Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Umsatzsteuer

Rechtsfortschreibung bei Praxis- und Apparategemeinschaften durch § 4 Nr. 29 UStG (JStG 2019)

von Georg Nieskoven, Troisdorf

| Die EG-Vorgabe zur Steuerbefreiung gemeinwohlbezogener Kostenteilungsgemeinschaften (Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL) existierte in Deutschland bislang nur im Heilbehandlungsbereich durch § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG . Mit dem „Jahressteuergesetz (JStG) 2019“ werden die Unionsrechtsvorgaben nun umfassender umgesetzt und damit auch § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG in den neuen § 4 Nr. 29 UStG überführt, was diese neue Vorschrift und deren Auslegung in den Fokus von Steuerberatern und von Finanzämtern bringen wird. Der Beitrag stellt die Neufassung der Vorschrift vor. |

1. Vorbemerkung

Heilberufler sowie Einrichtungen i. S. von § 4 Nr. 14 Buchst. a bzw. b UStG erwirtschaften in aller Regel umsatzsteuerfreie Erlöse, sodass ihnen aus zugehörigen Eingangsleistungen der Vorsteuerabzug durch § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG verwehrt bleibt. In vielen humanmedizinischen Fachbereichen können Investitionen z. B. in diagnostische Gerätschaften inzwischen jedoch wegen ihres Volumens vom Einzelnen kaum noch gestemmt bzw. sachgerecht ausgelastet werden. Unternehmer in der Gesundheitsversorgung schließen sich daher für Großinvestitionen oder sonstige Infrastrukturmaßnahmen und deren gute Auslastung zunehmend in Investitionsgemeinschaften zusammen, was ihnen den Zugang zu moderner Medizintechnik oder Infrastrukturen durch Kostenteilung eröffnet.

 

Der betriebswirtschaftliche Sinn wäre konterkariert, wenn es durch Vorschaltung von Kostenteilungsgemeinschaften zur kumulierenden Zusatzbelastung mit Umsatzsteuer bei Heilbehandlern bzw. Einrichtungen käme, weil sie ihrerseits durch Erhebung der Kostenbeteiligung Überlassungsumsätze gegen Entgelt gegenüber ihren Gemeinschaftern erbringen. Zum Schutz der Kostenteilungsgemeinschaften sieht daher Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL vor, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen mit ihren Überlassungsumsätzen gegenüber begünstigten Akteuren gleichfalls steuerfrei bleiben sollen.

 

Deutschland hatte dies bislang in Gestalt von § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG (vor 2009: § 4 Nr. 14 S. 2 UStG) punktuell auf die Gesundheitsversorgung beschränkt umgesetzt, was der EuGH (21.9.17, C-616/15) wegen unzulässig beschränkter Umsetzung von Unionsrechtsvorgaben als EG-rechtswidrig gerügt hatte. Dieser Rüge folgend hat der deutsche Gesetzgeber im Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (auch JStG 2019 genannt) nun, den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung für Kostenteilungsgemeinschaften in einem § 4 Nr. 29 UStG neu gefasst und den damit entbehrlich werdenden § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG aufgehoben.

2. Die Neuregelung des § 4 Nr. 29 UStG

§ 4 Nr. 29 UStG n. F. lautet wie folgt:

 

Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen sind steuerfrei:

 

29. sonstige Leistungen von selbstständigen, im Inland ansässigen Zusammenschlüssen von Personen, deren Mitglieder eine dem Gemeinwohl dienende nichtunternehmerische Tätigkeit oder eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit ausüben, die nach den Nummern 11b, 14 bis 18, 20 bis 25 oder 27 von der Steuer befreit ist, gegenüber ihren im Inland ansässigen Mitgliedern, soweit diese Leistungen für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeiten verwendet werden und der Zusammenschluss von seinen Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordert, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt.

 

§ 4 Nr. 29 UStG n. F. enthält insbesondere folgende tatbestandliche Eckwerte:

 

2.1 Zwei Typen von Gemeinschaften

Die Begünstigung ist nun für alle Zusammenschlüsse zugänglich, deren Mitglieder dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten nachgehen. Damit wird die bislang auf Heilbehandlungs-Akteure beschränkte Begünstigung auf zahlreiche andere gesetzlich steuerbefreite Branchen (z. B. Pflege, Betreuung und Sozialfürsorge, kulturelle Leistungen, schulische u. berufliche Aus- und Fortbildung, Erziehung sowie Kinder- und Jugendpflegeleistungen) ausgedehnt.

 

Auch wenn die Zusammenschlussbegünstigung grundsätzlich auf homogene Mitgliedsgruppen (z. B. eine aus Heilberuflern i. S. v. § 4 Nr. 14 UStG bestehende Apparate-Gemeinschaft) abzielt, schließen weder Wortlaut, noch Gesetzesbegründung eine begünstigungsübergreifende Mitgliederstruktur aus, sodass künftig auch Misch-Zusammenschlüsse mit Mitgliedern aus unterschiedlichen Branchen denkbar sein dürften. Allerdings wird es dort selten eine inhaltliche Schnittmenge i. S. d. unten unter 2.4 behandelten Erfordernisses der unmittelbaren Zweckdienlichkeit geben.

 

Darüber hinaus wird in die Zusammenschluss-Begünstigung des § 4 Nr. 29 UStG künftig ein gänzlich neuer Bereich integriert, nämlich jener der öffentlichen Hand, da das Gesetz nun im ersten Halbsatz explizit auch die dem Gemeinwohl dienenden nicht-unternehmerischen Tätigkeiten betont. Dieser neue nicht-unternehmerische Bereich eröffnet künftig den Gebietskörperschaften ‒ neben der interkommunalen Zusammenarbeit (vgl. § 2b Abs. 3 UStG und hierzu BMF 19.4.16 Rz. 40ff) ‒ die Begründung gemeinsamer Kostenteilungszusammenschlüsse unter Vermeidung zusätzlicher Umsatzsteuerbelastungen.

 

Darüber hinaus ermöglicht m. E. diese neue Begünstigungsgruppe (zu der z. B. gemeinnützige Vereine mit ihrem nichtwirtschaftlich-ideellen Bereich gehören können) künftig auch Misch-Zusammenschlüsse. So ist z. B. eine gemeinsame Nutzung von humanmedizinisch-diagnostischer Infrastruktur durch eine aus privatrechtlichen Heilberuflern/Krankenhäuser und öffentlich-rechtlichen medizinischen Hochschulen wie Universitätskliniken gegründete Kostenteilungsgemeinschaft. Damit können künftig auch Körperschaften der öffentlichen Hand für ihren Gemeinwohlbereich Kostenteilungsgemeinschaften begründen ‒ z. B. im Bereich der interkommunalen Zusammenarbeit, also bei Infrastruktureinrichtungen oder der Sozial-, Jugend- oder Gesundheitsverwaltung. Dabei sind Kostenteilungsgemeinschaften nicht auf die Rechtsform der GbR beschränkt, sondern die Rechtsprechung lässt auch kapitalistische Rechtsformen zu (z. B. BFH 6.9.18, V R 30/17: dort e. G. ).

 

Beachten Sie | Die Bruchteilsgemeinschaft ist dafür jedoch inzwischen nicht mehr geeignet, da der BFH (22.11.18 V R 65/17) unter Änderung der langjährigen Rechtsprechungspraxis den Bruchteilsgemeinschaften nun die für § 4 Nr. 29 UStG erforderliche Unternehmereigenschaft abspricht, und damit deren Gemeinschafter zu Bruchteilsleistenden ohne Steuerbegünstigungsfähigkeit macht.

 

2.2 Nicht begünstigte Strukturen

Steuerfrei kann nach dem Gesetzeswortlaut der Vorschrift lediglich eine Überlassungsleistung von der Gemeinschaft an ihre Gemeinschafter sein. Aus der Besteuerungs- und Betriebsprüfungspraxis werden immer wieder Sachverhalte bekannt, bei denen Beteiligte fälschlicherweise auch in abweichenden Konstellationen von einer entsprechenden Steuerbefreiung ausgehen.

 

  • Beispiel 1: Physiotherapeuten-Einzelpraxen mit freien Mitarbeitern

Die Physiotherapeuten A, B und C betreiben unter dem Dach eines gemeinsamen Therapiezentrums jeweils eine eigenständige Praxis. Daneben haben sie mit Beteiligung zu je 1/3 eine ABC-GbR gegründet, die Equipment für Behandlungsplätze sowie Therapiegeräte (Elektrotherapie, Gerätetraining, Reha-Geräte etc.) erwirbt und gegen Kostenerstattung den drei Gemeinschaftern überlässt. A erbringt nicht alle Behandlungsleistungen höchstpersönlich, sondern auch mit fest angestellten sowie mit freien Mitarbeitern. Soweit die freien Mitarbeiter eigene Patienten behandeln, rechnet er die Behandlungsleistung im Außenverhältnis selbst ab, leitet vereinbarungsgemäß den freien Mitarbeitern jedoch 80 % der Erlöse weiter. Die freien Mitarbeiter müssen allerdings bei solchen Behandlungen für Behandlungsplatz- bzw. Gerätenutzung gleichfalls eine Selbstkostenbeteiligung an die ABC-GbR entrichten.

 

Lösung

Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG (künftig § 4 Nr. 29 UStG) begünstigt ausschließlich Überlassungsleistungen der Gemeinschaft an einen ihrer Gemeinschafter, schließt folglich Überlassungen an deren freie Mitarbeiter/Subunternehmer von der Begünstigung aus. Demnach können die Erlöse der GbR aus der Überlassung von Behandlungsplatz- bzw. Gerätenutzung gegenüber den freien Mitarbeitern nicht gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG umsatzsteuerbefreit sein, sondern unterliegen (vorbehaltlich § 19 UStG) der Umsatzsteuer.

An diesem Ergebnis würde sich insgesamt auch nichts ändern, wenn bezüglich der Behandlungsleistungen durch freie Mitarbeiter im ersten Schritt der A die Behandlungsplatz- und Geräte-Überlassungsleistung von der GbR bezieht und diese dem freien Mitarbeiter (z. B. in Form der Kürzung der weitergereichten Behandlungsvergütung um 20 %) weiterberechnet. Denn dann wäre zwar im ersten Schritt die Überlassungsleistung der GbR gegenüber A umsatzsteuerfrei, aber die entgeltliche Weiterreichung von A an den freien Mitarbeiter (vorbehaltlich § 19 UStG) gleichwohl umsatzsteuerpflichtig (vgl. hierzu auch FG Hamburg 10.3.06, VII 312/04).

 

Gestaltungsfehler sind zudem auch bei Sachverhalten mit verschwisterten Gesellschaften denkbar:

 

  • Beispiel 2: Gesellschafter-teilidentische Personengesellschaften

Die bereits langjährig in der ABC-BAG tätigen Radiologen A, B und C haben ihr Ärzteteam zum 1.1.19 mit den beiden jungen Ärzten X und Y verstärkt und diese in ihre Gemeinschaftspraxis (ab dann ABCXY-BAG) aufgenommen. Zugleich stehen Austausch bzw. Neuanschaffung diagnostischer Gerätschaften an, für die jedoch nur A, B und C über entsprechende finanzielle Rücklagen bzw. Finanzierungsmöglichkeiten verfügen. Daher gründen A, B und C die ABC-Apparategemeinschaft (ABC-GbR), die neue MRT bzw. CT erwirbt/finanziert und der Gemeinschaftspraxis gegen Selbstkostenerstattung zur Verfügung stellt.

 

Lösung

Die entgeltliche Geräteüberlassung durch die ABC-GbR erfolgt ‒ anders als von § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG bzw. künftig § 4 Nr. 29 UStG gefordert ‒ nicht an ihre Gemeinschafter/Mitglieder sondern an eine verschwisterte Gesellschaft , die jedoch nicht als Gesellschaft Gemeinschafter/Mitglied der ABC-GbR ist. Die Überlassungsleistung der ABC-GbR an die ABCXY-BAG erfolgt mithin nicht umsatzsteuerfrei, sondern umsatzsteuerpflichtig (der ABC-GbR steht aus ihren Investition mithin der Vorsteuerabzug zu).

 

Die wünschenswerte Rechtsfolge umsatzsteuerbefreiter Überlassungsumsätze kann m. E. auch nicht mit den Kartoffellager-Entscheidungen (BFH 28.11.01, V R 18/01 sowie BFH 3.11.05, V R 53/03) begründet werden, denn zum einen hat die ABC-GbR vorliegend Entgeltlichkeit durch Vergütungszahlung vereinbart, während für den BFH für die Rechtsfolge der unentgeltlichen Kostenteilung die fehlende Entgeltlichkeitsvereinbarung begründungstragend war. Zum anderen geht es bei der ABC-GbR und der ABCXY-BAG um Gesellschaften mit unterschiedlichem Gesellschafterbestand.

 

Auch eine umsatzsteuerliche Organschaft kommt nicht in Betracht, da ‒ wenngleich mit unterschiedlicher Gesellschafterstruktur ‒ verschwisterte Gesellschaften vorliegen und es folglich an dem für die finanzielle Eingliederung nach wie vor erforderlichen gesellschaftsrechtlichen Über-/Unter-Ordnungsverhältnis fehlt. Der BFH hat an diesem Erfordernis eines Über-/Unter-Ordnungsverhältnisses trotz abweichender EuGH-Sicht festgehalten (BFH 2.12.15, V R 15/14 Rz. 19 ‒ 22; so auch BMF 26.5.17, BStBl I, 790).

 
  • Beispiel 3: Leistungen für gemeinschaftsfremde Ärzte

Die beteiligten Ärzte sind jetzt nicht in Gemeinschaftspraxis tätig, sondern unterhalten in einem Radiologie-Zentrum jeweils radiologische Einzelpraxen (Praxisgemeinschaft). Ab 2019 nutzen auch die beiden Radiologen X und Y die Geräte-Infrastruktur der Praxisgemeinschaft. Die von A, B und C zum Erwerb diagnostischer Gerätschaften gegründete ABC-GbR überlässt nachfolgend die Gerätschaften an die einzelnen Radiologen A, B, C, X und Y gegen Selbstkostenerstattung.

 

Lösung

Die entgeltliche Geräteüberlassung durch die ABC-GbR an die einzelnen Radiologen ist nach § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG bzw. dem künftigen § 4 Nr. 29 UStG (unter den dortigen weiteren Voraussetzungen) nur insofern umsatzsteuerfrei, als die Überlassung an Gemeinschafter/Mitglieder der ABC-GbR ‒ also an A, B oder C ‒ erfolgt; dagegen stellen die Überlassungsleistungen an X bzw. Y (vorbehaltlich § 19 UStG) umsatzsteuerpflichtige Umsätze dar.

 
  • Beispiel 4:

Sachverhalt wie Beispiel 2. Die ABC-GbR geht in einer Vereinbarung mit der ABCXY-BAG zwar von der unentgeltlichen Zurverfügungstellung der Diagnosegerätschaften an die Gemeinschaftspraxis aus. Um einen finanziellen Ausgleich für den alleine von A, B und C getragenen Aufwand sicherzustellen und diesen Altgesellschaftern insofern auch den sicheren (endgültigen) Zugriff auf die benötigte jährliche Liquidität zur Bedienung ihrer Finanzierungsverpflichtungen zu gewährleisten, wird in der Gewinnverteilungsabrede der ABCXY-GP festgelegt, dass die Gesellschafter A, B und C vor Ermittlung der jährlichen Gewinnverteilung einen jährlicher Festbetrag als Gewinnvorab erhalten, der ohne Rückzahlungspflicht entnommen werden kann.

 

Lösung

Fraglich ist, ob die unentgeltliche Überlassung durch die ABC-GbR an die ABCXY-BAG anzunehmen ist, oder ob die Zuweisung eines jährlich feststehenden Gewinnvorab nicht als Vergütung an die GbR ‒ per Zahlung im abgekürzten Zahlungsweg an deren Gesellschafter ‒ anzusehen ist. M. E. dürfte das Letztgenannte angesichts der offenkundigen Zielsetzung einer solchen Finanzierungs- und Risikovergütungs-Vereinbarungen zu bejahen sein: Die Finanzverwaltung geht in Abschn. 1.6. Abs. 4 UStAE (insb. S. 13) davon aus, dass in den Fällen eines gesichert entnahmefähigen/nicht rückzahlungspflichtigen Gewinnvorab darin eine Vergütung zu erkennen ist, die auch auf die Geräteüberlassung abzielt. Auch die FG-Rechtsprechung geht davon in jüngerer Zeit tendenziell aus: So hat das FG Münster (27.03.18, 5 K 3718/17 U) einem gewinnabhängigen Gewinnvorab die Vergütungseignung zwar im ersten Schritt abgesprochen, aber im zweiten Schritt klargestellt, die gegenteilige Sichtweise komme in Betracht, wenn der jährliche Gewinn zur Deckung der Gewinnvorab-Beträge ausreiche und die Vereinbarung tatsächlich so durchgeführt werde (Rz. 30 ‒ 32).

 

Noch strenger urteilte jüngst das FG Düsseldorf (19.1.08, 1 K 1018/16 U, Rz. 48 bis 54; Rev. BFH V R 22/19). Es konstatierte, dass auch bei einer gewinnabhängigen Vorabvergütung diese als Überlassungsentgelt gewertet werden könne, soweit diese nicht Ausfluss einer allgemeinen Gewinnbeteiligung sei, sondern mit dem Ziel einer Sondervergütung gezahlt werde. Denn insofern sei auf das zwischen den Beteiligten erkennbar Gewollte abzustellen, was beim dortigen Gewinnvorab eine sichere Sonder-Entgeltserwartung für die jährliche Überlassungsleistung (trotz deren Gewinnabhängigkeit) darstellte.

 

PRAXISTIPP | Bei entsprechenden Überlegungen sollten die Beteiligten und ihre steuerlichen Berater daher Vorsicht walten lassen. Es ist ratsam bis zur rechtssicheren gerichtlichen Klärung, Gestaltungen durch Abstimmung mit dem FA (Antrag auf verbindliche Auskunft) abzusichern.

 

2.3 Doppelter Inlandsbezug

Die Befreiung des § 4 Nr. 29 UStG wird ‒ und dies ist neu gegenüber § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG ‒ auf im Inland ansässige Zusammenschlüsse mit ebenfalls im Inland ansässigen Mitgliedern beschränkt (doppeltes Inlandserfordernis). Auch wenn dieses Erfordernis im Bereich der humanmedizinischen Gesundheitsdienstleister zumeist keine praxisrelevante Hürde darstellen dürfte, da grenzüberschreitende Infrastruktur-Kooperationen (noch) Seltenheitswert haben, ist zu betonen, dass ein Inlandsbezug in den unionsrechtlichen Vorgabe des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL nicht vorgesehen und das doppelte Inlandserfordernis damit mehr als fragwürdig ist. Dem Gesetzgeber war dies wohl bewusst, denn er bemüht sich in der Gesetzesbegründung, diese Voraussetzung übergesetzlich mit historisch-systematischen Erwägungen und dem Wortlaut der Vorgängervorschrift von Art. 132 MwStSystRL (Art. 13 der 6. EG-Richtlinie: Steuerbefreiungen im Inland ) zu unterfüttern.

 

2.4 Unmittelbare Zweckdienlichkeit

§ 4 Nr. 29 UStG beschränkt die Begünstigung auf solche Leistungen der Gemeinschaft an ihre Gemeinschafter, die den Gemeinschaftern dort für unmittelbare Zwecke ihrer steuerbefreiten Tätigkeit dienen. Eine ähnliche Formulierung sah bereits § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG vor. Demnach wird es auch künftig darauf ankommen, dass die von der Gemeinschaft bezogene Leistung den Kernbereich der begünstigten Leistungen des Gemeinschafters betreffen. Demnach müssen sich z. B. bei von § 4 Nr. 14 UStG begünstigten Heilbehandlern/Einrichtungen die von ihrer Gemeinschaft bezogenen Leistungen auf die unmittelbare Behandlungsleistung gegenüber dem Patienten (z. B. Überlassung von Diagnosegerätschaften inkl. Bedienpersonal) beziehen. Es darf sich nicht lediglich um sonstige allgemeine Verwaltungsleistungen (z. B. Buchführung, Abrechnung mit den Krankenkassen) beziehen (vgl. Abschn. 4.18.8 Abs. 3 UStAE). Auch der BFH (29.10.13, V B 58/13, Rz. 9, zur Überlassung von Praxisräumlichkeiten inkl. Inanspruchnahme der Dienste des dort beschäftigten nichtärztlichen Personals) scheint das so streng zu sehen: Es reicht nicht aus, wenn die Leistung der Gemeinschaft die ärztliche Behandlungsleistung lediglich infrastrukturell ermöglicht.

 

Beachten Sie | Nicht erforderlich ist, dass die Mitglieder der Kostenteilungsgemeinschaft ausschließlich begünstigte umsatzsteuerfreie Ausgangsumsätze erwirtschaften, was bei Ärzten als Kostenteilungsgemeinschafter bei partiell umsatzsteuerpflichtig erbrachten IGeL-Leistungen bzw. ästhetische Leistungen auch nicht der Fall wäre. Denn der EuGH (4.5.17, C-274/15, Rz. 53) hat explizit klargestellt, es sei im ersten Schritt unschädlich, wenn die Mitglieder des Zusammenschlusses auch umsatzsteuerpflichtige Tätigkeiten ausübten, also eine gemischte Ausgangsumsatz-Struktur aufwiesen. In den Genuss der Steuerbefreiung komme die Kostenteilungsgemeinschaft aber im zweiten Schritt nur, soweit die von ihr an das Mitglied erbrachten Dienstleistungen dort unmittelbar für Zwecke einer ausschließlich begünstigten umsatzsteuerfreien Ausgangsleistung des Gemeinschafters genutzt würden.

 

PRAXISTIPP | Es kommt demnach für Zwecke der Steuerbefreiung auf Gemeinschaftsebene auf den begünstigten Eingangsleistungs-/Ausgangsleistungs-Bezug auf Gemeinschafter-Ebene an. Folglich sollten Gemeinschafter mit gemischter Umsatzstruktur die von der Kostenteilungsgemeinschaft bezogenen Leistungen entweder nur für begünstigte Ausgangsumsätze verwenden bzw. sich für ihre sonstigen Umsätze anderer oder eigener Infrastruktur bedienen. Sie können auch den gemischt-schädlichen Bezug gegenüber der Kostenteilungsgemeinschaft kommunizieren, damit alle Beteiligten die dann entstehende Vorbelastung von Anfang an (auch kalkulatorisch) berücksichtigen können.

 

2.5 Genaue Selbstkosten-Weiterbelastung

§ 4 Nr. 29 UStG n. F. verlangt für die Steuerbegünstigung der Umsätze der Gemeinschaft (unter wörtlicher Übernahme der entsprechenden Formulierung aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL), dass der Zusammenschluss von seinen Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordert, was sich in ähnlicher Formulierung auch bereits in § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG fand. Seit Einführung dieses Erfordernisses einer genauen Kostenerstattung zum 1.1.09 hat die Besteuerungspraxis über das Auslegungsverständnis dieser Formulierung kontrovers diskutiert. Denn bislang ergeben sich weder aus der Rechtsprechung (EuGH 20.11.03, C-8/01 sowie EuGH 11.12.08, C-407/07; BFH 5.12.07, V R 60/05; BFH 23.4.09, V R 5/07; BFH 30.4.09, V R 3/08), noch aus dem damals zur Neuregelung ergangenen Schreiben des BMF (26.6.09, IV B 9 - S 7170/08/1000, BStBl I 09, 756, Rz. 71 ‒ 78) konkrete Abgrenzungsaussagen.

 

2.5.1 Gesamtkostenneutralität

Insbesondere ist fraglich, ob bereits eine Gesamtkostenneutralität auf Ebene der Gemeinschaft im Sinne eines jährlichen Ertragsziels einer schwarzen Null ausreicht (so FG Düsseldorf 4.4.12, 5 K 3139/09 U, Rz. 46 ‒ 51; FG Düsseldorf 20.9.17, 5 K 1616/15 U, Rz. 57) oder ob neben der Gesamtkostenneutralität zudem auch noch auf Basis einer betriebswirtschaftlichen Kostenrechnung eine exakt verursachungsgerechte Weiterbelastung gegenüber jedem einzelnen Gemeinschafter (Individualkostenneutralität) gewährleistet sein muss.

 

Während in der Literatur teilweise die Gesamtkostenneutralität in Verbindung mit sachgerechten (z. B. nicht-kostenbezogenen/pauschalen) Aufteilungsschlüsseln als ausreichend erachtet wurde, konnte man aus gerichtlichen Entscheidungen (z. B. BFH 15.4.10, V R 11/09) auch das Individualkostenerfordernis herausinterpretieren (wohl ebenso: FG Münster 14.2.17, 15 K 33/14 U, Rz. 30). In der Entscheidung des FG Münster wurden mit Blick auf Rücklagen für künftig Risiken oder geplante Investitionen aber auch Überschüsse auf Ebene der Gemeinschaft als zulässig erachtet.

 

2.5.2 Individualkostenneutralität

Instruktiv ist die Entscheidung des FG Düsseldorf (22.6.18, 1 K 426/16 U) betreffend einer von diversen gesetzlichen Krankenkassen (GKV) gegründeten Arbeitsgemeinschaft (ARGE). Die ARGE hatte durch eigene Angestellte für die GKV die Prüfung der Leistungsansprüche der Versicherten übernommen.

 

  • Entscheidung

Erstmals betont ein Gericht, dass mit der Kostenordnung bei der ARGE neben der Gesamtkostenneutralität (jährliche schwarze Null) auch die Individualkostenneutralität erfüllt werde (jährlicher Grundbeitrag zzgl. variabler Kosten ‒ berechnet anhand des auf Basis eines jährlichen Wirtschaftsplans ermittelten jeweiligen Bearbeitungskostenaufwands pro Verordnungsabrechnung; Quartalsvorauszahlungen pro GKV mit Spitzenausgleich für jedes Quartal).

 

Das FG betonte dabei explizit, dass das Erfordernis der genauen Kostenerstattung in Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL neben der Gesamtkostenneutralität auch die Individualkostenneutralität erfordere. Die vom FA ergänzend geforderte weitere Differenzierung lehnte es hingegen ab. Die Bepreisung mit einer Vergütung nach dem durchschnittlichen zeitlichen Aufwand je geprüfter Verordnung sei ausreichend. Auch die gewinnmindernde Bildung einer Betriebsmittelrücklage hielt das FG für unproblematisch (Rz. 46 ff).

 

Da die Finanzverwaltung keine Revision angestrengt hat, darf davon ausgegangen werden, dass die FG-Ausführungen letztlich die aktuelle Verwaltungssichtweise wiedergeben. In diesem Sinne äußert sich m. E. auch die Gesetzesbegründung zu § 4 Nr. 29 UStG n. F. Dort wird ein Leistungsangebot zu Selbstkosten i. S. der Gesamtkostenneutralität gefordert und zugleich ausgeführt, dem jeweiligen Gemeinschafter dürfe nur der durch dessen Leistungsabruf entstandene exakte Kostenanteil berechnet werden (Individualkostenneutralität), was am Umfang oder der Häufigkeit der Inanspruchnahme bemessen werden könne. Demnach dürfte beispielsweise bei einer medizinisch-diagnostischen Apparategemeinschaft jedes verursachungsgerechte Kostenzurechnungsverfahren (z. B. auch hinsichtlich der kalkulatorisch mit zu berücksichtigenden Leerlauf- bzw. Bereithaltezeiten) bei den Finanzämtern Akzeptanz finden. Lediglich ein genereller pauschaler Kostenaufschlag oder ein krasses Missverhältnis zwischen Inanspruchnahme und Kostenverteilung (z. B. zur Erzielung einer abweichenden Gewinnverteilung) wird in der Gesetzesbegründung ausdrücklich als schädlich angesehen.

 

2.5.3 Doppeltes Kostenneutralitätserfordernis

Das demnach geltende doppelte Kostenneutralitätserfordernis wirft in der weiteren Folge die Frage auf, welche Konsequenzen mit Blick auf den Grundsatz der Abschnittsbesteuerung aus einer partiellen Nicht-Erfüllung dieser genauen Kostenweiterbelastung zu ziehen sind. Wird also mit einer einzigen, nicht kostendeckenden Abrechnung nur deren jeweilige Steuerbefreiung oder wird ‒ der Logik der damit insgesamt verschobenen Kostenneutralität folgend ‒ dadurch die Gesamtsteuerbefreiung für alle im fraglichen Gewinnermittlungszeitraum (oder nur für die z. B. monatliche Abrechnungsperiode) erbrachten Leistungen infrage gestellt?

 

Die Ausführungen machen deutlich, dass dem Merkmal der genauen Kostenerstattung in der Praxis größeres Augenmerk geschenkt werden muss. Dies beginnt bei der Einrichtung einer nachvollziehbaren und überprüfbaren Kostenrechnung auf Ebene der Kostenteilungsgemeinschaft einschließlich eines jährlichen Wirtschaftsplans. Es geht weiter über eine detaillierte schriftliche Fixierung nachvollziehbarer Kostenbelastungs-Regelungen auf Basis entsprechender Ermittlungs-, Zurechnungs- bzw. Pauschalisierungsgesichtspunkten bis zum empfehlenswerten jährlichen Spitzenausgleich zur Gewährleistung der Gesamtkostenneutralität.

 

Beachten Sie | Inwiefern gewinnmindernde Rücklagen zur Abdeckung künftiger Risiken oder Investitionen zulässig sind, ist bislang nicht abschließend geklärt. Das FG Düsseldorf (s. o.) hielt dies für zulässig. Die Gesetzesbegründung führt aus: Sofern abweichend vom Erfordernis der Gesamtkostenneutralität (i. S. einer schwarzen Null) gleichwohl tatsächlich erzielte Überschüsse ausschließlich dazu bestimmt sind, der Finanzierung künftiger Investitionen zu dienen, ist die Rücklagenbildung nicht zu beanstanden.

 

2.6 Keine Wettbewerbsverzerrung

Während der Wortlaut des § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG das Ausschlusskriterium der Wettbewerbsverzerrung noch nicht enthielt und es lediglich im zugehörigen Einführungsschreiben (nunmehr Abschn. 4.14.8. Abs. 7 UStAE) kurz Erwähnung fand, stellt § 4 Nr. 29 UStG nunmehr entsprechend Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL klar, dass die Befreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führen darf.

 

2.6.1 Konkrete Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung

Fraglich ist dabei im ersten Schritt, aus welchen Systemaspekten der Kostenteilungsgemeinschaft eine Wettbewerbsrelevanz erwachsen kann. Der EuGH hatte sich in der Vergangenheit bereits punktuell mit der Wettbewerbsfrage des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL auseinandergesetzt. In Rz. 58 seiner Taksatorringen-Entscheidung konstatierte der EuGH (20.11.03, C-8/01), dass es bei dieser Beurteilung ausschließlich auf die Frage ankomme, ob der Aspekt der Steuerbefreiung unmittelbar die Wettbewerbsverzerrung hervorrufe. Andere konstruktionsimmanente Wirkungseffekte seien dagegen für die befreiungsschädliche Wettbewerbsfrage unbeachtlich ‒ so z. B. der Umstand, dass die Gemeinschaft zu Selbstkosten abrechne, und damit im Gegensatz zu anderen Marktteilnehmer auf entsprechende Gewinnaufschläge im Leistungspreis verzichte und daher günstiger anbieten könne.

 

Wie der EuGH zudem klarstellte, genügt für eine Wettbewerbsverzerrung nicht die hypothetische Möglichkeit. Vielmehr greift der Vorbehalt erst bei einer realen ‒ also konkreten ‒ Verzerrungsgefahr. So führt auch die Gesetzesbegründung aus, für die o. a. Wettbewerbsklausel komme nur eine restriktive Auslegung i. S. einer beschränkten Fokussierung auf die Vermeidung von Missbräuchen in Betracht. Die Wettbewerbsverzerrung sei dabei stets konkret ‒ also auf Grundlage des konkreten Leistung-Typus und auf Basis der jeweiligen (objektiven) Marktumstände zu beurteilen. Dass ein Zusammenschluss ggf. kostengünstiger anbieten könne, als Einzelakteure ‒ erst recht, wenn er auf den kalkulatorischen Gewinnaufschlag verzichten müsse ‒ sei jedenfalls nicht bereits wettbewerbsschädlich.

 

Schädlich könne dagegen (unter Missbrauchsvermeidungsgesichtspunkten) sein, wenn ein Zusammenschluss unter Ausnutzung seiner Synergieeffekte die gegenüber seinen Mitgliedern erbrachten Leistungen zudem in relevantem Umfang auch gegenüber Nicht-Mitgliedern am Markt anbiete oder dass bei der Konstruktion des Zusammenschlusses erkennbar alleine die Optimierung der umsatzsteuerlichen Vorbelastung im Vordergrund stehe.

 

2.6.2 Wettbewerbsvorbehalt und Besteuerungspraxis

Dies klingt auf den ersten Blick nach Entwarnung für die Praxisrelevanz dieses K.o.-Merkmals. Schaut man sich jedoch die jüngste BFH- und FG-Judikatur zur Wettbewerbsfrage an, so bleibt skeptisch abzuwarten, wie FÄ und Gerichte mit diesem Wettbewerbsvorbehalt in der Besteuerungspraxis umgehen werden. Besonders augenfällig ist da die jüngste BFH-Entscheidung vom 6.9.18 (V R 30/17), die eine ausgesprochen strenge Sichtweise zulasten der Unternehmer zeichnet:

 

  • Sachverhalt

Eine Arbeitsgemeinschaft (e. G.) erbrachte Leistungen nach § 94 SGB X, gegenüber ihren Mitgliedern (gesetzliche Krankenkassen (GKV), zugehörige Verbände und Arbeitsgemeinschaften). Es handelte sich dabei um eine breite Palette von IT-Dienstleistungen rund um die Personen- und Behandlungsleistungsdaten von Versicherten ‒ so z. B. die Bereitstellung, der Betrieb und die Administration von Anwendungen und Infrastruktur, Fach- und Anwendungsberatung, Anwendungsentwicklung, Beschaffungsmanagement und Beratung zu IT-Infrastruktur und ähnliches. Ferner verarbeitete sie für ihre Mitglieder auch Daten und speicherte den gesamten Datenbestand ihrer Mitgliedskrankenkassen.

 

In Bezug auf diese IT-Leistungen war vor dem BFH streitig, ob die Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL nicht ohnehin wegen einer Wettbewerbsverzerrung versagt werden müsse. Die e. G. hatte sich unmittelbar auf diese EG-Steuerbefreiung mit der Begründung berufen, Deutschland habe sie unzulänglich ins nationale UStG umgesetzt.

 

Nach Ansicht der Vorinstanz (FG Münster 14.2.17, 15 K 33/14 U) war eine Wettbewerbsverzerrung bereits deshalb zu verneinen, weil im Gesetz (hier: § 80 Abs. 5 SGB X) die Speicherung des gesamten GKV-Versicherten-Datenbestands grundsätzlich nur öffentlich-rechtlichen Institutionen vorbehalte sei und es daher gar nicht zu einer Wettbewerbssituation kommen könne.

 

Der BFH verwies dagegen darauf, nach § § 80 Abs. 5 Nr. 2 SGB X sei lediglich die Speicherung des gesamten Datenbestands öffentlichen Stellen vorbehalten, sodass Dienstleistungen, die sich lediglich auf einen Teil-Datenbestand bezögen, auch an privatrechtliche Dienstleister vergeben werden könnten. Der V. BFH-Senat urteilte daher, wenn nicht-öffentliche Stellen gesetzlich lediglich für Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Speicherung des gesamten Datenbestandes ausgeschlossen seien, bleibe die Wettbewerbsverzerrung insofern zu prüfen, als die e. G. auch Dienstleistungen auf Basis einer Teil-Datenbestandsspeicherung erbringe und insofern durch die Steuerbefreiung günstiger anbieten könne. Der BFH verwies das Verfahren daher zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zu dieser Frage an die Vorinstanz zurück.

 

Für die Auslegung des Wettbewerbsvorbehalts in § 4 Nr. 29 UStG bedeutet dies künftig zweierlei:

 

  • Im positiven Sinn ist für die an Kostenteilungsgemeinschaften beteiligten Unternehmer geklärt, dass hinsichtlich der Wettbewerbsfrage für die unterschiedlichen Leistungen der Kostenteilungsgemeinschaft jeweils eine differenzierte Wettbewerbsprüfung vorzunehmen ist. Es besteht keine Gesamtschädlichkeit für die Gesamtumsätze einer Kostenteilungsgemeinschaft, soweit lediglich in einem Teilbereich der diversen Leistungssegmente die Steuerbefreiung wegen bejahter Wettbewerbsverzerrung zu versagen ist (so ausdrücklich: BFH 6.9.19, V R 30/17, Rz. 10).

 

  • Die mit der Entscheidung zum Ausdruck kommende präzise Strenge, mit der der BFH selbst einen gesetzlichen Wettbewerbsausschluss nur exakt auf die definierten Bereiche beschränkt wissen will, wirft die Folgefrage auf, ob damit im Betätigungsbereich der von Heilberuflern gegründeten diagnostischen Apparategemeinschaften künftig stets die Wettbewerbsverzerrungsfrage bereits unter Verweis auf den Umstand zu prüfen ist, dass solche Diagnosegerätschaften inzwischen auch von Leasing- und Vermietungsgesellschaften (Vergleichbarkeit der Leistung?) angeboten werden. Es bleibt daher abzuwarten, wie die Finanzverwaltung mit dieser Entscheidung umgeht bzw. sich in Verwaltungsverlautbarungen äußert.

3. Weitere Gesichtspunkte und Schlussbemerkung

Die Ausdehnung des Begünstigungsradius bei Kostenteilungsgemeinschaften durch § 4 Nr. 29 UStG bleibt (derzeit) auf Unternehmen/Gemeinschafter des Gemeinwohlbereichs beschränkt. Andere EU-Staaten kennen dagegen Steuerbefreiungen für Kostenteilungsgemeinschaften auch für andere Branchen jenseits des Gemeinwohlbereichs ‒ z. B. für die Banken- und Versicherungsbranche. Nachdem allerdings der EuGH (21.9.17, C-326/15) konstatiert hatte, die Zusammenschluss-Befreiungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL sei nach derzeitiger Unions-Rechtslage nur im Gemeinwohlbereich, aber nicht in kommerziellen Wirtschaftsbranchen zulässig, hatten einige Staaten (z. B. Frankreich und Luxemburg) mit dem Entwurf eines Art. 137a MwStSystRL eine zeitnahe Absicherung ihrer abweichenden Regelungen durch das EG-Rechts forciert. Dieses Vorhaben war zwar mangels kurzfristiger Konsensfähigkeit fürs erste im Entwurfsstadium stecken geblieben aber eine entsprechende Ausdehnung der Begünstigung dürfte im Fokus der Umsatzsteuer-Reformbemühungen bleiben.

 

FAZIT | § 4 Nr. 29 UStG n. F. sollte Anlass sein, die bisherigen Strukturen und Praktiken im Licht der aktuellen Rechtsauslegung zu überprüfen. Denn anlässlich dieser Neuregelung werden die Probleme auch für die FÄ ‒ und dabei insbesondere bei den Prüfungsdiensten ‒ wieder verstärkt ins Bewusstsein und damit in den Prüfungsfokus rücken. Dabei bleibt zudem zu hoffen, dass die Finanzverwaltung über die vorliegende Gesetzesbegründung hinaus durch ein flankierendes BMF-Schreiben zur rechtssicheren Klärung beiträgt.

 
Quelle: Seite 14 | ID 46214082