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14.02.2013

Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 04.04.2012 – 5 K 3139/09 U

- Die Umsatzsteuerbefreiung der Leistungen eines genossenschaftlichen Verbunds gesetzlicher Krankenkassen i. S. d. § 219 SGB V, der Datenverarbeitungsdienstleistungen gegen Kostenumlage an seine Mitglieder erbringt, folgt unmittelbar aus Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f) der 6. EG-Richtlinie, wonach Dienstleistungen von selbständigen Personenzusammenschlüssen steuerfrei sind, wenn die in ihnen zusammengeschlossenen Personen Tätigkeiten ausüben, die von der Steuer befreit sind.


- Die Befreiung führt nicht zu einer realen Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen, da eine Auftragsvergabe an private Anbieter nach § 80 Abs. 5 Nr. 2 SGB X wegen der notwendigen Übernahme der Speicherung des gesamten Datenbestandes der Krankenkassen ausscheidet.


- Der Umstand, dass der Verbund in einzelnen Jahren Jahresüberschüsse in erheblicher Höhe erzielt hat, steht der Umsatzsteuerbefreiung nicht entgegen, wenn dies auf die in die Preise einkalkulierten Investitionsmaßnahmen beruht, die in den Jahren der Realisierung zu die Überschüsse ausgleichenden Verlusten führen.


Tatbestand

Die Klägerin ist als übernehmender Rechtsträger durch Verschmelzung zum 01.09.2008 Gesamtrechtsnachfolger einer Genossenschaft. Die Klägerin ist seit dem 01.03.2011 aufgelöst und befindet sich seitdem in Liquidation. Bei der KLÄGERIN handelte es sich nach § 1 ihrer Satzung um eine Genossenschaft und Arbeitsgemeinschaft im Sinne von § 219 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Nach § 2 Abs. 1 ihrer Satzung bezweckte die KLÄGERIN die wirtschaftliche Förderung und Betreuung ihrer Mitglieder. Unternehmensgegenstand der KLÄGERIN war nach § 2 Abs. 2 der Satzung die Betreuung ihrer Mitglieder mit Datenverarbeitungs- und Organisationsdienstleistungen im Umfeld der von den Mitgliedern eingesetzten Datenverarbeitungssysteme sowie die Beratung der Mitglieder in betriebswirtschaftlichen Fragen. Mitglieder der KLÄGERIN waren im Streitjahr entsprechend § 3 Abs. 1 der Satzung Betriebskrankenkassen und andere Krankenkassen der gesetzlichen Krankenversicherung. Eine Ausdehnung des Geschäftsbetriebes auf Nichtmitglieder war nach § 2 Abs. 3 der Satzung nicht zugelassen.

Die KLÄGERIN erbrachte gegenüber ihren Mitgliedern Leistungen zur EDV-technischen Abwicklung von Krankenkassentätigkeiten. Dabei erfolgten die Eingaben zunächst vor Ort bei den einzelnen Mitgliedern (Krankenkassen), während die KLÄGERIN die eingegebenen Daten eigenverantwortlich bearbeitete. Im Einzelnen ging es um folgende Bereiche:

- Produktion: Abrechnung der Arztrechnungen und Krankenhausrechnungen, Führen von Beitragskonten und Arbeitgeberkonten, Stammdatenverwaltung der Kassenmitglieder, Erstellung von EDV-Auswertungen,

- Beleglesung: Einscannen der Belege (Au-, DÜF- und BN-Meldungen) der Krankenkassen,

- Kontenklärungen: Zusammenführung der Beitragsnachweise der Arbeitgeber und der Zahlungseingänge, Abstimmung der Beitragsnachweise,

- Verwaltungsvollstreckung: Eintreiben ausstehender Kassenbeiträge, Abwicklung des Mahnwesens und Beitreibung nach der ersten Mahnung sowie

- Fachberatung: Bearbeitung von Anfragen der Krankenassen in rechtlicher oder technischer Hinsicht, Mitgliederschulungen.

Die Tätigkeit wurde der KLÄGERIN von den Mitgliedern vergütet.

Einen Antrag der KLÄGERIN auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft zur Steuerfreiheit der von ihr gegen Entgelt erbrachten Leistungen lehnte der Beklagte (das Finanzamt FA ) mit Schreiben vom 24 November 2000 ab.

Gegen die am 25. Oktober 2001 beim Finanzamt eingegangene Umsatzsteuerjahreserklärung für das Streitjahr 2000, aus der sich eine Zahllast in Höhe von 1.160.549,64 DM ergab, legte die KLÄGERIN mit Schreiben vom 6. November 2001 Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 2002 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage (5 K 3327/02 U) mit Urteil vom 22. November 2006 statt. Es führte aus:

Zwar seien die Leistungen der KLÄGERIN nicht nach § 4 Nr. 15 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) steuerfrei. Die KLÄGERIN gehöre nicht zu den nach dieser Vorschrift begünstigten Einrichtungen, da diese Vorschrift nur für die Umsätze der gesetzlichen Träger der Sozialversicherung und damit für die Umsätze der Krankenkassen gelte. Auch wenn die Organisationsform der KLÄGERIN gesetzlich (§ 219 SGB V) vorgesehen sei, sei die KLÄGERIN als solche nicht gesetzlicher Träger der Sozialversicherung. Die KLÄGERIN könne sich aber unmittelbar auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliederstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) berufen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien im Streitfall erfüllt.

Die vom Finanzamt gegen das Urteil des FG eingelegte Revision (V R 5/07) führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO). Der BFH führte in seinem Urteil vom 23. April 2009 im Einzelnen aus:

Die Feststellungen des FG erlaubten keine abschließende Entscheidung darüber, ob die Leistungen der KLÄGERIN steuerfrei seien.

1. Die KLÄGERIN sei Unternehmerin nach § 2 Abs. 1 UStG, da sie nachhaltig und selbständig Leistungen gegen Entgelt erbracht habe. Als eingetragene Genossenschaft sei sie juristKlägerinhe Person des Privatrechts (vgl. § 17 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften GenG ) und Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuches (§ 17 Abs. 2 GenG). Es handele sich bei ihr daher nicht um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, für deren Unternehmerstellung § 2 Abs. 3 UStG zu berücksichtigen wäre.

2. Die Leistungen der KLÄGERIN seien nicht nach § 4 Nr. 15 UStG steuerfrei. Die KLÄGERIN gehöre nicht zu den in der Vorschrift bezeichneten Unternehmern. Auf andere Unternehmer sei die Vorschrift nicht anwendbar (Bundesfinanzhof – BFH –, Urteil vom 18.August 2005 V R 71/03, BFHE 211, 543, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2006, 143, unter II.2.a). Dies gelte auch für Arbeitsgemeinschaften nach § 219 SGB V.

3. Der Senat könne nicht abschließend entscheiden, ob die KLÄGERIN für ihre Leistungen die Steuerfreiheit nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG beanspruchen könne.

Für die KLÄGERIN komme die Befreiung der zweiten Alternative des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG in Betracht, weil es sich um einen selbständigen Zusammenschluss von Personen handele, die eine Tätigkeit ausübten, für die sie nicht Steuerpflichtige (d. h. Nichtunternehmer) seien.

Bei den Mitgliedern handele es sich um Betriebskrankenkassen und um andere Krankenkassen der gesetzlichen Krankenversicherung und damit nach § 4 Abs. 1 und 2 SGB V um Körperschaften des öffentlichen Rechts. Diese Krankenkassen unterlägen § 2 Abs. 3 UStG und Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG und handelten im Anwendungsbereich dieser Regelungen nicht als Unternehmer (BFH-Beschluss vom 31. Juli 2007 V B 44/06, BFH/NV 2007, 2365, unter II.1.c), so dass insoweit nicht unternehmerisch erbrachte Leistungen, nicht aber nach § 4 Nr. 15 UStG steuerfreie Umsätze gesetzlicher Sozialversicherungsträger vorlägen (Weymüller, in Sölch/Ringleb, UStG, § 4 Nr. 15 Rz. 15).

Die KLÄGERIN erbringe nach den Feststellungen des FG ihre Leistungen ausschließlich an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke dieser Tätigkeiten. Dies sei zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Die Feststellungen des FG erlaubten keine abschließende Entscheidung zur Frage, ob die Steuerfreiheit der von der KLÄGERIN erbrachten Leistungen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führe. Das FG gehe davon aus, die Steuerfreiheit der von der KLÄGERIN erbrachten Leistungen führe nicht zu Wettbewerbsverzerrungen und habe dies auf § 80 Abs. 5 SGB X gestützt.

§ 80 Abs. 5 SGB X habe im Streitjahr folgenden Wortlaut gehabt:

„Die Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten im Auftrag durch nicht-öffentliche Stellen ist nur zulässig, wenn

1. beim Auftraggeber sonst Störungen im Betriebsablauf auftreten können oder

2. die übertragenen Arbeiten beim Auftragnehmer erheblich kostengünstiger besorgt werden können und der Auftrag nicht die Speicherung des gesamten Datenbestandes des Auftragsgebers umfasst. Der überwiegende Teil der Speicherung des gesamten Datenbestandes muss beim Auftraggeber oder beim Auftragnehmer, der eine öffentliche Stelle ist, und die Daten zur weiteren Datenverarbeitung im Auftrag an nicht-öffentliche Auftragnehmer weitergibt, verbleiben.”

Die KLÄGERIN habe den nach § 80 Abs. 5 SGB X zu beachtenden Beschränkungen nicht unterlegen, da es sich bei ihr um eine öffentliche Stelle nach § 81 Abs. 3 Satz 1 SGB X gehandelt habe. Nach § 80 Abs. 5 Nr. 2 Satz 1 SGB X sei die Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten im Auftrag durch nicht-öffentliche Stellen aber (nur) zulässig, wenn die übertragenen Arbeiten beim Auftragnehmer erheblich kostengünstiger besorgt werden könnten und der Auftrag nicht die Speicherung des gesamten Datenbestandes des Auftraggebers umfasse.

Zwar habe das FG zutreffend entschieden, dass bei einer Auftragsvergabe an nicht-öffentliche Stellen anders als bei einer Auftragsvergabe an die KLÄGERIN die Beschränkungen des § 80 Abs. 5 SGB X einzuhalten gewesen seien. Dies reiche aber entgegen dem FG-Urteil nicht aus, um eine Wettbewerbssituation zwKlägerinhen der KLÄGERIN und anderen (möglichen) Leistungsanbietern, bei denen es sich nicht um öffentliche Stellen handele, zu verneinen.

Das FG stütze seine Rechtsauffassung darauf, dass die von der KLÄGERIN erbrachten Leistungen die originär und in eigener Verantwortung von den Krankenkassen wahrzunehmenden Aufgabe beträfen und diese Tätigkeit der KLÄGERIN einen uneingeschränkten Zugriff auf alle Sozialdaten der Mitgliedskassen voraussetze, der für nicht-öffentliche Stellen nach § 80 Abs. 5 SGB X ausgeschlossen sei. § 80 Abs. 5 SGB X enthalte aber kein Verbot einer Auftragsvergabe an nicht-öffentliche Stellen, sondern knüpfe die Vergabe eines Auftrages im Zusammenhang mit der Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten, die einen Zugriff auf Sozialdaten voraussetze, nur an bestimmte Voraussetzungen. So könnten auch nicht-öffentliche Stellen nach § 80 Abs. 5 Nr. 2 SGB X Sozialdaten verarbeiten, wenn die übertragenen Arbeiten beim Auftragnehmer erheblich kostengünstiger besorgt werden könnten und der Auftrag „nicht die Speicherung des gesamten Datenbestandes des Auftraggebers umfasse”.

Insoweit sei im Streitfall zu berücksichtigen, dass die KLÄGERIN Leistungen in den Bereichen Produktion, Beleglesung, Kontenklärung, Verwaltungsvollstreckung und Fachberatung erbracht habe. Ob die auftragsgemäße Tätigkeit auch eine Kontenspeicherung beinhalte und ob die KLÄGERIN auch die Speicherung des gesamten Datenbestandes übernommen habe, was nach § 80 Abs. 5 Satz 1 SGB X nicht Leistungsgegenstand bei einer Auftragserteilung an eine nicht-öffentliche Stelle sein könne, habe das FG nicht festgestellt. Sei dies nicht der Fall gewesen, hätten die von der KLÄGERIN erbrachten Leistungen unter der Voraussetzung einer kostengünstigeren „Besorgung” und einer nicht überwiegenden Datenspeicherung beim Anbieter vielmehr auch unter Beachtung von § 80 Abs. 5 SGB X von privaten Anbietern bezogen werden können. Die nach dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaft – EuGH – vom 20. November 2003 Rs. C-8/01 (Taksatorringen) in Slg. 2003, I-13711, BFH/NV Beilage 2004, 122 Rdnrn. 63 f. (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 5. Dezember 2007 V R 60/05, BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486) maßgebliche „reale” Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung sei daher nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht auszuschließen.

Im zweiten Rechtsgang sei auch zu prüfen, ob die KLÄGERIN trotz der wiederholten Jahresüberschüsse in erheblicher Höhe (nach dem Vortrag des FA im Revisionsverfahren in den Jahren 2000 bis 2004 von bis zu 526.589 EUR sowie in 2005 in Höhe von 336.602 EUR) lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten erhalten habe, und ob die KLÄGERIN über die im Streitjahr erbrachten Leistungen Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis erteilt und diese ggf. berichtigt habe (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 23. Januar 2008 V R 39/06, BFHE 221, 388, BFH/NV 2008, 911, unter II.1., und vom 4. Februar 2005 VII R 20/04, BFHE 209, 13, BStBl II 2010, 55, Leitsatz 1).

Das FG hat die Beteiligten im vorliegenden Klageverfahren (II. Rechtszug) mit Schreiben vom 07.09.2009 um Stellungnahme und ggf. Nachweis zu den vom BFH angesprochenen Punkten gebeten.

Nachdem die Klägerin zunächst vorgetragen hatte, dass die KLÄGERIN im Streitjahr Rechnungen mit gesonderten Steuerausweis geschrieben habe, hat sie erstmals mit Schriftsatz vom 01.06.2010 ihren Vortrag dahin korrigiert, dass die KLÄGERIN im Streitjahr keine Umsatzsteuer ausgewiesen habe. Sie hat dazu drei Ordner mit Ausgangsrechnungen für das Streitjahr vorgelegt.

Zur Frage der Wettbewerbsverzerrung trägt sie vor, dass seinerzeit die kompletten Sozialdaten von der KLÄGERIN gespeichert worden seien. Sie stellt dies unter Beweis durch einen Zeugen, der seinerzeit mit den Arbeiten bei der KLÄGERIN betraut gewesen sei. Im Hinblick auf die komplette Sozialdatenspeicherung durch die KLÄGERIN sei eine Auftragsvergabe an nicht-öffentliche Stellen nicht möglich gewesen. Somit könne auch keine „reale” Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung vorliegen.

Bezüglich der genauen Kostenerstattung verweist die Klägerin auf die von ihr vorgelegten fünf Ordner mit Dienstleistungsverträgen zwischen der KLÄGERIN und ihren Mitgliedern. In der Anlage 2 dieser Verträge befinde sich jeweils eine genaue Kostenübersicht. Grundlage für die Abrechnungen seien die Versichertenzahlen gewesen.

Die Jahresüberschüsse 2000 bis 2005 hätten erwirtschaftet werden müssen, um kostenintensive Investitionen tätigen zu können. Auf lange Sicht seien die Überschüsse ausgeglichen. Unter Einbeziehung des Jahres 2006 mit einem Verlust in Höhe von ./. 1.915.920,00 EUR ergebe sich für den Zeitraum 2000 bis 2006 sogar ein negatives Ergebnis in Höhe von ./. 1.218.547,00 EUR.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuerfestsetzung 2000 auf Grundlage der beim FA am 25.10.2001 eingegangenen Umsatzsteuererklärung 2000 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 14.06.2002 aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA ist weiterhin der Ansicht, dass die Klägerin nicht ausreichend nachgewiesen habe, dass die KLÄGERIN lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten von ihren Mitgliedern erhalten habe. Aus der Anlage 2 der Dienstleistungsverträge sei nicht erkennbar, wie die Preise für die einzelnen Leistungen ermittelt worden seien; erst recht nicht, wie die Preise für die umfassende Betreuung der Datenverarbeitung und Organisation (Komplettangebot) kalkuliert worden seien. Auch die Frage, wodurch die Jahresüberschüsse entstanden seien, sei nicht beantwortet worden. Allein der für 2006 erklärte Verlust führe zu keiner anderen Entscheidung, zumal nicht absehbar sei, ob dieser Verlust nicht durch Neuausrichtung und angestrebte Fusion mit anderen Gesellschaftern bedingt sei.

Das FG hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 04.04.2012 Bezug genommen.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung zum weiteren Nachweis des Umstands, dass die KLÄGERIN von den Mitgliedskassen lediglich den genauen Anteil an den gemeinsamen Kosten gefordert habe, die Vorlage von Unterlagen, insbesondere von Protokollen der Aufsichtsratssitzungen, in denen die Dienstleistungspreislisten (= Anlage 2 der Betreuungsverträge) festgelegt worden seien, angeboten. Der Beklagtenvertreter hat im Hinblick auf die Aussage des Zeugen auf eine Vorlage dieser Unterlagen verzichtet.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Die angefochtene Umsatzsteuerfestsetzung 2000 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Die von der KLÄGERIN, der Rechtsvorgängerin der Klägerin, erbrachten Leistungen sind steuerfrei.

Wie vom FG bereits im I. Rechtszug entschieden und vom BFH insoweit bestätigt, kann sich die KLÄGERIN unmittelbar auf Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG berufen. Die Voraussetzungen der zweiten Alternative dieser Vorschrift sind im Streitfall erfüllt.

Bei der KLÄGERIN handelte es sich um einen selbstständigen Zusammenschluss von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, für die sie nicht Steuerpflichtige (d. h. Nichtunternehmer) sind. Die KLÄGERIN erbrachte ihre Leistungen ausschließlich an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke dieser Tätigkeiten. Insoweit wird auf die Ausführungen des FG und des BFH in den Urteilen des I. Rechtszuges Bezug genommen.

Die weiteren beiden tatbestandlichen Voraussetzungen der Richtlinienvorschrift, zu deren Klärung der BFH die Sache an das FG zurückverwiesen hat, sind ebenfalls erfüllt.

Der Senat ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), insbesondere nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass die Steuerbefreiung der von der KLÄGERIN erbrachten Leistungen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt und dass die KLÄGERIN von ihren Mitgliedern (den Krankenkassen) lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten gefordert hat.

Im Streitfall ist die nach dem Urteil des EuGH vom 20. November 2003 Rs. C - 8/01 (Taksatorringen), a. a. O., maßgebliche „reale” Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung schon deshalb – neben den bereits im I. Rechtszug getroffenen weiteren Feststellungen – auszuschließen, weil eine Auftragsvergabe an nicht-öffentliche Stellen (private Anbieter) nach § 80 Abs. 5 Nr. 2 SGB X nach den konkreten Umständen des Streitfalls auscheidet. Eine Wettbewerbssituation zwischen der KLÄGERIN und anderen (möglichen) Leistungsanbietern, bei denen es sich nicht um öffentliche Stellen handelt, ist auf dieser Grundlage zu verneinen.

Nicht-öffentliche Stellen können nach § 80 Abs. 5 Nr. 2 SGB X Sozialdaten verarbeiten, wenn die übertragenen Arbeiten beim Auftragnehmer erheblich kostengünstiger besorgt werden können und der Auftrag nicht die Speicherung des gesamten Datenbestandes des Auftraggebers umfasst. Umgekehrt schließt daher eine Übernahme der Speicherung des gesamten Datenbestandes eine Auftragserteilung an eine nicht-öffentliche Stelle aus.

Im Streitfall beinhaltete die auftragsgemäße Tätigkeit der KLÄGERIN nach den getroffenen Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien und nach der tatsächlichen Durchführung der Verträge jedoch eine Kontenspeicherung und eine vollständige Speicherung des gesamten Datenbestandes der Auftraggeber (der Krankenkassen).

Dies ergibt sich zum Einen aus dem Inhalt der von der Klägerin vorgelegten Betreuungsverträge zwischen der jeweiligen BKK und der KLÄGERIN (5 Ordner) und zum Anderen aus der dies konkretisierenden bzw. ergänzenden Aussage des Zeugen, in dessen Zuständigkeit bei der KLÄGERIN gerade auch die vertragliche Gestaltung der Leistungsbeziehungen fiel. Zwar war der Zeuge erst seit 2006 bei der KLÄGERIN beschäftigt. Er hat jedoch deutlich gemacht, dass sich neue Verträge im Wesentlichen nicht von den für das Streitjahr 2000 abgeschlossenen Verträgen unterschieden bzw. der Großteil der für das Streitjahr 2000 abgeschlossenen Verträge auch noch zum Zeitpunkt seiner Anstellung bei der KLÄGERIN Gültigkeit gehabt hätten. Er hat weiterhin im Einzelnen geschildert, dass die KLÄGERIN ein im Bezug auf die einzelnen Krankenkassen externes Rechenzentrum betrieben habe. Er hat insbesondere und auch auf besondere Nachfrage des Beklagtenvertreters ausdrücklich bestätigt, dass alle Daten, d. h. Beitrags-, Leistungs- und Mitgliederdaten, bei der KLÄGERIN zentral gespeichert worden seien. Der Zeuge hat weiter erläutert, aus welchen vertraglichen Bestimmungen der mit den Krankenkassen abgeschlossenen Betreuungsverträge sich die Notwendigkeit der zentralen Datenspeicherung bei der KLÄGERIN im Einzelnen ergibt. Der Zeuge hat insoweit die §§ 3 und 11 Abs. 3 des jeweiligen Betreuungsvertrages hervorgehoben.

Auch das weitere, nach dem BFH-Urteil zu überprüfende Tatbestandsmerkmal der Richtlinienvorschrift, nämlich dass die KLÄGERIN von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten gefordert und erhalten hat, ist nach den Feststellungen des Senats im Verfahren des II. Rechtszuges erfüllt. Insbesondere auch der Umstand, dass die KLÄGERIN in einzelnen Jahren Jahresüberschüsse in erheblicher Höhe erzielt hat, steht dieser Feststellung nicht entgegen.

Die Klägerin hat insoweit auf die jeweilige Anlage 2 der Verträge (Kostenübersicht für Dienstleistungen) hingewiesen. Die zeitweiligen Überschüsse hat sie im Hinblick auf größere Investitionen für notwendig erklärt. Sie hat weiter hervorgehoben, dass unter Einbeziehung des Jahres 2006 über die Jahre hinweg insgesamt sogar ein erheblicher Verlust erzielt worden sei.

In der mündlichen Verhandlung haben sowohl der Zeuge als auch der zwischenzeitliche Liquidator der Klägerin diesen Vortrag bestätigt bzw. konkretisiert und erläutert. Aufgrund deren Einlassungen und unter Berücksichtigung der vertraglichen und satzungsrechtlichen Regelungen der KLÄGERIN ist der Senat deshalb zu dem Ergebnis gelangt, dass die KLÄGERIN wie es die Richtlinienvorschrift voraussetzt lediglich eine genaue anteilige Kostenerstattung erhalten hat.

Die Abrechnung der durch die jeweilige BKK in Anspruch genommenen Leistungen ist jeweils in § 6 des Betreuungsvertrages geregelt, der auf die als Anlage 2 dem Vertrag beigefügte Dienstleistungspreisliste verweist. Die Dienstleistungspreisliste wird jährlich vom Aufsichtsrat der KLÄGERIN festgelegt. Grundlage für die Abrechnung sind die Versichertenzahlen.

Hier ist zunächst von Bedeutung, dass nach § 24 Abs. 1 Satz 2 der Satzung der Aufsichtsrat nur von gesetzlichen Vertretern der Mitgliedskassen oder von diesen bevollmächtigten Personen gebildet wird. D. h., dass faktisch die Mitgliedskassen selbst über ihre vertretungsberechtigten Personen die Dienstleistungspreisliste, also die von ihnen für die einzelnen Leistungen der KLÄGERIN zu entrichteten Entgelte festlegen. Bereits dies spricht dafür, dass lediglich die Kosten verursachungsgerecht, d. h. anteilig umgelegt werden sollten. Auch unter weiterer Berücksichtigung der grundsätzlichen Intention bei der Gründung der KLÄGERIN, durch gemeinsame Aufgabenerledigung Kosten zu minimieren, ist davon auszugehen, dass die Festlegung der Preise unter Kostendeckungsgesichtspunkten erfolgte. U. a. auch die Wahl der Rechtsform einer Genossenschaft spricht dafür, dass keine Überschusse zu Lasten der Mitgliedskassen erwirtschaftet und angehäuft werden sollten, sondern kostenneutral unter verursachungsgerechter anteiliger Umlage der Kosten gewirtschaftet werden sollte.

Der Zeuge hat dies im Wesentlichen bestätigt. Er hat dazu erläutert, dass die Preise bereits vor Beginn der Tätigkeit der KLÄGERIN im Jahre 1999 durch den Landesverband der Betriebskrankenkassen ermittelt und festgesetzt worden seien, indem die kalkulierten Gesamtkosten für einzelne Bereiche auf die Versichertenzahlen der einzelnen Mitgliedskassen umgelegt worden seien. Er hat betont, dass Maßgabe eine Kostendeckung („schwarze Null”) gewesen sei. Die gleichwohl in einzelnen Jahren erzielten Überschüsse hat er plausibel damit erklärt, dass Beschaffungsmaßnahmen (Investitionen), die in die Preise einkalkuliert worden seien, erst später realisiert worden seien.

Im Hinblick auf diese Aussage des Zeugen hat der Beklagtenvertreter dann auch auf die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angebotene Vorlage der Aufsichtsratssitzungsprotokolle, aus denen sich die vorgenannten Preisfindungsgrundsätze im Einzelnen ebenfalls ergeben sollen, verzichtet.

Die Aussage des Zeugen steht im Übrigen in Einklang mit der grundsätzlichen Intention bei der hier vorgenommenen Ausgliederung der Aufgaben von den einzelnen Betriebskrankenkassen auf die KLÄGERIN. Die Aufgaben sollten durch gemeinsame kostensenkende Aufgabenerledigung in einer Arbeitsgemeinschaft insgesamt kostengünstiger erledigt werden. Zielsetzung war nach Maßgabe der in der KLÄGERIN zusammengeschlossenen Betriebskrankenkassen nicht eine gewinnorientierte, sondern eine kostensenkende und kostenneutrale Betätigung.

Dabei liegt es in der Natur der jährlich im Voraus vom Aufsichtsrat der KLÄGERIN festgelegten Dienstleistungspreisliste (= Anlage 2 der Verträge), dass die darin kalkulierten Preise, die von den Betriebskrankenkassen an die KLÄGERIN für die einzelnen Leistungen zu entrichten waren, wegen der mit jeder Kalkulation verbundenen Risiken und Unschärfen zwangsläufig insgesamt für das Jahr zu Fehlbeträgen oder Überschüssen führen. Insoweit können die von den Betriebskrankenkassen zu entrichtenden Preise als eine Art von Vorauszahlungen begriffen werden.

Der Zeuge und auch der Liquidator haben in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass bei Umsatzerlösen von zeitweilig rund 60. Mio. Euro (so in 2004) ein Jahresüberschuss von rund 500.000 EUR noch nicht einmal 1 % ausmache. Beide haben weiter betont, dass die Preise in den Jahren auch nahezu gleich geblieben, also nicht erhöht worden seien, und sich im Ergebnis unter Einbeziehung der Jahre ab 2006 bis zur Verschmelzung der KLÄGERIN mit der Klägerin 2008 angesichts der in diesen Jahren erzielten immensen Jahresfehlbeträge, noch nicht einmal als kostendeckend erwiesen hätten.

Schließlich schuldet die Klägerin die streitige Umsatzsteuer auch nicht nach § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG in der im Streitjahr gültigen Fassung

Nach der Vorschrift schuldet ein Unternehmer die in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung zu hoch ausgewiesene Steuer. § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG erfasst auch Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis für steuerfreie Leistungen. Ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Durchschriften der Ausgangsrechnungen für das Streitjahr (3 Ordner) enthalten die Rechnungen jedoch auch entgegen dem eigenen ursprünglichen Vortrag der Klägerin keinen gesonderten Steuerausweis. Danach gehen nunmehr auch beide Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass keine Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis erteilt worden sind und demzufolge die Umsatzsteuer auch nicht nach § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG geschuldet wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

VorschriftenUStG § 4 Nr. 15, RL 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. f), SGB V § 219 Abs. 1, SGB X § 80 Abs. 5