasten führen. |
1. Praxisfall
Der Erblasser E ist zu 60 % an einer GmbH beteiligt, welche persönlich haftende Gesellschafterin einer GmbH & Co. KG ist. Die Kommanditbeteiligung des E beträgt ebenfalls 60 %. Die Beteiligungen befinden sich in seinem Privatvermögen. Eine im Alleineigentum des E stehende Immobilie ist der GmbH & Co. KG entgeltlich zur Nutzung überlassen.
Der Gesellschaftsvertrag der GmbH sieht vor, dass beim Tod eines Gesellschafters nur dessen Abkömmlinge sowie Mitgesellschafter den Gesellschaftsanteil erwerben können. Begleitet wird dies von einer Satzungsregelung, wonach der Gesellschaftsanteil alternativ eingezogen werden kann (Zwangseinziehung) oder auf einen anderen Gesellschafter zu übertragen ist (Zwangsabtretung), soweit der oder die Erben oder Vermächtnisnehmer nicht zum gesellschaftsvertraglich bestimmten Kreis der zur Nachfolge berechtigten Gesellschafter zählen.
Eine vergleichbare Regelung enthält der Gesellschaftsvertrag der Kommanditgesellschaft. Dort ist eine qualifizierte Nachfolge angeordnet, wonach ebenfalls nur Abkömmlinge sowie Mitgesellschafter nachrücken können. Beide Gesellschaftsverträge sehen vor, dass ein nicht zur Nachfolge in den Gesellschaftsanteil berechtigter Erbe oder Vermächtnisnehmer abzufinden ist.
In der letztwilligen Verfügung ordnete der E allerdings an, dass seine Ehefrau F Alleinerbin wird, die ihrerseits mit einem Vermächtnis zugunsten der gemeinsamen Tochter T belastet ist, wonach der Grundbesitz, der an die GmbH & Co. KG entgeltlich zur Nutzung überlassen ist, auf die T zu übertragen ist. Der E bringt in der letztwilligen Verfügung explizit zum Ausdruck, dass er seine Ehefrau als eine fähige und verantwortungsvolle Nachfolgerin des Unternehmens sieht. Als Ausgleich für die Alleinerbenstellung der F soll die T, die „nur“ Berufsmusikerin ist, den Grundbesitz erwerben und sich aus „betrieblichen Angelegenheiten heraushalten“.
2. Konsequenzen der Regelungen
Der Praxisfall zeigt ein häufig anzutreffendes Gestaltungsproblem, das stets dann hervortritt, wenn der Erblasser seine Verfügung von Todes wegen lediglich nach wirtschaftlichen oder allgemeinen erbrechtlichen Aspekten konzipiert und dabei das Gesellschaftsrecht außer Acht lässt.
2.1 Gesellschaftsrechtliche Folgen
Für Kapitalgesellschaften gilt vom Grundsatz her die vollständige Vererblichkeit. Dies wird für die GmbH in § 15 GmbHG geregelt (Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 14; Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, § 15 Rn. 6; Scholz/Seibt, GmbHG, § 15 Rn. 24 ff., 27 f.).
Abweichend von den Regelungen für Personengesellschaften kann das Erbrecht bei Kapitalgesellschaften nicht durch das Gesellschaftsrecht unmittelbar beeinflusst werden. Zwar erbt die F angesichts der strikten Regelung in § 15 GmbHG den Geschäftsanteil, allerdings hat sie keinen Anspruch darauf, den Anteil zu behalten, da der Gesellschaftsvertrag der GmbH vorsieht, dass Nachfolger in den Gesellschaftsanteil lediglich Abkömmlinge und Mitgesellschafter sein können. Der verbleibende Gesellschafter in der GmbH kann nun aufgrund der Satzungsregelung entweder den Gesellschaftsanteil einziehen oder die Zwangsabtretung auf eine Person beschließen, welche die Vorgaben des Gesellschaftsvertrags erfüllt. Es liegt nun in der Hand des verbleibenden Gesellschafters, ob die zur Erbin bestimmte Ehefrau Gesellschafterin bleibt oder diesen Geschäftsanteil abzutreten hat.
Die F als Alleinerbin kann allerdings für die Zwangseinziehung bzw. Zwangsabtretung eine Abfindung verlangen, die mangels gesellschaftsvertraglicher Regelungen in Höhe des Verkehrswerts zu leisten ist (BGH 16.12.91, II ZR 58/91, NJW 92, 892; Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, § 15 Rn. 17; MK zum GmbHG, § 15 Rn. 460). In den meisten Gesellschaftsverträgen ist allerdings bestimmt, in welcher Art und Weise die Abfindung an den nicht zur Nachfolge berufenen Erben oder Vermächtnisnehmer zu zahlen ist. Beschränkungen bzw. Ausschluss des Abfindungsanspruchs sind vom Grundsatz her zulässig (BeckOk, GmbHG, § 15 Rn. 68, 69 m.w.N.).
Bei Personengesellschaften geht die gesellschaftsrechtliche Regelung den erbrechtlichen Bestimmungen vor. Eine zwingende, das Erbrecht schützende, Regelung wie in § 15 GmbHG gibt es im HGB nicht. Die im vorliegenden Fall formulierte qualifizierte Nachfolgeklausel bestimmt die Sondererbfolge, die vom Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge eines oder mehrerer Erben abweicht. In solchen Fällen geht der Gesellschaftsanteil kraft Sondererbfolge unmittelbar auf diejenige Person oder Personen über, die die Voraussetzungen der qualifizierten Nachfolgeklausel erfüllen. Dazu muss aber auch in der letztwilligen Verfügung die entsprechende Person als Erbe oder Vermächtnisnehmer eingesetzt werden.
Der E hat zwar die F als Gesamtrechtsnachfolger bestimmt, allerdings sieht der Gesellschaftsvertrag der Kommanditgesellschaft vor, dass nur Abkömmlinge oder Mitgesellschafter zur Sondererbfolge berufen sind. Die gesellschaftsrechtliche qualifizierte Nachfolgeregelung läuft daher völlig leer, da der E weder den Mitgesellschafter noch die T zu Erben oder Vermächtnisnehmern bestimmt hat und die F nicht zur Nachfolge zugelassen ist.
Auch bei den Personengesellschaften steht dem Erben oder Vermächtnisnehmer, welcher die Nachfolge aufgrund der qualifizierten Nachfolgeklausel im Gesellschaftsvertrag nicht antreten kann, ein Abfindungsanspruch zu, soweit er nicht in zulässiger Weise beschränkt oder ausgeschlossen ist (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 131 Rn. 122 ff. m.w.N.).
FAZIT | Entgegen den Vorstellungen des E, die er in der letztwilligen Verfügung zum Ausdruck gebracht hat, kann die F ohne Einverständnis des verbleibenden Gesellschafters nicht in die Gesellschafterpositionen des Erblassers eintreten. |
2.2 Steuerrechtliche Folgen
Die gescheiterte Vermögensnachfolge entgegen dem Plan des Erblassers ist nicht die alleinige negative Auswirkung der letztwilligen Verfügung. Hinzutreten steuerliche Lasten, sowohl bei der Ertrag- als auch der Erbschaftsteuer.
2.2.1 Ertragsteuern
Der Grundbesitz gehörte zu Lebzeiten des E zu seinem Sonderbetriebsvermögen (SBV). Dieser Grundbesitz fällt der T im Wege des Vermächtnisses an. Sie wird zivilrechtlich Alleineigentümerin dieses Grundbesitzes. Da sie allerdings nicht in die Gesellschafterposition des E als Kommanditistin nachfolgt, fallen nun Gesellschafter einerseits und Eigentümer des Grundbesitzes andererseits auseinander, sodass dies zwangsweise zur Entnahme des Grundbesitzes aus dem SBV führt. Das kann zu erheblichen Steuerbelastungen im Hinblick auf stille Reserven führen. Wenn im Beispiel der Buchwert des Grundvermögens 800.000 EUR beträgt, der Verkehrswert sich allerdings auf 1,2 Mio. EUR beläuft, sind vom Grundsatz her 400.000 EUR steuerbar.
2.2.2 Erbschaftsteuer
Der Grundbesitz zählt nicht mehr zu einem Betriebsvermögen (BV), sodass der vermächtnisweise Erwerb der Immobilie durch die T nicht begünstigungsfähig i.S. der §§ 13a ff. ErbStG ist. Die Besteuerung ist nun nach den allgemeinen Bewertungsregeln (§ 12 ErbStG, §§ 176 ff. BewG) durchzuführen. Abgesehen vom persönlichen Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) stehen der T keine weiteren Begünstigungen zu.
Hinsichtlich der Beteiligungen an der GmbH einerseits und an der Kommanditgesellschaft andererseits kommt die F ebenfalls nicht in den Genuss der erbschaftsteuerlichen Begünstigung für BV. Sie erhält lediglich eine Abfindung für den GmbH-Anteil als auch hinsichtlich der Kommanditbeteiligung. Beide Abfindungsansprüche bilden kein BV, auch wenn diese Abfindungsansprüche als Surrogat für die jeweiligen Beteiligungen betrachtet werden können (im Detail Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 3 Rn. 136 ff. (Personengesellschaften) und Rn. 149 ff. (Kapitalgesellschaften)).
FAZIT | Die fehlgeschlagene Gestaltung verursacht die Besteuerung der im Grundbesitz enthaltenen stillen Reserven und vernichtet dem Grunde nach Begünstigungsmöglichkeiten, die sich aus den §§ 13a ff. ErbStG ergeben. |
Die fehlende Abstimmung von gesellschaftsvertraglichen Regelungen und letztwilliger Verfügung führt im Ergebnis dazu, dass die vom E gewünschte Nachfolge in die Gesellschaftsbeteiligungen nicht durchgesetzt werden kann. Nur bei entsprechendem Wohlwollen des Mitgesellschafters ist ein Verbleib der F in beiden Gesellschaften denkbar. Die divergierenden Regelungen in den Gesellschaftsverträgen einerseits und der letztwilligen Verfügung andererseits führen ferner zu beachtlichen Steuerlasten sowohl bei der Ertragsteuer als auch bei der Erbschaftsteuer.
3. Gestaltung vor dem Erbfall
Vorliegend hätte sichergestellt werden müssen, dass die F im Fall des Todes des Gesellschafters (E) zu den nachfolgeberechtigten Personen gehört. Eine sichere Nachfolge kann nur dadurch gewährleistet werden, dass der jeweilige Gesellschaftsvertrag es zulässt, dass jene Person, die durch letztwillige Verfügung berufen wird, auch Gesellschafter sein kann. In der Kapitalgesellschaft wird dadurch die Zwangseinziehung oder Zwangsabtretung vermieden, und in der Personengesellschaft kann die Sondererbfolge problemlos erfolgen. Korrespondierend zu den gesellschaftsrechtlichen Regelungen ist eine spiegelbildliche Anordnung in der letztwilligen Verfügung erforderlich.
Soweit der E mit seinem Mitgesellschafter keine Einigung über eine entsprechende Änderung des Gesellschaftsvertrags herbeiführen kann, besteht eine Alternative darin, der T nicht nur den Grundbesitz, sondern auch die Anteile an den beiden Gesellschaften in der letztwilligen Verfügung zuzuweisen, sofern der Erblasserwille darauf gerichtet ist, das BV zumindest in der Familie zu halten. Dabei ist der sicherste Weg, die T als Alleinerbin einzusetzen, damit sowohl die Gesellschaftsanteile als auch das sich im SBV befindliche Grundvermögen von der T erworben werden. Sie erfüllt die Voraussetzungen nach dem Gesellschaftsvertrag und wird aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge Erbin des gesamten Vermögens des E.
Zuwendungen von Todes wegen an die F können im Detail durch eine vermächtnisweise Zuordnung anderer Vermögenswerte erfolgen. Ungeachtet der Frage, in welchem Umfang letztlich eine solche vermächtnisweise Zuordnung umgesetzt wird, ist jedenfalls sichergestellt, dass zunächst im Wege der Erbfolge alles bei der T angesiedelt und nichts auseinandergerissen wird. Die benannten negativen steuerlichen Konsequenzen treten nicht ein.
4. Gestaltung nach dem Erbfall
Wollen die F und die T die negativen Konsequenzen vermeiden, bietet sich die Ausschlagung gegen Abfindung an. Aufgrund der Ausschlagung wird die T Alleinerbin. Sie kann aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Regelungen in die Beteiligungen nachrücken, und der Grundbesitz bleibt im SBV der T. Die F kann mit einer Abfindung ausgestattet werden, die als Erwerb vom Erblasser zu behandeln ist (§ 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG). Alternativ kann die F den Pflichtteil und bei gesetzlichem Güterstand den güterrechtlichen Zugewinnausgleich verlangen (§ 1371 Abs. 4 BGB, § 2303 Abs. 2 S. 2 BGB). Die Ausschlagungsfrist von sechs Wochen ist zu beachten (§ 1944 Abs. 1 BGB). Bei Auslandssachverhalten kann die Frist sechs Monate betragen (§ 1944 Abs. 3 BGB).
5. Exkurs
Vergleichbare negative Konsequenzen können bei der Betriebsaufspaltung entstehen, wenn durch letztwillige Verfügung die personelle Verflechtung wegfällt. Dies ist der Fall, wenn der Erwerber des Geschäftsanteils an der GmbH eine andere Person ist als jene, die den an die GmbH vermieteten oder verpachteten Grundbesitz zu Eigentum erwirbt.